Behandelter Abschnitt Est 1,1-4
Einleitung
Die Verse 1–8 sind die Einleitung zu dem Buch. Historisch und praktisch zeigen diese Verse die Welt in ihrer Großzügigkeit und Attraktivität und beschreiben, wie Gottes Volk seinen wahren König vergisst. Bei all dieser Herrlichkeit gerät ihr Land Israel in Vergessenheit. So kann es auch uns als Christen ergehen.
In prophetischer und typologischer Hinsicht sehen wir in Ahasveros ein Bild von Gott als dem souveränen Herrscher, der überall auf der Welt herrscht. Als Herrscher über die Welt segnet Gott noch immer alle Menschen mit irdischen Segnungen, ohne sie zu zwingen, diese zu gebrauchen (Apg 14,16.17).
Es geht um die wesentliche Frage der Autorität. Autorität kommt von Gott. Er verleiht dem Menschen Autorität in verschiedenen Bereichen. Die Unterwerfung unter sie bedeutet die Anerkennung der Autorität Gottes. Hinter der Autorität des Herrschers eines Landes, des Staatsoberhauptes, des Mannes, des Vaters, der Mutter, des Arbeitgebers, des Lehrers in der Schule steht die Autorität Gottes, denn Er hat diese Autoritätsbeziehungen eingesetzt.
Der Rest von Esther 1 ist dem Umgang von Ahasveros mit Vasti gewidmet. Historisch und praktisch sehen wir, dass Gott die Ratgeber des Königs benutzt, um durch die Gesetzgebung das Böse einzudämmen. Diesem Zweck dient die Regierung heute (Röm 13,1-5).
In prophetischer und typologischer Hinsicht stellt die Beiseitesetzung Vastis die Verwerfung Israels als seine Frau durch Gott dar. Israel hat es versäumt, Zeugnis davon zu geben, wer Gott ist, so wie Vasti sich weigert, ihre Schönheit zu zeigen, die sie dank ihrer Verbindung zu Ahasveros hat. Aus dem gleichen Grund wird die Christenheit verworfen, ebenso wie jeder Christ, der im Widerspruch zu seinem Bekenntnis lebt. Die Beiseitesetzung Vastis ebnet den Weg für die Einführung von Esther. Sie ist ein Bild des treuen Überrestes Israels, mit dem Gott die Geschichte seines Volkes in der Zukunft wieder aufnimmt.
Verse 1–4 | Eine Mahlzeit für Fürsten und Knechte
1 Und es geschah in den Tagen des Ahasveros (das ist der Ahasveros, der von Indien bis Äthiopien über 127 Landschaften regierte), 2 in jenen Tagen, als der König Ahasveros auf dem Thron seines Königreichs saß, der in der Burg Susan war, 3 im dritten Jahr seiner Regierung, da gab er ein Gastmahl allen seinen Fürsten und Knechten und den Mächtigen von Persien und Medien, den Vornehmen und Fürsten der Landschaften vor ihm, 4 als er den herrlichen Reichtum seines Königreichs und die glänzende Pracht seiner Größe viele Tage lang, 180 Tage, sehen ließ.
Die Geschichte dieses Buches spielt „in den Tagen des Ahasveros“ (Vers 1), des Königs des Weltreichs „Persien und Medien“ (Vers 3). Ahasveros regiert über 127 Landschaften. Eine davon ist das Land Israel. Israel steht also unter Fremdherrschaft. Wir können dies an der Datierung sehen. Wir lesen in Vers 3 über „das dritte Jahr seiner Regierung“ – das ist das Jahr 483
Chr. Das bedeutet, dass Gott die Geschichte nicht mehr nach den Königen von Juda und Israel datiert, sondern nach den Königen der Nationen.
Nach dem Hinweis auf Ahasveros in Vers 1 im Zusammenhang mit der Größe des Gebietes, über das er herrscht, wird in Vers 2 auf ihn im Zusammenhang mit seiner Stellung hingewiesen. Hier wird er nachdrücklich „König Ahasveros“ genannt und es wird betont, dass er auf „dem Thron seines Königreichs“ sitzt. Er ist der Herrscher und Gebieter eines immensen Reiches.
Dieser Thron, der in Wirklichkeit der Thron Gottes ist, steht hier „in der Burg Susan“ und nicht in Jerusalem. Diese Situation ist nicht so, wie Gott sie sich wünscht. Gott hat seinen Thron ursprünglich in Jerusalem errichtet. Er ist ihr König, wobei er seine Königsherrschaft über sein Volk von Personen ausführen lässt, die er zu diesem Zweck ernannt hat. Wir sehen das bei David und den Königen, die aus seiner Linie hervorgegangen sind. Aber dieses den Menschen anvertraute Königtum hat versagt.
Nach viel Geduld musste Gott das Königtum seines Volkes wegnehmen und in die Hände der Nationen legen. Der erste König, dem Gott diese Autorität gibt, ist Nebukadnezar, der König von Babylon. Da auch er seinem Auftrag untreu ist, wird ihm seine Macht entzogen. Gott hat das Volk der Meder und Perser dafür gebraucht.
Der erste König der Meder und Perser, Kores, gibt allen Juden in seinem ganzen Königreich die Erlaubnis, nach Jerusalem zurückzukehren, um Gottes Haus, den Tempel, wieder aufzubauen (Esra 1,1.2). Leider nutzten nur eine Handvoll Juden diese Gelegenheit. Viele blieben dort, wo sie nach ihrer Wegführung gelandet sind. Im Lauf der Zeit haben sie sich ihre Existenz im fremden Land aufgebaut und sich dort zu Hause gefühlt. Sie haben begonnen, ihre Heimat immer weniger zu vermissen, und die Sehnsucht nach ihr ist schließlich verschwunden. Diese Situation gilt für die in Susan lebenden Juden.
In Daniel 8 begegnen wir auch der Burg von Susan, die Daniel in einer Vision sieht (Dan 8,2). In dieser Vision wird ihm das Gericht über das medopersische Reich gezeigt. Er bekommt diese Vision, als das Imperium noch weit von dieser Größe entfernt ist. Gott zeigt ihm den Untergang dieses Reiches in der Burg von Susan, der Residenz der Könige von Persien. Daniel wird der Aufstieg des Imperiums gezeigt und auch, wie es gerichtet wird.
Auf diese Weise zeigt uns Gott, was mit einer Welt geschieht, die uns so sehr beeindruckt, nämlich dass die Welt vergeht und ihre Lust (1Joh 2,17b). Die Juden in Susan denken nicht daran, und viele Christen denken auch nicht daran. Die Pracht Susans und der Glanz der Welt stehen in krassem Gegensatz zu den Ruinen von Jerusalem. Aber wir lassen uns täuschen, wenn wir uns mit unserem Herzen an die Welt klammern.
Ahasveros ist im dritten Jahr seiner Regierung (Vers 3), als die Geschichte hier beginnt. Wie gesagt, in dieser Ära entsprechen die Zeitangaben der Herrschaft heidnischer Fürsten und nicht der der Könige von Israel und Juda (Est 2,16; 3,7). Jerusalem ist nicht mehr zentral, sondern ein heidnisches Königreich. Die Heilsgeschichte hat sich verändert. Jerusalem wäre das Haupt gewesen, aber es ist untreu geworden und zur Seite gestellt und zum Schwanz geworden (5Mo 28,44b). Die Zeit, in der Israel das Zentrum von Gottes Handeln ist, ist vorbei. „Die Zeiten der Nationen“ (Lk 21,24b) begannen, als Gott in Nebukadnezar die Nationen zum Haupt machte und ihm Regierungsgewalt gab (Dan 2,38).
Im dritten Jahr seiner Regierungszeit gibt Ahasveros „ein Gastmahl allen seinen Fürsten und Knechten“, das sind die Führer seiner Armeen und seiner Landschaften. Sie sind 180 Tage lang bei ihm (Vers 4). In diesen Tagen zeigt er ihnen „den herrlichen Reichtum seines Königreichs und die glänzende Pracht seiner Größe“. Der Grund für dieses Fest war es, die Sympathie seines Stabs zu bekommen, um seinen Plan, einen Krieg gegen Griechenland zu beginnen, zu verwirklichen.
Über diese Absicht lesen wir im Buch Daniel Folgendes: „Siehe, es werden noch drei Könige in Persien aufstehen, und der vierte wird größeren Reichtum erlangen als alle; und wenn er durch seinen Reichtum stark geworden ist, wird er alles gegen das Königreich Griechenland aufreizen“ (Dan 11,2). Dies wird hier im ersten Kapitel des Buches Esther näher erläutert.
Das dritte Jahr seiner Regierung ist das Jahr, in dem der erfolglose Feldzug gegen Griechenland beschlossen wurde. Um sie für seine Kriegspläne zu gewinnen, lädt Ahasveros alle Mächtigen von Persien und Medien, die Vornehmen und Fürsten der 127 Landschaften zu sich ein und zeigt seinen außerordentlichen Reichtum und Glanz. Deshalb dauert das Fest auch so lange: ein halbes Jahr. Wir lesen hier nichts über die Kampfhandlung. Gott ist besorgt um sein Volk inmitten der Nationen und wie es ihnen geht.