Behandelter Abschnitt 1Tim 5,20-25
Verse 20-25 Älteste, Sünden, Krankheit und Schwachheiten
Wenn erwiesen war, dass ein Ältester gesündigt hatte, musste das öffentlich behan- delt werden. Ein Beispiel dafür ist das, was Paulus mit Petrus tut (Gal 2,11). „Über- führe vor allen“ heißt, dass die Sünde öffentlich aufgedeckt und dadurch überzeu- gend bewiesen werden sollte. Auf diese Weise könnte dann nichts mehr dagegen vorgebracht werden.
Das schlechte Beispiel eines führenden Bruders könnte andere dazu verleiten, es ebenfalls mit der Sünde nicht so genau zu nehmen. Darum sollte in diesem Fall eine öffentliche Überführung stattfinden. Das hätte zur Folge, dass „auch die Übrigen Furcht haben“ (vgl. 2Pet 2,6). Eine öffentliche Zurechtweisung hat eine vorbeugende Wirkung auf „die Übrigen“.
Es ist nicht ganz eindeutig, wer mit den „Übrigen“ gemeint ist. Sind das nur die Mit- ältesten oder schließt das alle ein, die zur örtlichen Gemeinde gehören? Ich neige dazu, dass damit die ganze örtliche Gemeinde gemeint ist. Es scheint mir, dass ein Überführen „vor allen“ bedeutet, dass es in Anwesenheit der gesamten Gemeinde geschieht. Von einer Überführung „vor allen“ zu sprechen, scheint mir nicht sehr sinnvoll zu sein, wenn man damit ausdrücken will, dass es nur im Kreis der Ältes- ten geschehen sollte.
Durch seine Formulierung „ich bezeuge“ legt Paulus großen Nachdruck auf seine Worte. Das wird noch durch die drei Zeugen unterstrichen, auf die er sich hier be- zieht. Sie sind, obschon unsichtbar, immer anwesend bei allem, was in der Ge- meinde und durch sie geschieht. Die Gemeinde ist das Haus „Gottes“, „Christus Je- sus“ ist dort der Mittelpunkt, und die auserwählten Engel sind Zuschauer, die uns als Glieder der Gemeinde beobachten (1Kor 11,10: Eph 3,10).
Die göttlichen Bewohner des Himmels wie auch die Geschöpfe, die davor bewahrt geblieben sind, sich gegen Gott zu erheben, beobachten ständig, wie du dich im Haus Gottes verhältst. In der Welt finden die Rechte Gottes keinerlei Beachtung. Im Haus Gottes sollte das aber doch der Fall sein. Wenn dort nachweislich Sünde auf- tritt, muss sie von der Gemeinde in Übereinstimmung mit der Heiligkeit Gottes be- handelt und verurteilt werden.
Beim Ausüben dieser notwendigen Zucht warnt Paulus vor zwei Gefahren. Diese Gefahren sind auch heute sehr groß. Die eine Gefahr besteht im „Vorurteil“, die an- dere liegt in „Gunst“. Man könnte versucht sein, das Böse bei führenden Brüdern zu übergehen, weil das sonst zu Nachteilen führen könnte. Wenn man die Gunst eines führenden Bruders genießt, möchte man diese Gunst nicht gern verlieren. Das Ein- büßen von Gunst sollte daher auch keine Rolle spielen, wenn es um die Beurteilung von Sünde geht.
Auch die Vorliebe für einen Ältesten kann ein Hindernis dafür sein, die Sünde eines Ältesten beim Namen zu nennen. Dann kann man nicht mehr von Unparteilichkeit reden. Wenn dir jemand viel bedeutet hat, ist es schwer, „nichts nach Gunst“ zu tun. Was wir bevorzugen, beeinflusst unser Urteil viel zu sehr. Denke daran, dass Gott keine Parteilichkeit kennt und „ohne Ansehen der Person“ handelt (5Mo 10,17; Gal 2,6; Kol 3,25; 1Pet 1,17).
Wenn nachweislich eine Sünde vorliegt, geht das die gesamte örtliche Gemeinde an. Doch nicht immer liegt eine Sünde ganz deutlich und nachweisbar vor. Es kann vor- kommen, dass jemand vorgibt, dem Herrn zu dienen, in seinem Leben aber Sünde duldet, ohne dass das öffentlich sichtbar ist. Paulus weist Timotheus darauf hin, dass er damit rechnen muss. Mit den Worten „die Hände lege niemand schnell auf“ ermahnt er ihn zur Vorsicht.
Handauflegung bedeutet Einsmachung. Das Handauflegen hatte beim israelitischen Opferdienst eine wichtige Bedeutung. Wenn der Opfernde seine Hand auf ein Brandopfer legte (3Mo 1,4), ging dadurch sozusagen der ganze Wert, den das Brand- opfer für Gott hatte, auf ihn über. Dadurch war er dann in dem Brandopfer vor Gott wohlgefällig. Bei der Darbringung eines Sündopfers war es umgekehrt. Indem er seine Hand auf das Sündopfer legte (3Mo 4,4), ging die Sünde sozusagen auf das Sündopfer über, das dann anstelle des Opfernden geschlachtet wurde. Gottes Ge- richt traf das Opfer, und der Opfernde konnte frei ausgehen.
Bevor Timotheus sich also durch Handauflegung mit dem Dienst eines anderen einsmachte, musste er davon überzeugt sein, dass der Betreffende wirklich einen Dienst vom Herrn empfangen hatte. Nach Apostelgeschichte 13,3 ist es gut, dem Handauflegen eine Zeit des Betens und Fastens vorausgehen zu lassen (siehe auch Apg 6,6).
Wenn er jemanden vorschnell als einen Diener des Herrn anerkannte, lief Timotheus Gefahr, sich mit Sünden einszumachen. Das ist der Fall, wenn deutlich wird, dass jemand im Eigenwillen handelt und nur scheinbar dem Herrn dient. Wenn einem solchen die Hände aufgelegt werden, wird er dadurch auf seinem verkehrten Weg bestärkt, und derjenige, der ihm die Hände auflegt, unterstützt ihn dadurch und folgt ihm auf diesem Weg. Dadurch hat er Gemeinschaft mit seinen Sünden.
Hier wird deutlich, dass direkte Verbindung mit Bösem verunreinigt. Wenn er vor- sichtig dabei wäre, sich mit einem anderen einszumachen, würde Timotheus seine Reinheit bewahren. „Bewahre dich selbst keusch“ (o. rein) ist eine Aufforderung, die auch ganz allgemein gilt (2Kor 7,1). Du kannst nur dann rein bleiben, wenn du Gott fürchtest. Er lässt dich dann in allen Fällen, wo du nicht sicher bist, ob du dich damit verbinden oder ob du dabei mitmachen kannst, seinen Willen erkennen (Ps 25,14).
Wie du weißt, war Timotheus ein bescheidener und sogar furchtsamer Mann. Er war jemand, der es in seinem Leben sehr genau nahm und ein zartes Gewissen hatte. Die Aufforderung des Paulus, beim Handauflegen vorsichtig zu sein, kam dem vorsichtigen Lebensstil von Timotheus sicher entgegen. Ich glaube, dass wir den Rat, den Paulus Timotheus hinsichtlich seiner Gesundheit gab, damit im Zu- sammenhang sehen müssen.
Timotheus wird alles getan haben, um dem vorzubeugen, dass das Werk Gottes durch ihn behindert werden könnte. Er wollte alles vermeiden, woran andere An- stoß nehmen könnten (Röm 14,21). Deshalb wollte er wohl keinen Tropfen Wein trinken. Und warnt uns das Wort Gottes nicht wiederholt davor, dieses Genussmit- tel zu missbrauchen? Wein ist jedoch kein verbotenes Getränk. Es kommt darauf an, wie man damit umgeht. Nun hatte Timotheus Magenprobleme und auch noch ei- nige andere körperliche Schwachheiten. Und deshalb empfiehlt Paulus ihm, etwas Wein zu gebrauchen.
Paulus benutzt also nicht seine Gabe der Krankenheilung (Apg 28,2-9), sondern empfiehlt ihm, etwas Wein als Medizin zu gebrauchen. Es ist auch keinerlei Rede von einem Dämon, der den Magen des Timotheus heimgesucht hätte. Wie du siehst, muss Krankheit und körperliche Schwachheit nicht durch einen Krankheitsdämon verursacht sein, den man austreiben müsste. Auch siehst du hier, dass es kein Zei- chen von Unglauben ist, wenn man Medizin einnimmt.
Es ist allerdings noch wichtig, darauf hinzuweisen, dass es hier um „ein wenig“ Wein geht. Übermäßiger Genuss ist vom Bösen. Wein zu trinken, ist erlaubt (Joh 2,1-11; 1Kor 10,16). Er ist das Symbol der Freude (Ps 104,15). Du darfst daher durch- aus Wein gebrauchen, solange das nicht dazu führt, einmal so richtig schön durch- zuzechen.
Nach dieser Zwischenbemerkung zur Gesundheit des Timotheus und der diesbe- züglichen Empfehlung des Paulus setzt Paulus in Vers 24 sein Thema von Vers 22 fort. Er weist darauf hin, dass „von einigen Menschen … die Sünden vorher offen- bar“ sind. Bevor das Leben dieser Menschen einmal vor dem Richterstuhl offenbar wird (2Kor 5,10), ist auf der Erde bereits deutlich geworden, dass sie in Sünde gelebt haben. Ihre Sünden „gehen voraus zum Gericht“. In solchen Fällen sind die Sünden sonnenklar, und es wird nicht schwierig sein, entsprechend zu handeln.
Es gibt aber auch Menschen, bei denen es nicht direkt zu erkennen ist, dass sie in Sünde leben. Wenn auch in ihrem Leben die Sünde verborgen blieb, so kommt den- noch ein Augenblick, wo alles offenbar werden wird: beim Gericht am Richterstuhl Christi. Ihre Sünden folgen ihnen nach.
Was für die Sünden gilt, gilt jedoch auch für die guten Werke. Auch da bleibt nichts verborgen. Es gibt gute Werke, die wir schon auf der Erde als solche erkennen (Mt 5,16) wie bei Dorkas (Apg 9,36.39). Aber es gibt auch gute Werke, die von den Men- schen unbemerkt bleiben. Die werden ebenfalls offenbar werden, und es wird dafür entsprechenden Lohn geben.