Behandelter Abschnitt Apg 7,1-8
Die Liebe des Stephanus
In früheren Kapiteln hat uns die Schrift verschiedene Reden des Apostels Petrus übermittelt, nun folgt diejenige des Stephanus, die längste der ganzen Apostelgeschichte, welche mit dem Tode dieses treuen Zeugen endet. Stephanus wurde von falschen Zeugen der Lästerung gegen Moses, das Gesetz und den Tempel beschuldigt. Er, der die harte Strafe kannte, die dieser Vergehen wegen vom Gesetz verhängt wurden, wusste was seiner harrte. Der Hohepriester, als der Verantwortliche in Israel, der die Urim und Thummim (Licht und Recht) trug, und derjenige war, der das Urteil über Leben und Tod zu fällen hatte, gab Stephanus Gelegenheit, sich zu verantworten.
Seine Ansprache. Sie war respektvoll und galt vor allem dem Hohen Rat, den er mit dem Ausdruck «Brüder und Väter» anredete. Seine Worte sollten keine Rechtfertigungs‑ noch Verteidigungsrede sein, um sein Leben zu retten. Vielmehr war es ein letzter Versuch, das jüdische Volk vor dem kommenden Gericht zu warnen. Sehr vertraut mit Israels Geschichte, brachte der Angeklagte einen klaren, in den Hauptlinien zusammengefassten, kurzen Überblick über den Werdegang dieses Volkes. Er hob sowohl die vielen Segnungen Gottes, als auch die so oft wiederkehrende Untreue, den Unglauben und Abfall Israels, ferner sein unablässiges Widerstreben gegen den Heiligen Geist hervor.
Sehr
beachtenswert ist der Geist, der die Rede erfüllt. Dieser
vielgehasste Mann ließ sich nicht durch die feindliche Gesinnung der
Juden beeinflussen; vielmehr sprach er die volle Wahrheit in Liebe und
Achtung aus (2Joh 3). 'Menschen voll Heiligen Geistes können auch gar
nicht anders. Unsere Rede soll allezeit lieblich und mit Salz gewürzt
sein, damit wir wissen, wie wir einem jeden antworten sollen (
Der Inhalt der Rede. Er ist ein einziges Zitat von Schriftwahrheiten. Einleitend gab er einen gedrängten und klaren Überblick über die Geschichte Israels von Abraham bis auf Christus. Da Stephanus hauptsächlich die Verwerfung Christi im Auge hatte, stellte er zwei bedeutende Männer in den Vordergrund: Josef und Moses. Sie waren beide gehasst und verfolgt, ähnlich wie später der Herr. Dann streifte er die Wüstenwanderung und gedachte ferner des Josua, David, Salomo und endete mit den Propheten, die alle von dem kommenden Christus weissagten, verkannt und einsam ihren Weg gingen und schließlich meistenteils von Israel getötet wurden. Besonders aber hob Stephanus hervor:
Die Geschichte Abrahams. Er erinnerte an die erste Erscheinung Gottes im Leben dieses Erzvaters (Vers 2). Er zeigte, wie auch Abraham einmal tot in Sünden, ja sogar ein Götzendiener war (Josua 24,2; Jes 51,1, 2), aber Gnade fand. Stephanus hob an: „Der Gott der Herrlichkeit erschien unserm Vater Abraham.“ (Er fing seine Rede mit dem Gott der Herrlichkeit an und endete sie, indem er selbst die Herrlichkeit Gottes sah.) Israel sah also die Herrlichkeit Gottes zu verschiedenen Malen; beim Auszug aus Ägypten, dann am Sinai, in der Stiftshütte und im Tempel. Stephanus berichtete weiter, dass das Erscheinen dieses Gottes bei Abraham sofortigen Gehorsam auslöste, indem er dem Worte Gottes glaubte, alles verließ und auszog wohin der Herr ihn führen wollte (Heb 11,8). Auch enthält die Rede:
Zwei große Verheißungen. Gott sagte dem Abraham ein «Land» und einen „Erben“ zu. Zwar wohnte er zunächst als Fremdling im verheißenen Lande, ohne Eigentum; seinen Nachkommen aber wurde es als bleibendes Besitztum zugesichert.
Nachdem Gott die erste Verheißung eingelöst hatte, erfüllte Er auch die zweite, worin er Abraham einen Erben zugesagt hatte. Abraham war ein gesegneter Mann, aber bis dahin kinderlos. Die Hauptsache fehlte also noch; und wer hinterlässt sein Erbe gern einem Knecht? So musste der verheißene Erbe dein Abraham besonders willkommen sein (Ps 127,3) ; allerdings wurde ihm zugleich kundgetan, dass seine Nachkommen vorher in einem andern Lande als Fremdlinge während vierhundert Jahren bedrückt werden würden.
Das große Vorrecht Abrahams. Zu den herrlichen Verheißungen hinzu machte Gott noch einen Bund mit ihm und mit seiner Nachkommenschaft, den Bund der Beschneidung (1Mo 17,10-14). Durch diesen Bund sollte sich Israel von andern Völkern unterscheiden ‑ ein abgesondertes, gereinigtes und geheiligtes Volk sein. Fortan wusste sich Abraham im Bunde mit Gott, und dieses Bündnis bewirkte, dass er in der Schlacht der Könige (1. Mose 14) mit einem kleinen Häuflein Männer über eine große Zahl von Feinden siegte und sie in die Flucht schlug.
Heute ist der Herr noch viel enger mit Seinem Volk verbunden, nämlich durch den neuen Bund in Seinem Blute, durch welches der Feind besiegt wird. Und so wie Abraham zum gesegneten Werkzeug wurde, indem er auf die göttlichen Bedingungen einging, so auch wir.
Abrahams Stellungnahme zu Gottes Berufung. Er glaubte Gott, und dies wurde ihm zur Gerechtigkeit gerechnet. In den Tagen des Stephanus glaubte Israel aber nicht, und so wurde es von Gott auf die Seite gestellt. Abraham nahm die göttliche Verheißung als bare Münze (Joh 3,33). Im Glauben verließ er das Land Chaldäa, und als sein Vater «Tara» gestorben war, unternahm er den letzten Schritt und zog auch aus Haran aus. Und obgleich sein Aufenthalt als Fremdling im Lande Kanaan mit vielen Prüfungen verknüpft war, hat er sie alle im Glauben überwunden. Mit viel Ausharren und großer Geduld wartete er auf die Erfüllung der Verheißung (Röm 4,20).
Abrahams Belohnung. Nach vielen Jahren durfte Abraham die Erfüllung der zweiten Verheißung erfahren. Aus erstorbenen Leibern schenkte ihm Gott im hohen Alter den verheißenen Erben, den Isaak. Die Nachkommen Isaaks (Jakob und die zwölf Patriarchen) wuchsen heran und als ein Häuflein von fünfundsiebzig Seelen zogen sie nach Ägypten hinab. Vierhundertdreißig Jahre später kehrten sie als mächtige Nation zurück, um das verheißene Land endlich in Besitz zu nehmen. So wurde Abraham Vater einer großen und mächtigen Nation; später wurde er sogar Vater aller wahrhaft Glaubenden genannt. Er ist das Vorbild lebendigen Glaubens. Israel rühmte sich wohl öfters, Abrahams S a m e zu sein, aber sie waren n i eh t, wie der Herr sagte, Abrahams K i n d e r . Und gerade ihren Unglauben musste Stephanus rügen.