Unfähigkeit der Finsternis gegenüber dem Licht
Vers 5. «Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfasst.» Der Mensch war nicht nur nicht Licht, er war nicht nur Finsternis, ohne den geringsten Schimmer der Natur Gottes, nein, in ihm war auch keine Kraft, um dieses Licht aufzunehmen. Von Natur aus widerstand der Mensch dem Licht. Sie sahen keine Schönheit in Ihm, um Ihn zu begehren. Da Er die göttliche Natur in sich selbst darstellte, war es unmöglich, noch weiter zu gehen.
In der Natur verschwindet die Dunkelheit, wenn ein Licht aufgeht. Doch in der moralischen Welt ist dies nicht so. Das Licht, das in sich selbst rein ist und alles enthüllt, war hier, und die Menschen erkannten nicht, wer unter ihnen war. «Ist dies nicht der Sohn des Zimmermanns?» «Wenn du wüsstest, wer es ist, der zu dir spricht: Gib mir zu trinken.» «Wenn dieser ein Prophet wäre.» So lautete ihr Urteil. Sie sprachen Ihm ab, ein Prophet zu sein, obwohl Gott da war und Er sich so offenbarte. Wenn Gott in dieser Welt ist, wird das offenbart, was droben ist. Zugleich wird klar, dass sich die Gesinnung, die dort herrscht, sich mit keinem einzigen der Grundsätze, die das Herz und die Gewohnheiten der Menschen regieren, verbindet. Im Herzen des Menschen gibt es keine Kenntnis von Sünde, keine Erkenntnis Gottes und keine Erkenntnis des Zustands, in den die Sünde uns gestürzt hat. Die Sünde selbst wird nach dem Bösen, das sie uns zugefügt hat, bewertet und nicht nach ihrer Auflehnung gegen die Natur Gottes.
Durch den Sündenfall hat der Mensch zwar ein Gewissen bekommen. Doch der Egoismus ist der Ausgangspunkt von allem. Wenn das Licht erscheint und im Gegenzug zeigt, was Sünde ist und in welche Stellung sie den Menschen moralisch Gott gegenüber gebracht hat - dann wird alles vom Standpunkt der Selbstsucht aus beurteilt, und die Offenbarung Gottes findet keinen Eingang ins Herz. Für den Menschen ist die Wahrheit ein unbekanntes Territorium, denn er lebt in der Lüge, weil er ohne Gott lebt und nichts von diesen Dingen versteht. Gott ist Licht, und wenn Er sich so offenbart, wie Er ist, aber in einer dem Menschen angepassten Art und Weise, dann ist der Zustand des Menschen so, dass nichts in ihm auf diese Offenbarung reagiert. Wird das Gewissen, das von Gott ist, getroffen, dann wird der Hass des Willens aktiviert (vgl. Apg 7,54-58 und Joh 3,19).
Wir sehen also in diesen ersten fünf Versen auf abstrakte Weise, was der Herr, als Gott, in sich selbst ist. Damit verbunden sehen wir am Ende dieser fünf Verse - immer noch in abstrakter Weise - die Wirkung seines Erscheinens inmitten der Menschen wie sie von Natur sind. Daher wird Er uns hier als Licht vorgestellt und nicht als Liebe. Betrachten wir sein Kommen auf die Erde unter dem Blickwinkel der Liebe, dann sehen wir Ihn in Tätigkeit, sowohl in Bezug auf die Welt, als auch besonders gegenüber den Seinen. Alles läuft auf das Kreuz hinaus, wo offenbar wird, dass das Licht abgelehnt wurde.
Doch hier wird uns gezeigt, was der Herr ist und nicht, was Er in göttlicher Aktivität tut. Die Verse 16-19 von Kapitel 3 geben uns eine Zusammenfassung dessen, was Er in dieser zweifachen Hinsicht ist. Gott ist Liebe, doch in Christus wurde diese Liebe aktiv, gemäss dem Wesen und dem fest gefassten Vorsatz Gottes (Kap. 1,17). Das Gesetz forderte vom Menschen, was er sein sollte; in Christus sehen wir, dass etwas von Gott «gekommen ist», nämlich Licht und Liebe. Doch damit wollen wir uns später ausführlich beschäftigen. Ich wiederhole nur, dass das, was uns bis heute geschenkt ist, das ist, was der Herr in sich selbst ist. Doch dies zeigt sich so, dass der Mensch dadurch auf die Probe gestellt wird und alles, was in ihm ist, zum Vorschein kommt.
Der Abschnitt endet mit der Wirkung der Offenbarung dessen, was Er ist, ohne dass Er selbst genannt wird. Dieses Licht kann sich dort zeigen, wo nichts ist, das darauf reagiert: Es wird nicht erfasst. Wir sehen hier eine moralische Unfähigkeit dazu, nicht Hass; denn dieser ist das Gegenteil von Liebe.
Wir können anfugen, dass wir selbst Licht sind, indem wir Teilhaber der göttlichen Natur geworden sind (Eph 5,8). Es wird nirgends gesagt, dass wir Liebe sind, denn Gott ist souverän in seiner Liebe. Zweifellos ist es seine Natur, in Gemeinschaft, Güte und Erbarmen, aber völlig frei und souverän. Wir sind zwar Teilhaber dieser Natur und wandeln in Liebe, wie die Liebe in Jesus offenbart worden ist, denn Er ist unser Leben. Doch wir wandeln im Gehorsam, es ist eine Pflicht für uns, eine freudige Pflicht zwar und leicht, wenn wir freudig unseren Weg gehen. Sie ist auch stärker als das Böse, doch sie ist nicht frei, weil sich ihre Quelle nicht in uns befindet. Wir können nicht sagen, dass wir in höchstem Mass Liebe sind, eine Quelle, aus der die Liebe sprudelt. Hingegen können wir sagen, dass der neue Mensch in sich selbst heilig ist.