In Kapitel 4 wird dies noch genauer erklärt. „Hört dieses Wort, ihr Kühe Basans, die ihr auf dem Berg Samarias seid“ (V. 1a). Die Rede ist von denen, die gemütlich und selbstgefällig in Israel wohnen, wobei das Bild von den Tierherden genommen wird, die auf den reichen Weidegründen weideten, die die zweieinhalb Stämmen am östlichen Ufer des Jordans begehrten. Das führt bald zu gefühlloser Gleichgültigkeit und Unterdrückung anderer; und so fährt der Prophet fort, sie anzuklagen: „Die ihr die Geringen bedrückt, die Armen misshandelt und zu euren Herren sprecht: Bring her, dass wir trinken!“ (V. 1b). Intensiver Egoismus wird hier den Israeliten vorgeworfen. Es war die Zeit ihres politisch blühendsten Zustandes, nicht die Zeit ihrer wirklichen Ehre und Herrlichkeit, die unter David und Salomo war. Aber nach der Abtrennung von Juda mochte es dem Menschen äußerlich erscheinen, dass Israel ein sehr begünstigtes Volk war. Ach, ihre Unabhängigkeit war gleichbedeutend mit ihrer Abtrünnigkeit! Sie hatten den wahren Gott verlassen, sie hatten die Kälber in Dan und Bethel aufgerichtet. Sie standen unter der selbstherrlichen Regierung Jerobeams, dem Gott erlaubt hatte, als Geißel für das schuldige Haus Davids zu regieren. Aber sein Auge war keineswegs unaufmerksam gegenüber ihren Wegen. Doch gerade die Tatsache, dass Er die Unterdrückung der Armen und andere Auswirkungen ihrer intensiven Selbstsucht bemerkte, zeigt den niedrigen Zustand Israels.
Ich kann nicht umhin, dies für ein wichtiges Prinzip zu halten. Angenommen, die Versammlung Gottes wäre damit beschäftigt, die Zänkereien derer zu berichtigen, die sich nicht zu benehmen wissen, mit Betrügereien im Geschäftsleben oder ähnlichen moralischen oder sozialen Fehlern, würde das nicht auf einen äußerst niedrigen Zustand hinweisen? Denn das sind, genaugenommen, nur die bösen Wege der gefallenen Menschen. Was normalerweise für die Versammlung oder den Christen gilt, während er kein Böses übersieht, ist, geistige Verunreinigungen mit den Augen Gott zu beurteilen, Verstöße gegen die Heiligkeit und Wahrheit Gottes, Gleichgültigkeit gegenüber solchem Bösen oder Duldung desselben bei anderen. Von all dem nimmt das natürliche Gewissen keine Kenntnis, und natürlich liegen sie außerhalb des Bereichs des menschlichen Gesetzes. Nicht, dass dieses Böse geistiger Natur nicht sehr real und zutiefst schlecht vor Gott wäre, und sogar noch zerstörerischer für die Seele als die moralischen (denn diese werden sofort erkannt und würden alle stören, außer den schuldigen Akteuren für die Zeit); aber das lehrmäßige Böse ist scharfsinniger und befleckt den Geist und das Verhalten des Menschen unmerklich. Daher ist es schlimmer als das Böse in der Praxis, obwohl beide mit Christus unvereinbar sind. Dennoch ist es klar, dass dort, wo Christen in die Irre gehen, das Böse natürlich eher geistlicher Art ist, während das der Welt von grober und offener Art ist.