Behandelter Abschnitt 1Pet 1,22 - 2,2
Verse 22-2,2 Bruderliebe und geistliches Wachstum
Nach diesen eindrucksvollen Worten über das Werk Christi und die herrlichen Folgen, die das für die hat, die daran teilhaben, ist es nicht verwunderlich, dass sich nun eine Aufforderung zur ungeheuchelten Bruderliebe anschließt. Du bist noch nicht am Ziel deiner Bestimmung, sondern unterwegs zum Erbteil. In der Welt bist du ein Fremder, doch du hast in der Welt eine Gemeinschaft, in der du zu Hause bist. Unterwegs zum Ziel siehst du auf dem Weg um dich her deine Geschwister, Menschen, die dasselbe Ziel vor Augen haben. Sie sind Gegenstände derselben Liebe Gottes und durch dasselbe Lamm erlöst. In ihrer Gemeinschaft empfindest du die Wärme der Bruderliebe. Deine Anwesenheit trägt zur Temperatur der Bruderliebe mit bei, denn Bruderliebe ist gegenseitig. Sie empfängt Wärme und strahlt Wärme aus.
Die Aufforderung ergeht an dich, weil du deine Seele durch den Gehorsam gegenüber der Wahrheit gereinigt hast. Du hast dich im Licht der Wahrheit Gottes als Sünder erkannt und im Gehorsam Gott deine Sünden bekannt und dich bekehrt. Dadurch ist ein Werk der Reinigung in dir geschehen (Joh 15,3). Du bist rein geworden, du hast ein reines Herz bekommen. In der Praxis kann man das an der ungeheuchelten Liebe zu deinen Geschwistern erkennen. Die Bruderliebe ist ein Beweis dafür, dass die neue Natur vorhanden ist. Du liebst die Brüder, weil sie aus Gott geboren sind (1Joh 5,1).
Die Tatsache, dass Petrus über „ungeheuchelte“ Bruderliebe spricht, macht deutlich, dass es um echte Liebe geht, bei der von Heuchelei, so tun als ob, keine Rede ist. Heuchelei – dich besser zu geben, als du bist – gehört zu deinem früheren Leben. Es geht in der Gemeinschaft von Geschwistern auch nicht um ein bisschen schwache Liebe, sondern um Liebe zueinander „mit Inbrunst“. Es ist ein Auftrag, einander intensiv zu lieben. Das schließt ein rein mechanisches Lieben aus. Dabei dürfen auch keine unaufrichtigen Motive oder unsaubere Absichten eine Rolle spielen. Es muss Liebe sein, die aus einem reinen Herzen kommt.
In einem reinen Herzen ist kein Platz für Sünde, es ist ein Herz, das in Gemeinschaft mit Gott lebt. Diese Gemeinschaft ist durch die Wiedergeburt entstanden, eine Geburt, die durch das Wort Gottes und den Geist Gottes bewirkt wird (Joh 3,5). Das Wort ist ein Same, der in dein Herz gesät wurde und aus dem sich neues Leben entwickelt hat. Das Wort Gottes hat Leben in sich. Dieses Leben ist nicht verweslich oder vergänglich, sondern unvergänglich und ewig bleibend, so wie Gott selbst der unvergängliche, ewig bleibende Gott ist (Röm 1,23; 1Tim 1,17). Wenn Er Leben gibt, ist das Leben von Ihm selbst und hat daher auch dieselben Eigenschaften.
Das Leben bildet einen starken Gegensatz zu dem Leben des Menschen, der nicht aus Gott geboren ist. Diesen Gegensatz siehst du auch in dem Zitat aus der Prophezeiung Jesajas (Jes 40,6-8). Aus dem Zitat ist ersichtlich, was der natürliche Mensch ist, der ja aus verweslichem Samen entstanden ist. Das Leben des natürlichen Menschen ist wie Gras und wie eine Blume des Grases. Das ist eine bildhafte Beschreibung eines Lebens, das erfolgreich und schön zu sein scheint, das jedoch, wenn du es genau betrachtest, nur sehr kurz ist und dessen Schönheit schnell vergeht.
Diesem Leben stellt Jesaja nicht das Leben aus Gott gegenüber, sondern das Wort Gottes. Das Leben aus Gott ist untrennbar mit dem Wort Gottes verbunden. Wir haben das neue Leben der Wiedergeburt ausschließlich dadurch empfangen, dass Gott uns sein Wort verkündigen ließ. Das Wort hat in uns das neue Leben bewirkt, und deshalb bleibt dieses Leben in Ewigkeit. Es kann nicht verlorengehen, genauso wenig wie etwas von den Worten Gottes verlorengehen kann. Die neue Natur bleibt ewig, denn sie ist genauso unverweslich wie das Wort Gottes.
Der erste Vers von Kapitel 2 setzt das Thema des vorhergehenden Abschnitts fort. Das sieht man an den einleitenden Wörtern: „Legt nun ab“. Sie klingen wie eine logische Folge dessen, was vorher gesagt wurde. Was abgelegt werden muss, sind alles Äußerungen des Fleisches, des eigenen Ichs, das andere herabsetzt und dich erhöht. Ablegen bedeutet den direkten und radikalen Bruch mit einer Sache, ihr keine Chance mehr zu geben, sich Geltung zu verschaffen. Wenn Petrus dazu auffordert, diese Dinge abzulegen, bedeutet das, dass sie unter diesen Gläubigen vorkamen und dass sie auch unter uns heute vorkommen können. Deshalb gilt seine Ermahnung auch für dich. Oder ist es ausgeschlossen, dass du dich manchmal noch so verhältst?
Es geht auch nicht darum, dass sich die hier genannten Dinge ab und zu in einem bestimmten Fall so äußern, sondern es geht um alle Bosheit, allen Trug, alles üble Nachreden. Wie leicht fühlen wir aus vielerlei Gründen Bosheit in uns aufkommen, wie leicht betrügen wir andere in verschiedenen Situationen und geben uns als besser aus (Heuchelei) oder gönnen anderen manche Dinge nicht, die sie besitzen (Neid). Und lasst uns dabei das üble Nachreden nicht vergessen. Wie leicht machen wir uns in allerlei Unterhaltungen darin schuldig. Geh innerlich dazu auf Abstand, lass dich nicht dazu verleiten und verurteile es sofort, wenn du merkst, dass eins der Dinge, die Petrus hier nennt, in dir aufkommt.
Das sind nicht nur Dinge, die den Beziehungen unter den Gläubigen ernstlich schaden, es sind auch große Hindernisse für das geistliche Wachstum. Darüber spricht Petrus jetzt im Folgenden. Wenn du wiedergeboren bist, hast du neues Leben, und das verlangt nach Nahrung, so wie ein neugeborenes Kind danach verlangt. Du brauchst ein Baby nicht aufzufordern, zu trinken. Das Baby meldet sich schon. Die Nahrung eines Gläubigen ist die „vernünftige, unverfälschte Milch“ des Wortes Gottes. Ein gesundes geistliches Wachstum ist überaus wichtig. Wie beim natürlichen Leben hängt auch beim geistlichen Leben die Gesundheit von der Art der Nahrung ab, die du aufnimmst. Du musst also alles ablegen, was die Bruderliebe zerstört und das Wachstum behindert. Das ist Vers 1. Stattdessen sollst du das gute Wort aufnehmen, wie ein Baby die Brust seiner Mutter sucht, weil es weiß, dass dort das Leben ist, das, was zum Wachstum nötig ist. Das ist Vers 2.
Es geht hier nicht um das Anfangsstadium des geistlichen Wachstums, um jemanden, der gerade erst zur Bekehrung gekommen ist. Es geht hier auch nicht um eine bestimmte Phase des geistlichen Wachstums (wie in Heb 5,12), sondern um ein Kennzeichen, das sowohl für Babys im Glauben als auch für geistlich gereifte Gläubige gilt. Für jeden Gläubigen gilt, dass geistliche Unterernährung entsteht, wenn er keinen Hunger hat und nicht isst. In diesem Fall stimmt etwas nicht. Ein gesunder Christ hat beständig Hunger nach der Milch des Wortes Gottes. Wenn du dich vom Wort Gottes ernährst, wächst du zur völligen Errettung heran.
Das Wort Gottes hat rettende Kraft, nicht nur für die Zukunft, sondern auch für den Weg dorthin. Du bist für die Ewigkeit errettet. Du wirst errettet sein, wenn du bei dem Herrn bist. Und auf dem Weg dorthin wirst du in allerlei gefährlichen Situationen errettet, wenn du dich an das Wort hältst. Wenn du dich mit leichter oder sogar törichter Lektüre vollstopfst, wirst du geistlich nicht gesund wachsen, sondern schief wachsen. Leicht lesbare, billige Romane mit einem bisschen Evangelium schützen dich nicht vor den Angriffen des Teufels, der dich zur Sünde verleiten will. Wenn du solche
Lektüre als eine Art geistliches Naschzeug liest, wirst du geistlich krank. Noch schädlicher ist es, wenn du Lektüre zu dir nimmst, die Gift enthält, denn dann ist der Verlauf tödlich. Von deinem Zeugnis als Christ bleibt dann nichts übrig als eine Leiche.
Kürzlich las ich einen Bericht auf Habakuk.nu, den ich gern zum Schluss an dich weitergebe. Das hat damit zu tun, wie du dir das Wort Gottes aneignest. In dem Bericht heißt es: „Wie kannst du Wissen auf die richtige Weise weitergeben? ... Der französische Schriftsteller und ehemalige Lehrer Daniel Pennac ... argumentiert: Der Unterricht erfordert Beständigkeit und eine Neubewertung der Arbeit als Aktivität des Geistes auf lange Sicht. Nur durch Beständigkeit kannst du dir etwas aneignen ...“ (Trouw, 15.12.2008).
Laut Pennac erweist du Schülern einen großen Dienst, wenn du ihnen hilfst, eine „geistige Bibliothek“ zu entwickeln. Pennac bekam seine eigenen Klassen so weit, dass sie blutfanatische Texte auswendig lernten. „Eine geistige Bibliothek ist doch ein unschätzbarer Besitz! Dass du ein Stück von Kafka oder Márques immer zur Hand hast. Nicht etwas auswendig lernen, damit du es wieder vergisst, nein, vollständig eindringen in den Text, Schritt für Schritt. Und sobald du einen Satz verstanden hast, wiederholen, wiederholen. Dann bist du jemand, der wirklich weiß, wovon er redet. Dann musst du natürlich üben, immer wiederholen, aber ohne das Begreifen geht es nicht.“
Ohne es zu wissen, stellt Pennac Christen vor eine große Herausforderung ... Wir haben die Bibel häufig in Fetzen im Kopf ... Wäre es nicht ein enormer Schatz, wenn wir ganze Kapitel oder sogar ganze Bücher der Bibel in unserer geistigen Bibliothek hätten? Dass man Schritt für Schritt in den Text eindringt. Und sobald man einen Satz verstanden hat, wiederholen, wiederholen ...