Behandelter Abschnitt 1Mo 12
Einführung
„Abraham hat Gott geglaubt, und das ist ihm zur Gerechtigkeit gerechnet, und er ward ein Freund Gottes geheißen.“ (Jak 2,23)
Durch dieses Gotteswort erhält der Titel unserer Schrift „Abraham, der Freund Gottes“ seine volle Bestätigung. Es wird gut und nützlich sein, wenn wir uns immer wieder an diesen Titel erinnern, solange wir uns mit dem Lebensbild Abrahams beschäftigen.
Auch das Leben eines Abraham ist nicht ohne Schatten, und die Bibel verschweigt hier ebensowenig wie sonst überall die Nöte in diesem Leben, Nöte, die auf menschliches Versagen zurückzuführen sind. Um so heller leuchtet dann immer wieder das Licht göttlicher Gnade auf, Gott zur Ehre und uns zum Trost und zur Aufrichtung.
Wohl alle Menschen haben ein starkes Bedürfnis nach Freundschaft und Gemeinschaft; aber dieses Verlangen kann nur dann wirklich voll befriedigt werden, wenn es echt ist und aus wahrem aufrichtigem Herzen fließt. Nur zu oft bestimmen Eigennutz und Selbstsucht die gegenseitige Annäherung wie z. B. zwischen Pilatus und Herodes (Lk 23,12). Man freut sich mit dem Freunde, solange es ihm wohl geht und man Nutzen von ihm hat. Treten aber Nöte ein wie bei Hiob, dann lernt man so wie dieser die Wertlosigkeit solcher Freundschaft kennen (Hiob 16,2). Eine noch schwerere Enttäuschung durch Treubruch beklagt David in den Psalm 41,10 und 55.12 ff.
Wie erquickend sind demgegenüber die biblischen Schilderungen herzlicher uneigennütziger Freundschaften, wie sie beispielsweise zwischen David und Jonathan (1Sam 18,1-4; 2Sam 1,17-27) oder zwischen David und Husai (2Sam 15,37) oder zwischen Daniel und seinen drei Freunden bestanden (Dan 3. Vgl. Spr 17,17; 18,24; 27,9). Der beste Freund ist und bleibt unser Herr und Heiland. Er enttäuscht die Seinen nie; selbst wenn sie Ihm untreu werden, geht Er ihnen mit unendlicher Geduld nach, um ihnen zurechtzuhelfen. Das hat Abraham reichlich erfahren, denn Gott verließ ihn auch dann nicht, als er strauchelte, ja, Er schützte ihn selbst, als er fehlte (1. Mose 12,14ff. und 20 p. 20).
Von Mose berichtet uns die Bibel, daß Gott mit ihm redete, wie ein Mann mit seinem Freunde redet (2. Mose 33,11). Ist es verwunderlich, daß wir uns nach solcher Gnade vor Gott, nach solcher Freundschaft herzlich sehnen? Nun, der Herr bietet sie uns an mit den Worten: „Ihr seid meine Freunde, so ihr tut, was ich euch gebiete“ (Joh 15,14). Wir werden diesem hohen Ziel näherkommen, wenn wir nun, von den Worten des Jakobus ausgehend, den Wegen Gottes mit Abraham nachspüren. Die einleitende Betrachtung „Freundschaft mit Gott“ ist dabei besonders wichtig, weil sie das Fundament behandelt, auf dem das Handeln Gottes mit Abraham sich entwickelt hat (Siehe auch die Stellen 2Chr 20,7 und Jes 41,8, wo Abraham der Freund Gottes genannt wird.). Wir fragen:
Was mag Gott bewogen haben, Abraham zum Freund zu wählen?
Als erstes war es Abrahams kindlicher Glaube. Jakobus beantwortet diese Frage mit den schlichten Worten: „Abraham hat Gott geglaubt.“ Der ist ein glücklicher Mensch, der keinen Zweifel an Gott und an Seinem Wort in seinem Herzen aufkommen läßt, sondern in jeder Lebenslage Ihm rückhaltlos vertraut. „Wer Gott nicht glaubt, macht Ihn zum Lügner", sagt Johannes (1Joh 1,10). „Ohne Glauben ist es unmöglich, Gott zu gefallen" (Heb 11,6). Vom Auszug aus Ur in Chaldäa bis hin zur stärksten Glaubensprobe, der Opferung Isaaks, vertraute Abraham seinem Gott (1. Mose 22). Umgekehrt aber hat Gott Abraham auch nie enttäuscht. Darin bestand das Wesen der Freundschaft zwischen Abraham und seinem Gott. Gott hat sich immer wieder zu diesem Glauben bekannt. Er durfte mit prophetischem Blick in die fernste Zukunft schauen. Der Herr bezieht sich darauf: „Abraham, euer Vater, war froh, daß er meinen Tag sehen sollte; und er sah ihn und freute sich" (Joh 8,56). Das Verlassen der Heimat wurde ihm dadurch erleichtert, daß er „auf eine Stadt wartete, die einen Grund hat, deren Baumeister und Schöpfer Gott ist" (Heb 11,10). Wer so im Glauben seinen Gott erkennt, gibt dieser Freundschaft wegen alles auf (Phil 3,10 ff.).
Ferner war Abraham ein wahrer Verehrer Gottes und ein Zeugnis für Ihn. Wohin er auch zog, ehrte er Gott im Bau von Altären und nahte sich dort seinem Freunde. Damit aber legte er zugleich das Bekenntnis ab, daß er nicht die Götter der Kanaaniter anbetete, sondern vor aller Welt allein den lebendigen und wahren Gott.
Abraham verherrlichte Gott in seiner Selbstlosigkeit und Friedensliebe. Sein uneigennütziges, selbstloses Verhalten dem selbstsüchtigen Lot gegenüber hat Gott ihm hoch angerechnet und reichlich belohnt. Abraham war ein Friedenstifter, und diese preist der Herr Jesus glücklich (Mt 5,9), denn sie haben die Ehre, Gott zu schauen (Heb 12,14).
Die Heilige Schrift erkennt in hohem Maße Abrahams Gastfreundschaft an. Er nahm die Heiligen des Herrn auf und bewirtete dabei ohne es zu wissen, den Herrn selbst, auch Engel, und dies tat er in hingebender Weise (1. Mose 18,1; Heb 13,9).
Sein inniges Gebetsleben wird Gott besonders erquickt haben. Abraham war ein vorbildlicher, anhaltender Beter. Freundschaft bedeutet Zutritt zum Freunde, und dieses Redet benutzte er reichlich. Wie ergreifend ist doch seine Fürbitte für Lot, für Abimelech und Ismael. Abraham war also auch ein Priester Gottes. Er rang mit Gott um die beiden Städte Sodom und Gomorra, obwohl ihm deren schreckliches Lasterleben gewiß nicht unbekannt war. Nur wer mit Gott in einem so innigen Freundschaftsverhältnis steht, darf mit Gott so ringen, wie er es getan hat.
Gott schätzte Abrahams vorbildliche Haltung in seinem Haushalt. Ein Mann, der sich vor aller Augen so bewährte, fand schon vor Menschen hohe Anerkennung. Nannten ihn doch die Kinder Heth einen „Fürsten Gottes“ (1. Mose 23,6). Doch, war nicht viel höher die Ehre, die Gott ihm erwies, indem Er ihn Seinen Freund nannte? Der Herr sagt von Abraham: Ich habe ihn erkannt, daß er seinen Kindern und seinem Hause nach ihm befehle, daß sie den Weg des Herrn bewahren" (1. Mose 18,19). Er bewährte sich als Familienvater und Erzieher seiner Kinder. Das geht z. B. aus der Haltung des jungen Isaak auf Morija hervor, der einen ganz beispiellosen Gehorsam bewiesen hat. Alle diese Eigenschaften schätzte Gott so sehr, daß Er Abraham Seinen „Freund“ nannte.
Der Titel „Freund Gottes“ ist jeder Bewunderung wert. Wir fragen uns: Bedarf Gott überhaupt eines Freundes? Ist Er nicht der dreieinige Gott, umgeben von himmlischen Heerscharen mit ihren Engelsfürsten? Ist nicht Sein Sohn Schoßkind bei Ihm (Spr 8,30). Hier stehen wir vor einem Geheimnis. Vielleicht können uns die Freundschaftserweisungen Gottes an Abraham einiges lehren:
Gott holte ihn heraus aus einem götzendienerischen Lande (Jos 24,2).
Er machte Abraham zum Haupte Seines auserwählten Volkes.
Gott besuchte öfters Seinen Freund (1Mo 15,1; 17,1). Bei diesen Besuchen wurden Geheimnisse enthüllt (1Mo 15,1; 18,1). Er besuchte ihn des Nachts in Träumen und Nachtgesichten.
Gott war ihm sein Schild vor den Feinden (1Mo 15,1).
Ja, Er schloß selbst einen Bund mit Abraham (1Mo 17).
Unter Eidschwur gab ihm Gott große Verheißungen (1Mo 14).
Er nahm sich Seines Freundes an, als er auf Abwege geriet, und verteidigte ihn vor seinen Verklägern (1Mo 20).
Gott segnete sogar Seinen Freund in der abtrünnigen Nachkommenschaft und gedachte des Bundes (Jes 41,8).
Gott segnete ihn auch reichlich an irdischen Gütern, so daß er aus Dankbarkeit gegen Gott die Belohnung des Königs von Sodom nach dem Kriege der Könige ausschlagen konnte (1. Mose 14,21-24).
Angesichts solcher Begegnung Gottes mit einem Menschen des Alten Testaments fragen wir uns:
Gewährt Gott auch heute noch Seinen Kindern solche Freundschaft?
Soweit es an Gott liegt, dürfen wir hier mit einem klaren Ja antworten. Zum Beweis dafür können wir uns auf zahlreiche Schriftworte stützen wie z. B. Joh 15,9-16; 10,27-30; 1Joh 3,16; Röm 8,31 usw.
Wie kommt aber diese Freundschaft zustande? Nur durch ein Wunder, denn von Natur sind wir Feinde Gottes und fern von den Bündnissen (Röm 5,10). Er allein hat die Möglichkeit zu dieser herzlichen Verbindung durch Sein Blut geschaffen, indem Er uns mit Ihm selbst versöhnte (2Kor 5,19). Er hat uns in Seiner Herablassung dazu auserkoren und sucht unsere Freundschaft (Jer 31,3; Joh 15,16; Tit 1,1), ein jeder darf sie annehmen (Joh 1,12) ohne Ausnahme.
Freund Gottes heißen ist ein großes Vorrecht. Das vermögen weder Menschen noch Engel zu erfassen, denn neben Seinem hohen und erhabenen Namen erblassen alle andern Namen. Der König aller Könige und Herr aller Herren, der Fürst der Könige der Erde, neigt sich in Liebe zu Seinen einstigen Rebellen herab und erwählt sie zu Seinen Vertrauten. Eine engere Verbindung als die mit Ihm ist nicht mehr möglich, denn wir sind ein Geist mit Ihm (1Kor 6,17). Diese Freundschaft ist dauernd, denn wie Er die Seinen liebt, liebt Er sie bis ans Ende (Joh 13,1; Jes 46,15.16).
Und wie gelangen wir in den Genuß dieser Freundschaft? Wie das sonst bei Freunden üblich ist, durch gegenseitigen Verkehr. Gleichheit ist nicht nötig, um Freund zu sein. Ein König kann auch einen Armen zu seinem Freunde machen. Im Verkehr mit dem Freunde lernen wir Ihn erst kennen. Wir finden Ihn im Wort. Es enthüllt Ihn uns als den Schönsten unter den Menschenkindern, wie Er unseretwegen arm wurde, damit wir durch Seine Armut reich würden. Ja, Er macht Seine Freunde reich, wie Er Seinen Freund Abraham reicht machte im Gebet. Hier hat Er uns die beste Möglichkeit des Umgangs mit Ihm gegeben. Er kommt unter unser Dach wie einst unter jenes des Abraham, und wie dieser dürfen auch wir in aller Freimütigkeit über alles mit Ihm reden an Seinem Tisch, in der Versammlung der Seinen. Da weilt Er (Mt 18,20). Alle, die diese Gebetsgemeinschaft versäumen, sind kaum Seine Freunde, denn Freunde fühlen sich zueinander hingezogen. Wer lebendig glaubt, dessen Leben wird Gott in Seiner großen Gnade so gestalten, daß Gott auch ihn Seiner Freundschaft würdigen kann. Diese Feststellung führt uns zum Ausgangswort zurück: „Abraham hat Gott geglaubt.“
1Mo 12,1 – Gottes Ruf an Abram
Das 1. Buch Mose wird das Buch der Anfänge genannt (Das letzte Buch der Bibel, die Offenbarung, nennen wir das Buch der Abschlüsse Gottes.). Drei große Anfänge von historischer Bedeutung im Handeln Gottes mit den Menschen teilt es uns mit: Mit Adam beginnt die menschliche Geschichte überhaupt. Diese Epoche umfaßt eine Zeitdauer von ca. 1650 Jahren und endet mit der Sintflut. Den zweiten Neuanfang macht Gott, indem er mit Noah einen Bund schließt. Noah war im schroffen Gegensatz zur Mitwelt ein frommer Mann und ohne Tadel und führte ein göttliches Leben unter seinen Zeitgenossen (1. Mose 6,9). In dem Bunde mit Noah lag ein besonderer Segensspruch über Sem. Auch dieses Geschlecht versagte und endete in der Katastrophe von Babel (Kap. 11), da Gott eingriff und dem hochmütigen Treiben durch die Zerstörung des Turmbaues ein Ende bereitete und die Sprache der Menschen verwirrte. Mit Kap. 12 beginnt die dritte und letzte Phase dieses Buches, sie wird eingeleitet durch die Berufung Abrahams. Die überragende Bedeutung dieses dritten Zeitabschnittes kommt schon darin zum Ausdruck, daß die zwei vorangehenden Zeitalter, die etwa insgesamt 2000 Jahre umfassen, nur 11 Kapitel beanspruchen, während der nur etwa 400 Jahre dauernde dritte Zeitraum in 39 Kapiteln beschrieben wird. Hier wird unsere Aufmerksamkeit auf die Familie Abrams gelenkt, die Gott für Seine besonderen Zwecke sich auserwählte. Mit Abram öffnet also die Schrift einen neuen höchst bedeutungsvollen Abschnitt in der Geschichte der ganzen Menschheit. Die Folgen seiner Berufung und seines Gehorsams, aus Ur auszuziehen, sind epochemachend und beeinflussen alle späteren Generationen. Und dies durch einen Mann einfachster Art, der sich aber restlos Gott zur Verfügung stellte.
Abrams Herkunft. Abram entstammt dem Geschlecht Sems, einem der drei Söhne Noahs, mit dem er noch lange Zeit zusammen lebte. Der Vater Abrams hieß Tharah, sein Großvater war Nahor. In Ur in Chaldäa, westlich vom Euphrat brachte er seine Jugendzeit zu. Ausgrabungen der neuesten Zeit lassen auf eine verhältnismäßig hohe Kulturstufe der Bewohner dieses Landes zu jener Zeit schließen. Reicher Handel und Schiffahrt bildeten die wirtschaftliche Grundlage dazu. Das Geschlecht, aus dem Abram hervorging, dürfte Viehzucht getrieben haben, denn wir erfahren aus der späteren Geschichte, daß Abram Besitzer großer Herden war. Die göttliche Absicht mit dem Geschlecht Sems hatte man bald vergessen. Zu allen anderen bis dahin verübten Sünden der Menschen kam nun noch der Götzendienst hinzu. Abrams Verwandtschaft diente den Götzen (Josua 24,2). Wollte Gott Seine Pläne mit Abram und seinen Nachkommen durchführen, so mußte Er ihn aus dieser Umgebung herauslösen.
Gottes Ruf an Abram. Nach einer Gegenüberstellung von 1. Mose 12,1 und Apg 7,2 geht hervor, daß ein zweimaliger Ruf Gottes an Abram ergangen ist. Den ersten Ruf erhielt er, als er noch in Ur in Chaldäa wohnte, ehe er nach Haran zog (Apg 7,2), wie Stephanus bezeugt: „Der Gott der Herrlichkeit erschien unserm Vater Abraham, als er in Mesopotamien war, ehe er in Haran wohnte.“
Beachten wir, wo Abram berufen wurde. In Ur, einer Stadt am persischen Golf. Das war eine Stadt, in der sich das geistige und religiöse Leben der Chaldäer konzentrierte. Eine Stadt, die den Menschen alles Irdische in großer Fülle bot.
Gott ruft oft Menschen aus Reichtum, Bequemlichkeit und Ansehen heraus, z. B. einen Levi oder Zachäus, die aber gern bereit waren, alles diesem Ruf zu opfern, und die dadurch gesegnete Menschen wurden, im Gegensatz zum reichen Jüngling, der seinen Reichtum dem Herrn vorzug und traurig davonging (Lk 5,25; 19,2).
Gott rief Abram in vorgerücktem Alter. Er war 75 Jahre alt, befand sich also in einem Alter, da man nicht mehr auswanderungslustig ist, sondern lieber auf seiner Scholle bleibt. Es waren daher nicht Abenteuerlust, Armut oder Not, die ihn zur Auswanderung bewogen, sondern allein der Ruf Gottes, die göttliche Gnadenwahl (Neh 9,7).
Dieser Ruf fordert von vielen Menschen bedeutende Opfer (Mk 10,29.30). Abram war bereit, sie zu bringen. Nie haben Sünder von sich aus alles darangegeben, sondern indem sie die göttliche Wahl erkannten, verließen sie alles (2Tim 1,9; Joh 6,44). Abram lebte in einer götzendienerischen Umgebung, und aus dieser rief Gott ihn heraus. Die Gnade schaut ja nicht nach Würdigkeit aus. Die ist nirgends zu finden. Sondern sie ruft Sünder (Mt 10,31).
Wie erging Gottes Ruf an Abram? Nach dem Zeugnis des Stephanus erschien „der Gott der Herrlichkeit“ dem Abram. Diese Herrlichkeit überstrahlte alle chaldäische Kultur und ihren Glanz. Diese Offenbarung leuchtete nicht nur in Abrams Leben, sondern sie wird ihn auch überführt haben von seiner eigenen Nichtigkeit, wie Gott das später bei Männern wie Jesaja und Hiob tat (Jes 6; Hiob 42). Sie war entscheidend für sein ganzes weiteres Leben. übrigens offenbarte sich Gott öfters in einer Art von Herrlichkeitskundgebungen. Man denke an den brennenden Dornbusch, in dem Gott sich Mose offenbarte und ihn berief (2. Mose 3). Ähnliches geschah bei der Gesetzgebung am Sinai und bei der Einweihung der Stiftshütte und des Tempels. Diese göttlichen Herrlichkeitserscheinungen wurden weit übertroffen, als der Herr Jesus geboren wurde (Lk 2). Nicht weniger eindrucksvoll offenbarte Gott sich in Seiner Herrlichkeit an Pfingsten und später vor Saulus auf dessen Wege nach Damaskus.
Und schließlich: Gottes Ruf ergeht auch an dich und an mich. Nachdem der Herr auf Erden erschienen ist und Sein Gnadenwerk vollbracht hat, bedarf es solcher besonderen Erscheinungen nicht mehr. Wir stehen j auf dem Boden vollendeter Tatsachen und Verheißungen. Er offenbart sich weniger als Gott der Herrlichkeit, vielmehr aber als Gott aller Gnade (1Pet 5,10). Die bedeutsamsten Zeichen Seiner Herrlichkeit für uns sind das Kreuz von Golgatha und Seine Auferstehung. In Seiner Liebe, Gnade und Huld ruft Er noch heute alle zu sich (Mt 11,28.29). Keiner kommt an Jesus und Seinem Kreuz vorbei. Hier müssen alle sinnend stehen bleiben, Ihm gegenüber gibt es keine Neutralität. Und wer wie Abram zu den Gerechten gehören will, dem ist das nur möglich durch den Glauben und die Befolgung des göttlichen Rufes: Gehe aus . . . in ein Land, das Ich dir zeigen will.
1Mo 12 - Absonderung
Wenn an einen Menschen ein Ruf ergeht, so bedeutet das, daß er für eine Aufgabe berufen wird. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, ist es oft nötig, daß er seine bisherige Umgebung verläßt. Z. B.: Ein junger Mann hat sich mit Erfolg um eine auswärtige Stellung beworben, er muß seinen Wohnort, Elternhaus, Freunde und die bisherige Tätigkeit aufgeben. Das ist unter Umständen eine schmerzliche Trennung.
Ergeht der Ruf Gottes an jemanden wie an Abram, so mag das sehr viel bedeuten und große Opfer fordern. Sie werden aber überboten von den Verheißungen, die Gott daran knüpft. Das ist auch so beim Ruf des Evangeliums. Wenn der Herr den Sündern zuruft: „Kommet her zu Mir alle, die ihr mühselig und beladen seid!“, so lautet aber zugleich die Verheißung: „Ich will euch erquicken.“ Das Beispiel Abrams ist für uns so belehrend und aufschlußreich, daß es wohl lohnt, sich eingehend damit zu beschäftigen.
Der Inhalt des Rufes Gottes an Abram. Kaum mochte sich Abram von der mächtigen Wirkung des Rufes erholt haben, da erging es ihm wie später dem Seher von Patmos, der, umstrahlt von der göttlichen Herrlichkeit, zu Boden fiel wie ein Toter, als ihm der Gott der Herr-lichkeit, Christus, erschien, und der danach die wohltuende Stimme Christi hörte (Off 1,17). Derselbe Gott der Herrlichkeit und dieselbe Stimme erging auch hier an Abram. Unzweideutig erkannte er durch sie den Willen Gottes und lernte, was sie für ihn bedeutete. Nämlich:
Absonderung. Der Ruf zur Absonderung zieht sich durch die ganze Heilige Schrift (5. Mose 28,1.2; Jes 52,11; Hes 37,21-28; Mt 19,29; 2Kor 6,17.18; Eph 5,11). Absonderung kennzeichnete Abrams Leben von seinem Auszug bis ins hohe Alter, und zwar Schritt um Schritt. Von allem mußte er sich trennen, von Vaterland, Freundschaft, Vaterhaus, Lot, Hagar, Ismael, ja, sogar von Isaak, bis Abram ganz allein mit seinem Gott da stand. Vielen wird es nicht besonders schwer, das Vaterland, diese Welt zu verlassen, weil sie durch diese enttäuscht wurden wie einst der verlorene Sohn. Ganz anders war es bei Abram, der reich an weltlichen Gütern war.
Schwerer ist es oft, sich von Freunden zu lösen, wenn es sich um echte Freundschaften handelt wie bei David und Jonathan, bei Naomi und ihrer Schwiegertochter Ruth! Wie schwer mag es einem jungen Manne werden, wenn er sich, um dem göttlichen Ruf zu folgen, trennen muß von einem jungen Mädchen, in dem er schon seine künftige Braut und Gattin gesehen hat, die ihm aber zum Hindernis wird, dem Ruf Christi zu folgen.
Am schwersten aber ist freilich die Trennung von „deines Vaters Hause“. Der Herr selbst sagt: „Wer Vater oder Mutter mehr liebt denn Mich, der ist Mein nicht wert" (Mt 10,37). Es wäre oft leichter, die Trennung durch den Tod abzuwarten und dann dem Ruf zu folgen, als sich vom Elternhaus loszureißen (Mt 8,21.22). Wenn Gott ruft, müssen wir uns von allem trennen, was uns in der Nachfolge Christi aufhalten will. Wie mangelhaft anfangs die Absonderung Abrams vom Vaterhaus war, werden wir später lernen. Gott ruft uns alle; doch viele gehen nur teilweise auf den Ruf ein (2Kor 6,17). Man will die Brüllten hinter sich nicht ganz abbrechen. Man schielt, wie einst die Israeliten in der Wüste, nach den Fleischtöpfen Agyptens (2. Mose 16,3). Man blickt zurück nach Sodom wie Lots Weib und büßt seine Rettung ein. Wenn wir auf die Erfüllung der göttlichen Verheißung rechnen wollen, dann müssen wir mit der Loslösung von der Welt und allen ihren Bindungen ganzen Ernst machen. Damals sonderte der Herr Abram ab, heute Seine Gemeinde, dich und mich. Die Gemeinde ist die aus der Welt ausgegangene, obwohl sie noch in der Welt ist. Noch nie konnte Gott Menschen gebrauchen, die nicht völlig mit der Welt gebrochen hatten. Schon Elia machte Israel den Vorwurf: „Wie lange hinket ihr auf beiden Seiten?“ (1. Könige 18,21). Und Jakobus sagt, daß „der Welt Freundschaft Gottes Feindschaft ist" (Kap. 4,4). Das Hohepriesterliche Gebet (Joh 17) ist wohl das wunderbarste und zutiefst zu Herzen gehende Beispiel dafür, wie sehr der Herr um die Absonderung Seiner Gemeinde ringt (Joh 17).
Abrams Leben ist auch ein Beispiel dafür, daß die Absonderung in der Regel nicht einen einmaligen Akt darstellt, daß es vielmehr der Erziehungsarbeit des Heiligen Geistes bedarf, eine Bindung nach der anderen zu lösen. Mit dem Maße der göttlichen Erkenntnis schreitet auch die Absonderung fort. Man steht am Ende allein da wie Paulus, freut sich aber um so mehr der Lebenskrone, die uns entgegenwinkt (2Tim 4,8).
Gott fordert von Seinen Kindern nicht nur ein „Gehe aus!", sondern bietet ihnen auch ein „Gehe ein!“
Man könnte da schon erinnern an das Wort, das an den treuen und frommen Knecht erging: „Gehe ein zu deines Herrn Freude.“ Und tatsächlich wartet auf den, der nach Gottes Befehl „ausgeht“, d. h. sich von allen Bindungen löst, die ihn von Gott trennen, „des Herrn Freude". Der göttliche Ruf besteht also nicht nur in einem Drangeben, sondern vielmehr in einem weit reicheren Empfangen. Abram verließ die Stadt Ur, und auf ihn wartete die „Stadt Gottes“ (Ps 46,5). Er zog im Glauben aus, ohne zu wissen, wohin er überhaupt komme (Heb 11,8). Als er aber Ur im Rücken hatte und dessen Tore sich für immer hinter ihm schlossen, rückte die Stadt Gottes in sein Gesichtsfeld und öffnete ihm ihre Tore. Es war jene zukünftige Stadt, die auch wir suchen, die ewig ist, deren Baumeister und Schöpfer Gott selbst ist (Heb 11,10), und die unser aller Mutter genannt wird (Gal 4,26). In der Zwischenzeit war er heimatlos, ein Wanderer zwischen zwei Welten.
Glaubensgehorsam. Das neubegonnene Leben Abrams war ein Leben des völligen Vertrauens in Gottes Wege und Führungen. Sein Glaubensgehorsam muß geradezu als vorbildlich bezeichnet werden, denn Gott hatte ihm mit keinem Wort gesagt, in welches Land und in welche Stadt er ziehen sollte; er mußte also seinem Gott blindlings vertrauen, mußte auf eigene Pläne verzichten und konnte nur wie ein Paulus vor den Toren von Damaskus fragen: „Herr, was willst Du, daß ich tun soll?“ (Apg 9,6). Das Geheimnis des reichen Segens, der sich im Leben Abrahams wie in dem des Paulus offenbarte, ist in ihrer gründlichen Absonderung von Sünde und Welt zu suchen.
Abram gehorchte (Heb 11,8). Sein Gehorsam war der Glaube an das Wort seines Gottes. Er kannte das Land nicht, zudem bewohnten es feindselige Völker. Vor allem schien es unmöglich, das Land durch einen kinderlosen Mann zu bevölkern und die ganze Welt durch dessen Nachkommen zu segnen. Doch das Wort der Verheißung genügte Abram. Sofortiger und wörtlicher Gehorsam ist das Geheimnis eines gesunden, Fruchtbaren und sinnvollen Lebens.
Ein Pilgerleben. Abrams Auszug erforderte große Opfer. Er verließ das Vaterhaus gewiß nicht leichten Herzens, ließ sein väterliches Erbe fahren im Gegensatz zum verlorenen Sohn, der es forderte. Dem reichen Jüngling sagte der Herr: „Verkaufe alles, was du hast . . . und folge Mir nach.“ Dieses Opfer soll einen Ausgleich finden durch: „Du wirst einen Schatz im Himmel haben.“ Gott teilt Seine Schätze erst dann aus, wenn wir unseren „Reichtum“, der in Seinen Augen nur armseliger Plunder ist, zum Opfer gebracht haben (Phil 3,8). Bei vielen Gläubigen ist die Ursache ihrer inneren Armut und ihres Unbefriedigtseins darin zu suchen, daß sie ihr altes Leben nicht völlig drangeben wollen. Sie wollen nicht wie Abram Fremdlinge und Pilgrime sein und können deshalb nicht Hausgenossen Gottes werden (1Pet 2,11). Das beste Beispiel gibt uns der Herr Jesus, der reich war, aber arm wurde unseretwegen, der sich selbst erniedrigte, als Pilger und Fremdling unverstanden einherzog und eben deshalb von Gott hoch erhoben wurde und den Namen über alle Namen erhalten hat. Wie Er war, so sind auch wir in dieser Welt. Nur indem das Weizenkorn stirbt, wird es viel Frucht bringen (Joh 12,24).
Behandelter Abschnitt 1Mo 12
1Mo 12 - Zweidrittelgehorsam
Die wunderbare und mächtige Offenbarung der Herrlichkeit Gottes blieb bei Abram nicht ohne Auswirkung. Er war nicht nur „Hörer", sondern auch „Täter des Wortes“ (Jak 1,22). Der göttliche Befehl mußte verwirklicht werden; denn nur auf völligem Glaubensgehorsam ruht der Segen des Herrn. Dieser war Abram nicht für Ur, sondern für das ferne Land Kanaan verheißen. Da galt es also, sich nicht mit Fleisch und Blut zu besprechen (Gal 1,1,16). Angehörige mögen ihn zurückgehalten haben wie späterhin Elieser, der aber sagte: „Haltet mich nicht auf" (1. Mose 24,56), Abram gehorchte und zog aus. Das wird in der Stadt ein Aufsehen gegeben haben, als er wohl auf Kamelsrücken auszog und alles zurückließ. Die einen schüttelten den Kopf, die anderen bedauerten ihn. Und wie ist es heute? Oft werden Menschen vom Evangelium erfaßt, sie erkennen, daß sie ihren bisherigen Weg aufgeben müssen. Erfährt es aber die nächste Umgebung, dann geht es nach Mt 10,39 „Des Menschen Feinde werden seine eigenen Hausgenossen sein“, und viele lassen sich aufhalten.
Und wie ist es bei dir: Hat man deinen Auszug sichtlich wahrgenommen oder hast du damit nur halbe Arbeit getan, nur einen „Zweidrittelgehorsam“ bewiesen?
Abram zog aus und wußte nicht wohin, aber er wußte, mit wem er zog, und das durfte ihm genügen (2Tim 1,12).
Abrams Zweidrittelgehorsam. Aus Kapitel 1Mo 11,31 entnehmen wir, daß Abram dem göttlichen Befehl nicht im vollen Umfange gerecht wurde. Wohl hatte er sein Vaterland verlassen, seine Freundschaften aufgegeben, aber dem Befehl „Gehe aus deines Vaters Hause" hatte er nicht ganz entsprochen. Sein Vater Tharah und sein Neffe Lot zogen mit, und sie haben vielleicht veranlaßt, daß sie nicht bis Kanaan kamen, sondern in Haran halt machten und „daselbst wohnten“. Der verheißene Segen galt aber nicht für Haran, sondern für Kanaan. Erst nach Tharahs Tod wurde Abram frei, weiter zu ziehen (Mt 10,37). Aus der späteren Geschichte werden wir erkennen, welch ein „Klotz am Bein“ Lot und die Seinen für Abram waren. So zeigt der schöne Anfang doch einen Mangel. Lernen wir daraus, daß Gott in Seiner Weisheit und Liebe die scharfen Trennungslinien auch für uns zieht, wenn es gilt, Einflüsse auszuschalten, die uns auf dem Wege in Seiner Nachfolge aufzuhalten vermögen. Zweidrittelgehorsam genügt nicht.
Unter falscher Führung. Von Ur bis Haran hatte, wie aus 1. Mose 11,31 hervorgeht, Tharah die Führung. Der Befehl, auszuziehen, war aber nicht an seinen Vater, sondern an Abram ergangen. Abram jedoch war nun geradezu ausgeschaltet, und dadurch verlor er viele kostbare Jahre. Der Verwandtschaft gegenüber sind wir oft am nachgiebigsten. Wie hinderlich, ja sogar gefährlich ist es, wenn sich der gläubige Teil von Ungläubigen in Sachen des Glaubens bestimmen läßt. Solchen ergeht es wie Abram, der lange Zeit ohne göttliche Offenbarung blieb.
Steckengeblieben. Die Karawane kam nach Haran, dort machte sie halt und blieb volle 15 Jahre. Unter anderer als göttlicher Führung wird man stets gehindert. Viele, die berufen wurden, haben wohl den groben Dingen entsagt, dulden aber die kleinen Füchse. Bezeichnend ist, daß sie gerade in Haran blieben, dort trennten sich die Karawanenstraßen. Haran liegt im Rande der Wüste, die es zu durchreisen galt. Der Mensch sträubt sich von Natur, die Wüste zu durchwandern, denn sie ist das Bild der Entbehrungen und Nöte. Hier wird der Vater Tharah, der doch auch schon recht alt war, Halt geboten haben. Als Sohn wollte Abram ihm nicht widersprechen, und so verblieben sie in Haran. Hier ging es also nach väterlicher Weise. Wir müssen aber Gott mehr gehorchen als den Menschen. Scheinbare Jesusnachfolger müssen wir stets ernster nehmen als offene Gegner. Menschen, die langsam vor uns herlaufen, hindern uns mehr am Vorwärtskommen als diejenigen, die uns entgegenkommen. Mögen alle Steckengebliebenen in sich gehen und dem Tharah, d. h. Zögerer, den Abschied geben; selbst wenn es die Eltern sind, die uns zögern lassen (Phil 3,7-10).
Durch den Tod getrennt. Eben sahen wir Abram wie ein auf Grund gelaufenes Schiff nutzlos daliegen. Oft mag er an den Befehl Gottes gedacht haben, aber Tharah hielt zurück. Da griff Gott durch den Tod Tharahs ein, und Abram wurde frei, weiter zu ziehen. Auch wir haben erkannt, daß wir durch Christi Tod befreite und vom alten Leben getrennte Menschen sind. Hier stehen Fleisch und Geist im Kampfe gegeneinander. Viele brauchen mehr als 15 Tahre Zwischenaufenthalt wie Abram in Haran, und wieder andere sterben sogar wie Israel in der Wüste. Der Herr aber, der das stille Sehnen Abrams, weiterzuziehen, sah, befreite ihn und vollendete in ihm das angefangene Werk.
1Mo 12 - Völliger Gehorsam
Nachdem Gott Abram durch den Tod Tharahs von den letzten Bindungen befreit hat, war der Weg frei zur Weiterreise. Hier hat offenbar Abram seinen zweiten Ruf bekommen, und damit wurde er endlich von seines Vaters Hause gelöst. Stephanus erwähnt in Apg. 7 den Ruf an Abram in Ur, und in 1. Mose 12,4 lesen wir, daß Abram einen weiteren Ruf in Haran erhielt und weiterzog. Gott hat große Geduld mit seinen Kindern.
Völliger Gehorsam. Der bisherige Weg Abrams glich, wie wir sahen, einem Zweidrittelgehorsam. Nun aber machte er ganzen Ernst und zögerte nicht länger. Groß waren die Verheißungen, die auf seinem beschwerlichen Zug mit unbekanntem Ziel wie ein Licht auf dem Wege waren und die Schwierigkeiten überwinden halfen. Abram soll im fremden Lande das Panier seines Gottes aufwerfen, er soll von dem Gott zeugen, der will, daß allen Menschen geholfen werde. Dieses Zeugnis aber sollte Abram nicht nur durch sein mündliches Bekenntnis geben, vielmehr noch durch seinen Wandel, der im völligen Gegensatz zu dem der Kanaaniter war (Jes 43,10-12); Gott will ihn aber auch besonders segnen und sich damit selbst der heidnischen Umgebung als der Allmächtige erweisen (5. Mose 33,26-29).
Die Weiterreise. Abram ergreift zum zweiten Male den Wanderstab, fünfundsiebzig Jahre ist er mittlerweile alt geworden, aber er macht sich auf trotz seines zunehmenden Alters. Wenn auch das Land noch nicht genannt ist, das ihm künftig zur neuen Heimat werden soll, so steht die Verheißung unverrückt fest vor ihm und macht es ihm leicht, mit Paulus zu sagen: „Ich vergesse, was dahinten ist, und . . . jage nach dem vorgesteckten Ziel, nach dem Kleinod, welches vorhält die himmlische Berufung“ (Phil 3,13.14). Über die Schwierigkeiten, die Abram erwarteten, können wir uns keine rechte Vorstellung machen, aber es konnte ihn nun niemand und nichts mehr aufhalten. Sein Glaube war wie bei Mose die starke Triebfeder für sein Handeln geworden, die ihn nicht mehr ruhen und rückwärts blicken ließ (Heb 11,16.27).
Am Ziel. Und sie kamen ins Land Kanaan (Vs. 5). Abram erfuhr, daß der, der das gute Werk in ihm angefangen hatte, es auch vollführen würde (Phil 1,6). Nun war er endlich in dem Lande angelangt, das von Milch und Honig fließt (2. Mose 3,8), in dem Lande des Herrn (Hosea 9,3), im Lande Immanuels (Jes 8,8), im heiligen Land (Sach 2,12). In diesem gesegneten Lande hätte Abram schon 15 Jahre wohnen können, hätte er sich nicht aufhalten lassen. Gewiß blickte er beschämt zurück. Geht es uns nicht auch so? Abram blieb nicht an der Landesgrenze stehen, sondern zog durch bis an die Stätte Sichern und an den Hain More (Vs. 6). Sichern heißt Schulter und war eine der späteren Zufluchtsstätten Israels. Es ist mit dem Orte Sichar aus Jesu Tagen identisch.
Die neue Umgebung. Nun war Abram darauf angewiesen, mit den Kanaanitern zusammen zu leben. Auch sie waren Heiden wie die Leute von Ur, und man könnte sich fragen, warum Gott Abram aus dem heidnischen Chaldäa herausgeholt hatte. Hier in der neuen Umgebung kannte keiner sein früheres Leben. Er stand als Fremdling mitten unter ihnen und blieb es auch, wie wir aus Apg 7,5 entnehmen können. Um so kräftiger mußte sein Wirken als Zeuge Gottes unter ihnen sein, wie es einmal später Paulus in Athen erging (Apg 17,23). Die Erwähnung Abrams in Apg 7,5 führt uns dazu, eine Parallele zwischen ihm und der Gemeinde zu ziehen, der hier auch kein Fußbreit Erde gehört; sie ist vielmehr hier nur geduldet und wartet auf das Vaterhaus droben (Heb 11,10).
Unter den Kanaanitern war Abram ein lebendiger Zeuge, ein offener Brief (2Kor 3,3). Es war zugleich eine Gnadenfrist, die Gott den Völkern schenkte. Für die Kanaaniter, die dem Zeugnis Abrams nicht glaubten und seinem Wandel nicht folgten, kam der Tag, da sie durch Josua ausgetrieben wurden; so wird auch der Tag kommen, da die Gemeinde die Welt richten wird.
In der Endzeit wird das Land Kanaan noch einmal Schauplatz großer Gerichte Gottes sein, da der Herr Seine ganze Macht und Herrlichkeit an den Nationen entfalten wird (Off 19). Hernach wird der Same Abrams nicht mehr ein Fremdling in Palästina sein. Auch wird Israel nie mehr Gegenstand der Verachtung und Schmach der Völker sein. Dann werden vielmehr alle Völker Israel suchen, weil sie durch dasselbe gesegnet werden. Wenn wir die Zeichen unserer Zeit recht deuten, stehen wir am Vorabend großer Ereignisse. Schwere Verfolgungen sind über Israel gegangen, die schwersten aber stehen noch aus; sie werden zum Ziel haben, daß Gott Seine Gnadenabsichten mit Seinem Volke verwirklicht und erreicht. Israel wird Buße tun, wird Den erkennen, in Den sie gestochen haben. Christus wird dann nicht mehr der verworfene König sein, sondern der Gesalbte Gottes, unter dessen Führung die letzten Verheißungen Wirklichkeit werden. Dann werden durch Israel alle Völker der Erde gesegnet werden. Und das ist nur möglich durch völligen Gehorsam.