Behandelter Abschnitt Ps 124,1-8
Gebunden ‑befreit Psalm 124
Unsere Seele ist entronnen wie ein Vogel aus der Schlinge des Vogelstellers. Die Schlinge ist zerrissen, und wir sind entronnen. Die Schrift nennt manche ähnliche Bilder, zum Beispiel Psalm 40 das des Befreiten aus der grausamen Grube oder jenes aus dem Rachen des Löwen oder jenem anderen aus dem Bauch des Fisches (Jona 2). Alle sagen uns dieselbe Tatsache, dass der Herr alle Gebundenen zu befreien vermag, ganz gleich, wie aussichtslos die Befreiung sein mag. Man denke vor allem an Israel selbst, das in der Gefangenschaft in Babylon schmachtete aber befreit wurde. Laut erscholl der Lobgesang der Befreiten.
Befreiung aus Gebundenheit. Der Vogel unseres Textes repräsentiert Juda in Babylon oder zuvor in Ägypten. Der Vogel in der Schlinge ist in größter Gefahr. Er kann einem Raubvogel zum Opfer fallen. Was den gebundenen Menschen betrifft, so kann nur der Herr ihn befreien. Hier ist es ein kleiner Vogel. Nicht ein Adler, der sich aus eigener Kraft befreien könnte. Er flattert hin und her, bis sich jemand seiner erbarmt und ihn befreit. Der Vogel ist das Bild unserer Seele. Ein starker Vogel könnte sich seiner Kraft rühmen. Wir kommen uns oft stark vor wie Adler ‑ sind aber schwach, können uns selbst nicht befreien. Aber unser Schöpfer gedenkt der Sperlinge. Wie viel besser seid ihr.
Der kleine Vogel ist unwissend (Tit 3,3). Er sah nicht den Sprenkel und trat hinein. Wer ist so unweise als der Mensch, der alles zu wissen meint, aber nicht die Gefahr sieht, die Falle zum Beispiel, in die viele fallen, und vor der Salomo warnt, Andere fallen in die Falle der Geldliebe und sehen nicht, in welchen Abgrund sie führt.
Andere gleichen Vögeln, die im Winter hungrig sind. Sie achten nicht, dass neben dem Futter die Schlinge liegt und sie fängt. Der hungrige Mensch stiehlt etwa um seinen Hunger zu stillen. Wird er ertappt, so wird er bestraft. Im Kleinen fängt oft die Lüge und das Stehlen an. Man sieht und hört von den Folgen ‑ und macht es doch. Man geht freiwillig ins Netz und ist gefangen. Aber der kleine Vogel, der entronnen ist, gleicht dem befreiten Sünder, der Loblieder singt und sich vor der Schlinge hütet.
Die Falle oder das Netz. Es ist meistens verborgen angelegt. In der Versuchung zur Sünde ist mehr als wir im Augenblick sehen. Sage nie, es sei eine Kleinigkeit. Die kleinen Füchse, die so lieb aussehen, verderben den Weinberg (Hld 2,15). Ein Jüngling, der schmutzige Bilder sah und durch sie zur Sünde gereizt wurde, sagte später, ich wollte, ich hätte das Journal fortgeworfen. Der Blick hatte ihn verführt, wie die Eva im Paradies oder wie David auf die Bathseba. Tod und Verderben lauern hinter den Blicken auf das Sündige.
Fallen sind klug angelegt. Ich erinnere mich an Elefantenfallen, die Neger anlegten: eine tiefe Grube aushoben, unten einige Speere aufstellten und alles mit belaubten Ästen zudeckten.
Wie geriet der Vogel in die Falle? Wahrscheinlich aus Hunger. Der Hungrige kann versucht sein etwas zu stehlen aus Notdurft. Der arme Familienvater stiehlt etwas für seine hungernde Familie. Vertraue dem Schöpfer und Erhalter, der selbst um die Sperlinge besorgt ist. Andere Vögel fressen aus Appetitlust. Sie sind nicht extra hungrig, aber sie lieben seltene Körner. Hat es nicht so der Mensch? Der Apostel warnt uns vor Augenlust, Fleischeslust und der Hoffart des Lebens.
Wieder andere gelangen in die Falle loser Gesellschaft. Schon die Kleinen lieben die Gesellschaft und kommen oft ahnungslos mit Fluchwörtern heim. Die Tochter liebt den Tanz, und viele kamen unrein zurück. Dina liebte die Gesellschaft der Kanaaniter in Sichern, aber wie kam sie zurück (1. Mose 34). In der Gemeinde des Herrn verlieren wir viele Glieder, die in das Netz des fremden Joches geraten (2Kor 6,14). Andere fallen in das Netz der Menschenfurcht, sie schämen sich, den Namen des Herrn zu bekennen und geraten in das Netz der Welt.
Die Befreiung. Es ist eine Befreiung in herrlicher Freiheit, hinauf zu lichten Höhen. Der Vogel kann sich selbst nicht befreien. Eben sowenig kann der Sünder aus sich seine Fesseln lösen. Er bedarf eines Befreiers, eines Erlösers. Unser Befreier aus Sünde und Schuld heißt Jesus Christus. Welchen der Sohn frei macht, der ist recht frei. Er ist mächtig zu retten, zu befreien. Der Befreier muss stärker sein als der Gebundene. Er macht den Schlimmsten frei und rein. Man denke an jenen Gebundenen, dem niemand helfen konnte, aber der Herr machte ihn so völlig frei, dass alle staunten. Er war so gelöst, dass der Herr ihn beauftragte, sein Erlebnis allen zu erzählen. Man denke, was Jesus an Maria Magdalena tat, die von sieben Dämonen besessen war und wie sie nachher dem Herrn diente (Lk 8) und die erste Siegesbotin der Auferstehung Christi wurde (Joh 20,17). Die Befreiung ist eine völlige, ihr folgen die Loblieder, das neue Lied, das Er in den Mund der Befreiten legt.
Was lehrt uns die Geschichte? Dass wir von Natur gebundene Sünder sind, dass jeder Glaubende frei werden kann, selbst wenn die Ketten noch so stark sind. Nun gilt es zu wachen und uns nicht wieder durch das Locken des Feindes fangen zu lassen, viel mehr in Jesu zu bleiben.