Behandelter Abschnitt Joh 16,2-4
Religiöser Hass und Verfolgung
Verse 2-4. Doch, was auch immer die Vorrechte waren, an denen die Apostel durch die Gegenwart des Heiligen Geistes teilnehmen durften, so würden sie doch gleichzeitig die Folgen der Verwerfung ihres Meisters erleben. Diese Verwerfung war nicht einfach die Verwerfung eines aufgeklärten, aber unbeliebten Weltverbesserers, sondern der Ausdruck der Feindschaft des menschlichen Herzens gegen Gott, und zwar gegen Gott, der sich in Güte offenbart hatte. Er kehrte in den Himmel zurück und würde sie zu Teilhabern des Geistes machen. Sie blieben hier auf der Erde, ausgestattet mit jener geistlichen Kraft, die bis zur Vollbringung von Wundern reichte und von der Quelle dieser Wunder Zeugnis ablegen würde. Doch die Fortdauer des Zeugnisses und der Macht würde dieselbe Feindschaft gegen sie auf den Plan rufen, die schon gegen Jesus offenkundig geworden war. Wenn sie den Hausherrn Beelzebul genannt hatten, wie viel mehr würden sie seine Hausgenossen auf dieselbe Weise behandeln (Mt 10,25).
Darüber hinaus war es ein religiöser Hass. Wenn sich eine Religion der Welt anpasst und dem Egoismus keine Kosten auferlegt, dann hält man an ihr fest. Man rühmt sich ihrer, und das umso mehr, wenn man sich durch die erkannte Wahrheit über andere erheben kann. Nun war dieser Hass, obwohl er sein Objekt durchaus kannte - es war die Offenbarung Gottes in dieser Welt -, ein Hass der Unwissenheit, vor allem bei den Volksmengen. Der Hass der Führer war mehr ein moralischer, ein teuflisch aktiver Hass, wie der Herr zu ihnen gesagt hatte (Kap. 8).
Die Volksmengen wachten eifrig über ihre Religion, wie Paulus selbst eingesteht (Apg 22,3). Die Führer hassten das, was sich offenbarte, weil es das Licht war. Welch schrecklicher Zustand! Doch wie kann man einen Zustand, der bewusst mit ganzer Kraft und Feindseligkeit einem solchen Erlöser widersteht, anders bezeichnen? Der Herr sagt, dass jeder, der seine Jünger tötete, meinen würde, Gott damit einen Dienst zu erweisen. Genau dies war bei Saulus von Tarsus der Fall. Die Führer hatten, wie der Herr sagt, «gesehen und doch gehasst, sowohl mich als auch meinen Vater».
Eine neue Wahrheit offenbart
Doch aus dem hier Gesagten folgen einige praktische Wahrheiten. Es ist die Offenbarung einer neuen Wahrheit, die das Herz übt und auf die Probe stellt. Ich sage neu, wenigstens für das Herz, das sie findet. Man gewinnt Ansehen durch eine alte Wahrheit. Die Juden glaubten an den einen, wahren Gott, und sie hatten Recht damit. Es war ein Vorrecht, ein moralischer Vorzug mit enormen Auswirkungen. Es gab tatsächlich nur diesen einen Gott. Die Götter der Heiden waren, soweit es im Heidentum überhaupt eine Realität gab, Dämonen. Aber obwohl der fromme Jude diesen wahren Gott anerkannte, Ihm gehorchte und Ihm vertraute, so war es doch der Stolz der ganzen Nation, diesen Gott zum Gott zu haben. Auch der ungläubige Jude war stolz darauf. Sie sahen die Macht, die von Gottes Gegenwart zeugte; aber dies geschah nicht im Tempel, ihrem irdischen Aufenthaltsort. Das Haus, so schön es war, stand leer. Nun brach ein doppelter Hass gegen das hervor, was diese Tatsache bewies.
Gott hatte etwas ganz Neues eingeführt. Der Vater hatte den Sohn in Gnade gesandt und sich selbst in Ihm offenbart. Diese Gnade konnte nicht auf die Juden beschränkt bleiben. Sie drang als Licht bis auf den Grund des menschlichen Herzens, und dies bei Juden und Nationen. Sowohl die einen wie die anderen waren Sünder. Bei den Juden offenbarte sich dies in der Verwerfung des Sohnes, und die souveräne Gnade breitete sich nun zu den Nationen aus. Der jüdische Sünder hatte sie genauso nötig. Die Trennwand war unter dem Kreuz gefallen. Nun war es Gott und Mensch, nicht mehr Jude und Heide.
Vergeblich hatte Gott die Vorrechte der Juden anerkannt. Vergeblich hatte Er seinen Sohn gemäss den Verheissungen zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt. Israel wollte nichts davon. Es verlangte seinen eigenen Ruhm. Von daher kommt es, dass die Juden denken, dass jener, der ein solches Zeugnis zerstört - das Zeugnis einer unendlichen Gnade, das Zeugnis vom Vater, der seinen Sohn in diese Welt gesandt hat, das Zeugnis der Gnade durch die Erlösung von Sündern, seien es Juden oder Heiden -, Gott einen Dienst erweisen würde. Er würde seinem Gott einen Dienst erweisen, seinem eigenen Gott, auf den er stolz war. Er kannte weder den Vater noch den Sohn. Dies war die neue Wahrheit, die den Zustand seines Herzens auf die Probe stellte.
Ein guter Protestant kann sich damit brüsten, dass er die Vergöttlichung der Hostie ablehnt und die Rechtfertigung aus Glauben als Lehrmeinung angenommen hat. Dies ist sein Ruhm als Protestant. Doch wo ist seine Seele in Bezug auf die Gegenwart des Heiligen Geistes und die Erwartung des Erlösers? Neue Wahrheiten bestätigen immer die alten, während sie gleichzeitig abergläubische Auswüchse verurteilen. Doch der Glaube an die alte Wahrheit, die unseren eigenen Ruhm ausmacht, ist kein Prüfstein für den Zustand der Seele, obwohl wir auch die alten Wahrheiten sorgfältig bewahren sollen.