Behandelter Abschnitt Ps 74,1-23
Ein Gebet für Israel Psalm 74 „Gedenke deiner Gemeinde.“ Hier ist natürlich zunächst Israel gemeint. Aber wir dürfen die Worte getrost auf die Gemeinde der Gegenwart anwenden. Das mit Recht, besonders jetzt, da wir an die grausamen Vernichtungsabsichten hinter dem Eisernen Vorhang denken, wo man Gläubige quält und foltert, wie kaum ein Tier. Doch nicht nur für diese wollen wir einstehen: „Herr, gedenke deiner Gemeinde“, besonders auch wegen der Weltförmigkeit der großen Weltkirchen, sei es die römische oder reformierte. Und wie sieht es in den Freikirchen aus, in den Gemeinschaften? Wo ist die erste Liebe? Wo sie fehlt, fehlt die Hauptsache (1Kor 13,3), das Leben. Wo ist das Wort? Wo der Eifer, der Zeugenmut? „Die Herde deiner Weide“, so nennt sie der Schreiber. Dass der Herr der Hirte Israels ist, bezeugen Psalm 80,1; 95,7; 100,3; Jesaja 40,11; Hesekiel 34,11-16. Der Hirte geht vor Seiner Herde her. Das sah Israel bei seinem Auszug aus Ägypten. Das Volk trat um Mitternacht aus den Häusern. Und was ging vor ihnen auf dem unbekannten Wege her? Die Feuersäule bei Nacht und die Wolkensäule bei Tage. Und das während der ganzen Wüstenwanderung. Zudem lesen wir öfters das Wort: „Ich werde vor euch hergehen.“
Der Herr ist auch der Hirte des einzelnen. Jakob sagt am Ende seines Lebens: „Gott der mich geweidet hat“ (1. Mose 48,15). Und wer hat sich nicht schon oft an Psalm 23 erquickt: „Der Herr ist mein Hirte“? Jesus nennt sich der gute Hirte (Joh 10,11). Bis heute weidet Er Seine Schafe durch Hirten, die Er erwählt hat. Er hat etliche gesetzt zu Hirten (Eph 4,11), die Seine Herde weiden (1Pet 5,2). Hirtendienst bedeutet:
Leitung. Schafe sind im Blick auf den Hirten ihres Weges gewiss, sie sind sorglos und kümmern sich um nichts und folgen ihm einfältig. Er geht jedem seiner Schafe voran.
Sicherheit. Diebe greifen sie gern an, Wölfe würden sie fressen, aber unser Hirte stirbt für sie. Er sagt: „Ich lasse Mein Leben für die Schafe“ (Joh 10,11).
Versorgung. Er führet sie auf grüne Auen und zu frischen Wassern. Er erquickt sie, nährt und pflegt sie. Sie sind:
Erlöste. Als Israel in ägyptischer Knechtschaft war, erlöste Gott Sein Volk durch das Blut des Passahlammes. Erstaunlich wurden sie befreit und ebenso war die Niederlage, das schreckliche Ende der Ägypter. Befreiung erlebte Israel gar oft von seinen Bedrückern; das finden wir häufig im Buch der Richter. Die Erlösung schließt Eigentumsrecht ein. Israel war für Gott erkauft, um ein Königtum von Priestern zu sein, zum Heil der ganzen Welt (2. Mose 19,6; 1Pet 2,9.10). Dasselbe gilt Seiner Gemeinde. In Apostelgeschichte 20,28 lesen wir, dass Er sie „durch Sein eigen Blut erworben hat“. Ein großer Unterschied ist also zwischen Israel und der Gemeinde. Israel war durch das Blut des Passahlammes erlöst, die Gemeinde aber durch das des Lammes Gottes (Joh 1,29). Es hat unsere Sünde aus sich genommen (1Pet 2,24).
Bewohnt von Gott. „Gedenke des Berges Zion, auf welchem Du gewohnt hast.“ Dort wohnte Er, zwischen dem Cherubim, auf dem Sühnedeckel und gedachte des Blutes auf demselben, das für das Volk sprach. Von hier aus sprach Er mit Seinem Volke, wie Er es verheißen hatte (2. Mose 25,22): „Alles zu dir zu reden, was ich dir an die Kinder Israel gebieten werde.“
Ja, unendlich größer ist die Innewohnung Gottes inmitten der Seinen (Mt 18,20). Hier pflegt Er Gemeinschaft mit Seiner Gemeinde und erbaut sie durch das Wort.
Er wohnt im einzelnen. „Christus in euch, die Hoffnung der Herrlichkeit.“ Herrliches hat Er denen verheißen, die in Ihm bleiben, Sein Wort halten. Von ihnen sagt Er: „Der Vater und ich werden kommen und Wohnung in ihm machen.“ (Eph 3,17; Joh 14,23).
Die Leiden Seines Volkes. Sie werden in den kommenden Versen genannt. Es war das Heiligtum, das danieder lag, worunter jeder fromme Jude litt. Die Feinde siegten und Gott schwieg, sie mussten auch „Ikabod“ ausrufen, die Herrlichkeit ist dahin, wie in Elis Tagen (1Sam 4,21). Der Herr offenbarte sich nicht in ihrer Mitte. Und das ist heute die Klage in vielen Gemeinden. Es geschieht kaum Nennenswertes. Bekehrungen sind vielerorts etwas Außergewöhnliches. Loblieder erschallen noch, aber oft nur in gedankenlosem Mitsingen. Die Harfen hängen an den Weiden.
Die Stimme der Propheten verstummte. Seit Maleachi trat während 400 Jahren kein Prophet auf. Bis Johannes der Täufer auftrat, hat Gott geschwiegen (Lk 1,5-17). Johannes rief das Volk erneut zur Buße auf (Mt 3,1.2). Wie köstlich in Hebräer 1 lesen zu dürfen, Gott hat geredet.
Das Gebet dieser Geprüften. „Gedenke Deiner Gemeinde.“ Warum schweigst Du zu all den Greueln an heiliger Stätte? Menschenhilfe ist unmöglich. Tritt Du, unser Gott, auf den Plan! Wir sind Dein Volk, überlass es nicht der Willkür seiner Feinde, denn sie sind auch Deine Feinde. Höre ihren Spott, hilf uns, sie zu besiegen; denn sie haben Dein Heiligtum in Brand gesteckt und vernichten alle Versammlungsstätten im Lande. Wo sollen wir anbeten und Dir unsern Dank und unsere Opfer darbringen?
Bis wann, oh Gott? Das bis wann, oder wie lange, hörten wir oft und wiederum hier. Warum ziehst Du Deine Hand und Deine Rechte zurück? Eile zu unserer Rettung!