Einleitende Bemerkungen
1. Autorschaft dieses Briefes
Paulus ist zweifellos der Schreiber (vgl. 2Pet 3,15.16). Der erste Brief des Petrus ist im Jahr 60 n. Chr., geschrieben, der Hebräerbrief ca. 63 und der zweite Brief des Petrus 66. Dieser Brief ist also nur wenige Jahre vor der Zerstörung Jerusalems geschrieben worden. Damit kam der Tempeldienst zu Ende.
Paulus ist wahrscheinlich im Jahre 67 hingerichtet worden. Das allein macht bereits deutlich, dass der Brief vor der Zerstörung Jerusalems geschrieben sein muss. Einen weiteren Hinweis finden wir in Kapitel 8,4, wo es heißt: „weil solche da sind“. Es gab also noch Priester nach der Ordnung Aarons, die Dienst taten.
Paulus ist als Autor in diesem Brief nicht der Apostel, sondern der Lehrer. „Er entfaltet die Schätze des Alten Testaments im Licht Christi, seines Blutes und ins besondere seine Gegenwart im Himmel ... Dinge, die sonst schwer und undeutlich für uns wären“ (WK).
Obwohl in manchen Bibeln der Titel dieser wundervollen Abhandlung vielfach als „Der Brief des Paulus an die Hebräer“ erscheint, war ihr Verfasser durch den Geist doch so geleitet, seinen eigenen Namen wie auch den der Empfänger auszulassen. Dennoch bezeugt fast jede Zeile, dass sie an hebräische Gläubige gerichtet war, wie auch mehrere Andeutungen ziemlich sicher darauf schließen lassen, dass Paulus sie geschrieben hat. Wenn dem so ist, haben wir jenen Brief an jüdische Gläubige vor uns, den Petrus in seinem zweiten Brief erwähnt, als geschrieben von „unserem geliebten Bruder Paulus“ (3,15) (FBH1)
2. Die Bedeutung dieses Briefes
Der Brief an die Hebräer ist nicht eine Erklärung des Alten Testaments, sondern vielmehr eine Erklärung der Schatten des Alten Testaments, die alle vor der Herrlichkeit des Sohnes zurücktreten müssen. Die Hebräer werden in diesem Brief aufgefordert, jede Verbindung zum irdischen Gottesdienst abzubrechen, um sich auf die Seite des im Himmel verherrlichten Christus zu stellen. Das Christentum ist dem Judentum weit überlegen.
Die hebräischen Christen waren müde geworden, weil sie verfolgt wurden, deshalb die vielen Ermutigungen (siehe Heb 12,12.13). Sie bestand sogar die Gefahr, dass einige abfielen.
Die Bedeutung des Briefes für die gegenwärtige Zeit kann kaum überbewertet werden. Es gibt heute Massen von Gläubigen, die, obwohl sie aus den Nationen sind und deshalb keineswegs mit dem Judentum zu tun haben, dennoch entarteten Formen des Christentums anhangen. Solche Formen bestehen weithin in Zeremonien und kirchlichen Bräuchen, die ihrerseits zum größten Teil eine Nachahmung des jüdischen Rituals darstellen, das Gott wohl einst verordnet hatte, um die Zeit bis zur Ankunft Christi auszufüllen. Es mag sein, dass die meisten unserer Leser durch Gottes Erbarmen heutzutage von solchen Systemen frei sind, doch haben viele von uns irgendwie damit zu tun gehabt, und ihr Einfluss hat uns fast unmerklich geprägt. ‒ Wenn beim Lesen unser Glaube aufgerüttelt wird, wenn unsere geistlichen Augen einen neuen klaren Blick für die unermesslichen Herrlichkeiten Christi bekommen und für die Wirklichkeit all der geistlichen Wahrheiten, die sich auf Ihn gründen, so werden wir selbst gestärkt, um „den vor uns liegenden Wettlauf“ mit Ausharren zu laufen (FBH).
3. Das Hohenpriestertum Christi
Eines der Hauptthemen dieses Briefes ist das Hohenpriestertum Christi. Zehnmal wird Er der Hohepriester genannt: 2,17; 3,1; 4,14.15; 5,5.10; 6,20; 7,26; 8,1; 9,11 (sonst kommt dieser Titel noch vor in Kapitel 5,1; 7,27.28; 8,3; 9,7.25; 13,11. Zum Unterschied des Priestertums Aaron und Melchisedeks siehe Anhang 1.
4. Besseres in diesem Brief (12-mal)
besser geworden als die Engel (1,4)
von besseren Dingen überzeugt (6,9)
das Geringere wird von dem Besseren gesegnet (7,7)
bessere Hoffnung (7,19)
besserer Bund (7,22; 8,6)
bessere Verheißungen (8,6)
bessere Schlachtopfer (9,23)
bessere und bleibende Habe (10,34)
besseres, himmlisches Vaterland (11,16)
bessere Auferstehung (11,35)
Gott hat für uns etwas Besseres vorgesehen (11,40)
das Blut der Besprengung redet besser als das Blut Abels (12,24).
5. Ewig in diesem Brief (6-mal)
Urheber ewigen Heils (5,9)
ewiges Gericht (6,2)
ewige Erlösung (9,12)
durch den ewigen Geist (9,14)
Verheißung des ewigen Erbes (9,15)
Blut des ewigen Bundes (13,20)
6. Stellen, wo von Zurückziehen, Abgleiten und Abfall die Rede ist
Damit wir nicht etwa abgleiten (2,1)
Verhärtet eure Herzen nicht (3,7; 4,7)
Dass nicht etwa in jemand von euch ein böses Herz des Unglaubens sei im Abfallen (3,12)
Fürchten wir uns nun, dass nicht etwa ... jemand von euch scheine zurückgeblieben zu sein (4,1)
Damit nicht jemand nach demselben Beispiels des Unglaubens falle (4,11)
Es ist unmöglich, diejenigen, ... und abgefallen sind (6,4‒6)
Mit Willen sündigen2 (10,26)
Den Sohn Gottes mit Füßen treten (10,29)
Ihn, der spricht abweisen ... uns von ihm abwenden (12,25)
7. Stellung der Gläubigen
Gläubigen sind in diesem Brief auf immerdar vollkommen gemacht (10,14).
Sünde ist in diesem Brief Abfall von Gott ‒ es geht um Sünde von außen, nicht um Sünde von innen.3
Der Hohepriester vertritt Menschen vor Gott (der Sachwalter verwendet sich für Kinder beim Vater).
Der Hohepriester hat Mitleid mit Schwachheiten, nicht aber mit Sünden.
8. Sieben Herrlichkeiten des Sohnes in Kapitel 1,3.4
Herrlichkeit des Sohnes | |
---|---|
1 | der Erbe aller Dinge |
2 | der Schöpfer der Welten |
3 | der Abglanz seiner Herrlichkeit |
4 | der Abdruck seines Wesens |
5 | der Erhalter aller Dinge |
6 | der Erlöser |
7 | der zur Rechten Gottes Sitzende |
9. Sieben Zitate aus dem Alten Testament in Kapitel 1,5‒14
Bibelstelle | Zitate zur Erhabenheit Christi über den Engeln | |
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1 | Ps 2,7 | Sohn Gottes als Mensch (= König Israels) |
2 | 1Chr 17,13 | Sohn zum Vater (Erbauer des Hauses) |
3 | Ps 97,7 | Erstgeborener aller Schöpfung (Kol 1,15 ) und aller Auferstandenen (Kol 1,18) |
4 | Ps 104,4 | Der Anbetung aller Engel würdig |
5 | Ps 45,7.8 | Als Gott (Elohim) angesprochen, verbunden mit Genossen |
6 | Ps 102,2‒28 | Als Herr (= Jehova) angesprochen |
7 | Ps 110,1 | Verherrlichung zur Rechten Gottes |
Kapitel 1
Einleitung
Wir finden den Herrn Jesus in diesem Kapitel in seiner überragenden Herrlichkeit als Sohn Gottes und Messias, auch als Apostel (vgl. 3,1), der Gott offenbart hat. Er ist der Schöpfer und zugleich der Heiland. Außerdem hat Er sich kraft seiner eigenen Person zur Rechten der Majestät gesetzt. Er besitzt eine Herrlichkeit, die unvergleichlich ist mit der der Engel. Alles andere muss vor dieser Herrlichkeit verblassen.
Im Allgemeinen ist der Begriff Hebräer im Alten Testament negativ gebraucht. So haben Saul und die Feinde des Volkes gesprochen.
Merkpunkte aus einem Vortrag von Walter Mauerhofer (09.11.2012).4
Einteilung
Einleitung: Gottes Reden im oder als Sohn (V. 1a)
Der Sohn Gottes und seine verschiedenen Herrlichkeiten (V. 1a‒4)
Der Sohn ist größer als die Engel ‒ sieben Zitate dazu aus dem Alten Testament (V. 5‒14)
Vers 1
Nachdem Gott vielfältig und auf vielerlei Weise ehemals5 zu den Vätern geredet hat in den6 Propheten: Gott ist der Handelnde, in der früheren Haushaltung der Väter und auch in der neuen christlichen Haushaltung.
Vielfältig [polumerw`ς]: in vielen Teilen. Teilweise Offenbarungen Gottes im Alten Testament. In einzelnen Teilen und auch nacheinander. Auch in 36 Büchern; Geschichten, Geschlechtsregistern, der Gesetzgebung, religiösen Verordnungen.
Und auf vielerlei Weise [polutrovpwς]: die mannigfaltigen Offenbarungsweisen Gottes im Alten Testament.
als Elohim, der Herr, El Schaddai, El Elyon
durch Worte, Träume, Visionen, Erlebnisse
durch Propheten, Engel, den Engel des Herrn
Ehemals: vor alters, vorlängst, das Vergangene im Gegensatz zur Gegenwart.
Zu den Vätern: Das ist die Gesamtheit aller vorangegangenen Generationen (Apg 7,52). Dadurch wird zugleich deutlich, dass sich dieser Brief an hebräische Christen richtet, denn in diesem Sinn hatten die Heidenchristen keine Väter.
Geredet hat: [lalevw] Part. Aor. die Art und Weise des Sprechens, levgw mehr der Inhalt des Gesagten.
In den Propheten: Mose war ein Prophet (5Mo 18,15), Samuel (Apg 13,20), David (Apg 2,30), dann Jesaja, Jeremia, Daniel, Hesekiel, die kleinen Propheten und die vielen Propheten, die Gott sonst noch benutzt hat.
Siehe in Jeremia besonders Kapitel 25,4. Außerdem der Ausdruck „sich früher aufmachend und“
redend (7,13; 25,3; 35,14)
bezeugend (11,7)
lehrend (32,33)
sendend (7,25; 25,4; 26,5; 29,19; 35,15; 44,4)
1 Abkürzung für Frank B. Hole. Die Betrachtung über das Neue Testament kann beim CSV Hückeswagen erworben werden (https://www.csv-verlag.de/neues-testament/10896-grundzuge-des-neuen-testaments-komplett-band-1-6.html?search_query=f.+b.+Hole&results=47.↩︎
2 Sünde oder sündigen ist im Hebräerbrief immer Abfall von Gott. Die Stellung des Gläubigen ist im Gegensatz dazu vollkommen (Heb 10,14).↩︎
3 Siehe den Artikel Fliehen oder widerstehen? auf http://biblische-lehre-wm.de/wp-content/uploads/2015/06/Fliehen-oder-Widerstehen-WM.pdf.↩︎
4 Heimatlieder sind in vielen Versammlungen verklungen. Die Sehnsucht nach dem Kommen des Herrn ist verloren. Früher wurde viel über die Entrückung gesprochen. Walters Bruder Erich hat in seinem Büro einen selbst angefertigten Spruch: Ich erwarte Jesus heute. Der Herr Jesus strahlt die Herrlichkeit Gottes aus. Als Joseph an Bauchspeicheldrüsenkrebs heimging, war ein Strahlen der Herrlichkeit des Herrn Jesus im Sterbezimmer.↩︎
5 O. vor alters.↩︎
6 O. durch die.↩︎