Behandelter Abschnitt Ps 123,1-4
Das Auge des Glaubens Psalm 123
Ein weiterer Pilgrimspsalm oder Stufenlied. Die Pilger sind nahe am Ziel, ihr Auge ruht auf der ersehnten Stadt und dem Berg Zion. Die Nähe der irdischen Stadt hat zugleich die Seelennähe zu Gott in der himmlischen Stadt gebracht. Sie haben viel Not gelitten. Hier aber ist die Seele zur Ruhe gekommen, an der Quelle des Trostes. Achten wir auf drei Anliegen:
1. Aufsehen auf Jesus. Dazu werden wir nicht nur in Hebräer 12 aufgefordert, sondern oftmals im Alten Testament. Und so auch hier. Wir wollen mit dem Psalmisten sagen: „Ich hebe meine Augen auf zu dir.“ Zu wem? Dem Allmächtigen, der Himmel und Erde gemacht hat. Er ist mächtig zu helfen, auch aus der Verachtung zu retten. Wo fängt dieses Aufblicken an? 4. Mose 21 soll uns dienen, zumal der Herr der Stelle in Johannes 3 gedenkt. Gebissen von der alten Schlange, im Todesschmerz blickten wir wie Israel auf die eherne Schlange und wurden geheilt. Aber die es unterließen, starben in ihrem Schmerz. „Blicket zu mir, aller Welt Enden, und ihr werdet gerettet“, ruft der Prophet aus. Wie blicken? Wie die Magd die Hände ihrer Herrin beobachtet und es genau so machen will wie sie, damit ihre Arbeit sie befriedigt und erfreut, so betrachten wir das Handeln unseres Herrn. Das tat Petrus. Man betrachte die Art Seines Handelns bei der Auferweckung des Töchterleins des Jairus, vergleiche es mit der Tabea (Apg 9,40f). Wir sind Knechte und Mägde Gottes und blicken auf Ihn, den Meister, der zu uns sagt: „Lernet von mir.“ Wir tun das bis ans Ende wie Stephanus (Apg 8,56.60). Zu wem schaute der Schreiber? Zu dem, der in dem Himmel thront, also zum Höchsten, der zugleich sich zu den Elenden und Niedrigen hinabneigt. Er sitzt auf dem Thron. Sitzen bedeutet Ruhe. Unser Gott ist nicht wie wir Menschen unruhig und aufgeregt. Sei du nur auch ruhig, der Höchste kommt zur rechten Zeit wie einst zu Lazarus, obwohl es den Schwestern zu spät schien (Joh 11,21). Jene blickten mit dem natürlichen Auge wohl nach Zion, aber ihr inneres Auge war auf den Höchsten gerichtet, der im oberen Zion thront. Wir alle stimmen gern in das schöne Lied ein: „Blicke nur auf Jesus, wenn der Himmel hell, oft wenn alles ruhig, kommt Versuchung schnell. Erdenfreuden schwinden wie des Tages Licht. Blicke nur auf Jesus, Er entweichet nicht.“
2. Ich warte auf unsern Gott. Wie lange? Bis Er uns gnädig ist. „Ich warte auf deine Winke.“ Sklaven warten auf den Wink des Meisters. Auch wir warten wie die Engel, Täter Seines Wohlgefallens zu sein. Auf den Herrn harren gibt neue Kraft in Leiden (Off 1,9) und Ausharren im Dienst und im Gebet (1Kor 15,58; Röm 12,12). Saul konnte nicht warten, wie ihm befohlen war, und er verlor sein Königreich, ja mehr, sein Innenleben und schließlich sein Leibesleben. Wir sind Wartende. Auf wen? Auf unsern wiederkommenden Herrn, der den Befehl zum Warten auf Ihn vor schon mehr als 1900 Jahren ausgesprochen hat. Wir warten auf Ihn und freuen uns auf Sein Erscheinen. Bald wird der Mitternachtsruf erschallen. Siehe, der Bräutigam kommt, und wir freuen uns auf Sein Kommen. Wir Wartende sind bereit; wir warten auf den Zug, auch wenn er viel Verspätung hat; aber wir wissen, dass er kommt. Ein jeglicher, der diese Hoffnung hat, reinigt sich. Er will vor dem Herrn wie eine keusche Jungfrau erscheinen.
Wir warten im alltäglichen Leben auf die Antwort unserer Gebete. Wir warten wie Habakuk, stehen auf der Hut und warten, was uns gesagt werde. Er muss das Gehörte aufschreiben, damit es alle Vorübergehenden lesen können. Ja, das ist die Aufgabe des Dieners: warten auf die Botschaft, um mit Elia sagen zu können: „So spricht der Herr.“ In unserem Abschnitt wird die Magd als Bild des Empfanges einer Botschaft und einer Aufgabe genannt. Alle Diener sollen in dem Stück Jesus nachahmen. „Er weckt mir jeden Morgen das Ohr.“ Wofür? Um belehrt zu werden, um den Müden zu trösten (Jes 50,4.5).
Ich bete. Dieses Wort in Vers 1 hat sich in den folgenden Versen in «wir> verwandelt. Das Einzelgebet hat andere zum Mitbeten veranlasst. Wo zwei oder drei eins werden, worum sie bitten wollen, das soll ihnen widerfahren.
Wofür beten sie? Um Rettung aus ihrer Verachtung, denn sie ist schwer zu tragen. Nur der Eine, welcher der Allerverachtetste war, trug Spott und Hohn mit Würde, ohne zu klagen. Auch wir wollen in ähnlichen Lagen an Jesus denken: „Lernet von mir“ (1Pet 2,23; 3,9). Die Apostel haben es reichlich erfahren, ja mehr: ihre Namen wurden auf Erden ausgetilgt. Dafür aber stehen sie im Himmel angeschrieben.
Ich aber bete. In Psalm 69 steht dieses kostbare Wort. Achten wir, von wem es geweissagt worden ist: von unserem Herrn. Der ganze Psalm zeigt uns die tiefe Not, die keiner erlebt hat als Jesus. Was tat Er? „Ich aber bete.“ Denken wir noch an das Wort Selbstverachtung. Zu wem beten die Pilger? Zu dem, der auf dem Thron sitzt, wie Jesaja: „Wehe mir, ich vergehe, denn ich bin ein Mann mit unreinen Lippen“ (Röm 7,18.24). Aber woher kommen unreine Lippen? Aus einem unreinen Herzen. Darum gilt es zuerst an sich zu denken und nicht an die Verachtung anderer.