Behandelter Abschnitt Mt 9,14-17
Der König und die Johannesjünger.
Das Freudenmahl im Hause des jungbekehrten Matthäus war vorüber. Die Pharisäer hatten sich darüber geärgert, daß der Herr und Seine Jünger daran teilnahmen. sie erkannten weder Ihn, noch Seine Mission, noch die Freude derer, die an Ihn glauben. Sie meinten, daß Gottes Gunst zum Menschen von seiner eigenen Moral und der Erfüllung guter Werke abhänge. Der Herr aber lehrt im folgenden, daß ihr altes Kleid eigener Gerechtigkeit nicht mehr zu flicken sei.
I. Eine Frage der Johannesjünger.
Warum fasten deine Jünger nicht, da wir und die Jünger der Pharisäer fasten. a) Das Fasten der Johannesjünger. Ihr Meister, Johannes der Täufer, aß und trank nicht, d. h. er fastete oft (Mt 11,18) und desgleichen auch seine Jünger. Johannes war der letzte Prophet des alten Bundes. Es war aber Brauch der alten Gottesmänner, in Tagen der Not zu fasten. Man denke an Nehemia, Daniel und andere. Zudem hatten die Johannesjünger besondere Ursache zu fasten; denn ihr Meister lag im Gefängnis. Da waren Traurigkeit, Fasten und Fürbitte am Platze. Es ist, als sagen sie, wir fasten und trauern, aber deine Jünger scheinen das nicht zu benötigen, sondern sie sind allezeit fröhlich. Die Johannesjünger hatten das Neue noch nicht erkannt, sondern waren bis dahin beim Alten und bei den Anfangsgründen bei Buße und Taufe stehen geblieben (Heb 6,1). Jedoch die Zeit des Fortschreitens, hinein in das Neue, kam auch für sie (Apg 19,1-6). b) Das Fasten der Pharisäer. Dieser war ein Kalenderfasten, ein angeordnetes, das zweimal wöchentlich erfolgte (Lk 18,12). Der religiöse Mensch will durch eigenes Wirken Gottes Gerechtigkeit erlangen, aber er irrt (Jes 58,3). Auf diese Weise wollten die Pharisäer das alte unverbesserliche Kleid flicken. Vielleicht wollten sie gar dadurch Sünde austilgen? Außerdem entsprach ihr innerer Zustand keineswegs dem Fasten, das aus göttlicher Traurigkeit über Schuld und Sünde hervorgeht.
II. Des Herrn Antwort.
Der Herr verteidigte der Jünger Verhalten durch ein Bild, das mehr
als jedes andere zur Freude Anlaß gibt; das Bild einer Hochzeit, indem
Er fragt: "Können die Söhne des Brautgemachs trauern?" (Vers 15.) Alles
hat seine Zeit, sich freuen und trauern (Pred 3,1). Beachten wir: a) Die Anwesenheit des Bräutigams. Hosea hatte längst darauf
hingewiesen, daß sich der Herr mit Israel verloben werde (Kap. 2, 21,
22). Nun stand der Bräutigam inmitten der Söhne des Brautgemachs (Vers
15; Joh 3,29). Welch liebliche Beziehung zwischen diesen und Ihm! Die
Anwesenheit des Bräutigams ruft Fröhlichkeit hervor, und Fasten und
Trauer haben dann keinen Raum. Dann tragen die Söhne des Bräutigams
statt Sacktuch den königlichen Purpur. Dabei ein Fasten zumuten, wäre
widersinnig. Vergessen wir dabei aber nicht, daß wir auf dem Wege des
Sacktuchs der Trauer zum königlichen Purpur gelangen. b) Die Abwesenheit des Bräutigams. Wenn der Bräutigam abwesend sein
wird, dann werden sie fasten. Dabei weist der Herr auf Seine Verwerfung
hin, da Er, gleich wie Johannes, getötet werden sollte. Dann werden auch
die Jünger trauern. Das hat sich buchstäblich zugetragen währenddem der
Herr im Grabe lag, da trauerten die Jünger hinter verschlossenen Türen.
Erst an Ostern wurden sie wiederum froh (Joh 20,20;
III. Ein Gleichnis.
Der Herr fährt in Seiner Belehrung mit einem Gleichnis fort, das auf die neue Zeit, die bessere Gerechtigkeit, hinweist. Das Gleichnis hat zwei Seiten: a) Das Bild des neuen Fleckes auf ein altes Kleid. Alle Gerechtigkeit Israels glich einem morschen Kleide (Jes 64,6). Ein solches mit einem neuen Lappen zu flicken, ist hoffnungslos. Gerechtigkeit durch Gesetzeswerke zu erlangen, ist unmöglich (Röm 3,20,28). Das Judentum konnte nicht durch Zeremonien wie Fasten ausgebessert werden. Warum ist die Gerechtigkeit mit einem Kleide verglichen? Unser altes Kleid ist so alt wie Adam. Der Mensch erkennt seine Blöße und verfertigt sich selbst das Kleid der Feigenblätter eigener Gerechtigkeit. Gottes Weg, die Blöße zu bedecken, ist ein anderer. Einst gab Er Adam Tierfelle, um sich zu bedecken (1. Mose 3,7, 21). Uns hat Er als Sühnung (Bedeckung) unserer Sünden Seinen Sohn gegeben (1Joh 4,10). Das ist das neue Kleid (Lk 15,22). Wieviel Flickwerk treibt der Mensch! Man gibt das Fluchen, das Trinken und andere in die Augen fallende häßliche Sünden in eigener Kraft auf. Das ist nur ein neuer Fleck auf ein altes Kleid. b) Das Bild des neuen Weins in alte Schläuche. Wein wurde damals in Schläuchen aufbewahrt. Waren solche älter, so wurden sie morsch und vermochten den jungen Wein, der stark gärt, nicht mehr zu ertragen, so mußten neue Schläuche dafür angefertigt werden. Der Wein ist das Bild der Freude (Ps 104,15). Der neue Wein ist das Evangelium. Die alten Schläuche stellen das Gesetz und die levitischen Einrichtungen dar, aber dahinein paßte das Evangelium nicht. Gott hält Gesetz und Gnade strikt getrennt. Das lehrt uns der Galaterbrief. Die Jünger des Herrn standen im Genuß dieser Freude. Heraus aus den alten Formen, und aus der Überlieferung nach väterlicher Weise, und hinein in die Freiheit des Evangeliums! Der Herr sagt: "Ich bin gekommen, auf daß sie Leben haben." Nehmen wir also alle das neue Kleid und den neuen Wein, den Er uns anbietet, dann gibt es kein Trauern mehr, sondern nur Freude.