Dan 9,26 - Die Zwischenzeit
Was verstehen wir unter diesem Ausdruck, den wir in der Schrift nicht finden? Wir meinen die lange Unterbrechung zwischen der 69. und 70. Woche; die Zeit, in der Gott Seine Beziehungen zu Israel abgebrochen hat und andere Pläne ausführt.
Wann beginnt und endet die Zwischenzeit? In Dan 9,26 werden wir auf ihren Anfang hingewiesen. „Und nach zweiundsechzig Wochen wird der Messias weggetan (getötet) werden, und nichts haben.“ Es handelt sich hier also um die Zeit, anfangend nach der Verwerfung Christi, b i s daß Israel den Herrn Jesum erkennen und annehmen wird. Petrus hebt in seiner Rede vor Israel (Apg 3,21), die Verwerfung Christi hervor und sagt: „Welchen freilich der Himmel aufnehmen mußte, b i s zu den Zeiten der Wiederherstellung aller Dinge (Wohlverstanden nicht Wiederherstellung der Gottlosen oder gar Satans, wie eine gewisse Richtung es Falscherweise verkündigt.). Dadurch, daß Israel seinen Messias nicht aufnahm, ist Er zurück in den Himmel gegangen, von dannen Er aber wiederkommen wird, wenn Israel in seiner größten Not zu Ihm schreien wird.
Was ist nun Gottes Plan und Wirken zwischen Golgatha und dem Erscheinen Christi in Herrlichkeit auf dem Ölberg? Der Herr hatte mit der Himmelfahrt keineswegs jede Beziehung zu Israel abgebrochen. Er, der Sein Volk so liebte, daß Er für dasselbe Sein Leben gab, konnte Israel unmöglich vergessen; und so kam schon zehn Tage nach der Himmelfahrt, am Pfingsttage, ein neues, wunderbares Gnadenangebot Gottes an Sein Volk. Der gen Himmel gefahrene Herr erfüllte Seine Verheißung (Apg 1,5, 8) und sandte den Heiligen Geist auf die wartende Jüngerschar. Petrus, voll Heiligen Geistes, sprach in seiner Rede, durch welche dreitausend Männer zur Buße geleitet wurden: „Brüder, ihr habt in Unwissenheit gehandelt, aber Gott hat diese Zeit der Unwissenheit übersehen, so tut n u n Buße, damit die Zeiten der Erquickung vom Angesicht des Herrn kommen.“ Mit andern Worten, daß das langerwartete Königreich Jesu Christi aufgerichtet werden kann. Israel weigerte sich des Bußruf es und blieb verstockt; es lehnte das neue Gnadenangebot und damit auch den vom Himmel gesandten Heiligen Geist selbst ab. Ja, mit der Steinigung des Stephanus, dieses mit Heiligem Geiste erfüllten Zeugen, verwarf Israel zugleich auch endgültig den Heiligen Geist. Wohl kamen immer noch einzelne Juden zum Herrn, aber die Nation als solche, lehnte jenes neue Gnadenangebot Gottes entschieden ab und tötete sogar diejenigen, die zu ihr gesandt waren. Dem folgten nun bald die ersten, vom Herrn in Lk 21 angekündigten Gerichtszeiten über Israel, und zwar:
Die Zerstörung Jerusalems durch die Heere der Römer im Jahre 70 n. Chr. Titus gab zwar den ausdrücklichen Befehl, den herrlichen Tempel, dieses wertvolle Kulturdenkmal, zu schonen; doch etliche, die den Befehl nicht kannten, zerstörten ihn. So ging des Herrn Weissagung und nicht der Befehl des Titus in Erfüllung. Es blieb nicht ein Stein auf dem andern! Die Stadt, die ihren König verwarf, wurde nun vom Herrn für unbestimmte Zeit aufgegeben und zu einem Trümmerlaufen wie selten eine Stadt der alten Geschichte.
Das zerstörte Jerusalem wurde bereit längst wieder aufgebaut. Und wenn Israel zur von Gott bestimmten Zeit nach Palästina zurückkehrt, wird Jerusalem noch einen weiteren Ausbau erfahren.(Seit 1948 ist Israel wieder ein eigener Staat und seit 1967 ist Jerusalem wieder Hauptstadt) Immerhin wird diese Stadt laut Sach 14 kurz vor Abschluß der 70. Jahrwoche noch einmal durch ein furchtbares Zerstörungsgericht gehen. Dieser Verheerung nach Sach 14,2 folgt das Erscheinen Christi in Herrlichkeit. Hierzu gehört Offenbarung 1l, 1-2. Da Johannes die Offenbarung aber erst nach dem Jahre 70 schrieb, so kann er nur eine nochmalige Zerstörung der Stadt meinen, die am Ende der Zeiten der Nationen liegt, d. h. wenn der Herr mit uns, den Seinen, kommt, und die Völker richtet.
Die Zerstreuung Israels unter alte Völker. Auch sie wurde vom Herrn geweissagt, und hat sich bis auf den Buchstaben genau erfüllt. Israel aber wurde nicht nur vertrieben und unter die Nationen zerstreut, sondern es ist, wie der Herr sagt: „Gehaßt von allen Völkern!“ Und ist es nicht so? Ist Israel nicht fast allenthalben als unerwünschter Eindringling angesehen?
Ferner hat sich noch eine andere Vorhersage des Herrn wortgetreu eingelöst. Die Zeit nämlich, während welcher Israel unter die Nationen zerstreut ist, wird vom Herrn gekennzeichnet als: „Erfüllt mit Krieg und Kriegsgeschrei.“ Für die Nichtigkeit dieses Wortes bürgt unsere gegenwärtige Zeit. Einen nicht unbedeutenden Schuldanteil an all dem Geschehen haben gerade die Juden, in dem Sinn, daß die meisten Kriege des Großkapitals wegen verursacht sind, das bekanntlich in den Händen der Juden ist. Aus dieser Tatsache heraus wird der Judenhaß der Völker je länger je mehr an Raum gewinnen; ja, so sehr, daß gerade dieser Umstand zu ihrer Rückwanderung nach Palästina beitragen wird. Schließlich werden die Nationen in ihrer Empörung Juda - Israel sogar aus ihrer Mitte vertreiben und auf diese Weise zur Erfüllung der Verheißung Gottes beitragen.
Das Hauptgeschehen in der langen Zwischenzeit. Es ist die Herausrufung der Gemeinde des Leibes Christi. Da Israel seinen Herrn verwarf, hat Gott sich ein anderes Zeugenvolk erwählt, „ Seine Gemeinde“. Sie besteht aus Heiden und Juden, und zwar aus allen Nationen, zu deren Diener der Herr besonders Paulus, als Apostel der Nationen, berief. Ihm wurde die Enthüllung eines früher verborgenen göttlichen Geheimnisses geoffenbart ((Gal 1,11,12; 2,9; Röm 1,16,25; Eph 1,9,10,22,23; Kol 1,26,27; Apg 9,15). Deshalb ist es auch völlig ausgeschlossen, die Gemeinde im Alten Testament zu finden. Die Gemeinde, als der Leib Christi, bildet mit Christus, ihrem Haupte, eine organische Einheit (Eph 1,22-23; 5,30). Sie ist folglich nicht eine Organisation, sondern ein lebendiger Organismus. In diese Gemeinschaft kommt der Mensch nicht durch Kindertaufe, noch durch Mitgliedschein, etwa wie es bei Israel durch Vererbung und Beschneidung der Fall war, sondern allein durch Buße und Glauben, durch die Wiedergeburt. Die Gemeinde ist die aus der Welt Herausgerufene, die Abgesonderte, wohl in, aber nicht von der Welt; Evangelisten rufen die Einzelnen aus der Welt heraus, Hirten und Lehrer pflegen sie, auf daß die Gemeinde am Tage Christi ohne Flecken und Runzeln Gott verherrlichen werde. Und wenn die Vollzahl aus den Nationen eingegangen sein wird, wird der Herr wiederkommen und Seine Gemeinde ins Vaterhaus bringen, wie Er es verheißen hat (Joh 14,2-3). Gleichzeitig aber fällt einem Teil Israels die Decke von den Augen (Röm 11,25) und das erste Resultat der Wiederkunft des Herrn wird die Bekehrung der 144 000 aus allen Stämmen Israels sein. (Off 7)
Die Synagoge oder Schule Satans. So wird die Mehrzahl der Gemeindeglieder au Smyrna genannt, die wohl nach außen ein religiöses Bekenntnis ablegte, aber kein inneres Leben hatte, ja sogar Urheber der Trübsale der wahren Kirche war (Off 2,9). Trefflich hat der Herr im Gleichnis vom Senfkorn die Christenheit charakterisiert (Mt 13,31-32). Das Senfkorn, sonst als eine Gartenlaube gekannt, ist zum großen Raum entartet, in dessen Zweigen die Vögel des Himmels nisten. Wir haben also neben den Herausgerufenen, den Abgesonderten, eine Art Christenheit, die den Namen hat, daß sie lebt, aber tot ist. Unsere Christenheit ist und bleibt das große Babel, die Verwirrung zwischen Gemeinde und Welt, in welchem viel Wohlgemeintes ist, der Herr aber dennoch Sein: „ G e h e aus m e i n V o I k! „hineinruft.