Einleitung
Amos spricht die Frauen der Führer in Israel mit verblüffender Ironie an. Er nennt sie „Kühe Basans“. Sie sind die Mitverursacher für die Unterdrückung der Armen. Das Gericht wird sie treffen.
Ein Volk, das es sich auf Kosten anderer gut gehen lässt, nimmt auch den Gottesdienst in die eigenen Hände. Amos verurteilt den Gottesdienst, den die Israeliten nach eigenem Ermessen an Orten ihrer Wahl ausüben.
Nachdem Amos sowohl das gesellschaftliche als auch das geistliche Leben angeprangert hat, weist er auf Ereignisse in der Geschichte Israels hin, in denen die züchtigende Hand Gottes sichtbar war. Diese züchtigenden Aktionen waren von Gott dazu beabsichtigt, um sie zur Umkehr zu bringen, aber sie hörten nicht darauf. Deshalb ruft Er sie auf, sich darauf vorzubereiten, Ihm zu begegnen.
Verse 1 | Kühe!
Hört dieses Wort, ihr Kühe Basans, die ihr auf dem Berg Samarias seid, die ihr die Geringen bedrückt, die Armen misshandelt [und] zu euren Herren sprecht: Bring her, dass wir trinken!
Der Prophet wendet sich nun an die zehn Stämme, die er mit den Kühen von Basan vergleicht. Die weiblichen Verbformen zeigen, dass Amos die weiblichen oder verweichlichten Bewohner Samarias im Sinn hat (Vers 3). Besonders zu ihnen spricht er das Wort, weil sie ein Abbild sind von Menschen, die in Bequemlichkeit und Selbstzufriedenheit leben.
In seinen Worten verwendet er das Bild von weidenden Kühen auf den fruchtbaren Weiden auf der anderen Seite des Jordans. Die Kühe von Basan sind bekannt als eine auserlesene Herde, gut ernährt durch das Grasen auf den nahrhaften Weiden der Höhen Basans (5Mo 32,14; Hes 39,18).
Amos benutzt diese Kühe als Anwendung auf Israel, sowohl wegen des Wohlstands Israels als auch wegen des tierischen Charakters, den die Israeliten zeigen. Und so wie die Kühe nur für eine Sache leben, nämlich zu fressen und fett zu werden, und deshalb alles für sich selbst haben wollen, so tun es auch diese Frauen. Sie konzentrieren sich ausschließlich auf die Pflege ihres Körpers. Insofern gibt es eine klare Parallele zur „Körperkultur“ unserer Zeit, die sich auch hauptsächlich darum dreht, wie ich aussehe oder wie der andere aussieht.
Es ist kein Kompliment, wenn eine Frau mit einer Kuh verglichen wird. Es sind die Frauen der neuen Elite von Samaria, deren Männer es in diesem Wohlfahrtsstaat Israel zu etwas gebracht haben. Äußerlich sind sie ihren Männern untertan und nennen sie „Herr“. In Wirklichkeit sind die Männer gehorsame Diener, die alle ihre Launen und Freuden befriedigen müssen. Sie sagen: „Bring her!“. Die hohen Kosten für den Unterhalt von solchen Frauen können nur dadurch gedeckt werden, dass die Armen und die notleidenden Menschen weiter ausgezehrt werden.
Amos stellt das alles bloß. Hier tut er, was sein Prophetenkollege Jesaja schon getan hat. Auch Jesaja stellt sich gegen die Frauen, die dieselben Kennzeichen aufweisen wie diejenigen, an die sich Amos richtet (Jes 3,16-26; 32,9).
In dem, was Amos hier zu den Frauen von Samaria sagt, sehen wir die Welt im Kleinformat, die ständig bei ihren Führern für mehr materielle Güter protestiert und wo der Egoismus immer größer wird. Je größer der Egoismus, desto unempfindlicher werden wir gegenüber der Not anderer. Am Ende werden wir selbst andere ausbeuten, um unsere egoistischen Wünsche zu erfüllen. Alles Mitgefühl ist weg, die Erfüllung der eigenen Wünsche steht im Mittelpunkt. So leben Kühe, so leben die Frauen von Samaria.
Wie sehr müssen sie erschrocken sein, diese Damen! Sie sitzen und liegen dort zusammen, alle geschmackvoll und stilvoll nach den neuesten Moden gekleidet, in den schönsten Schmuck gehüllt und reich bemalt mit ausgewählten Produkten der Kosmetikindustrie. Der Raum ist voller Parfüm. Sie alle meinen, die eifersüchtigen Blicke der anderen anwesenden Damen gelten ihnen, jeder denkt bei sich, dass sie doch etwas charmanter oder herausfordernder aussieht als die anderen.
Mit affektierter Stimme erzählen sie sich gegenseitig ihre ausgeschmückten Geschichten. Mit ihren Geschichten versuchen sie, sich gegenseitig zu übertreffen und übertreiben maßlos. Davon bekommt man eine trockene Kehle. Die Gastgeberin wird von ihren Gästen aufgefordert, dass ihr Mann noch einen Drink bringen soll. Wo ist dieser Kerl?
Plötzlich trifft die Stimme des Propheten diese Frauen: „Kühe Basans“. Verblüfft brechen sie ihr Gespräch ab. Wie kann dieser Bauernsohn so etwas wagen. Unbekümmert, ohne Manieren, ungebildet – das hört man an seinem Dialekt – und äußerst beleidigend stört er ihr angenehmes Zusammensein. Aber hör zu, er spricht weiter: