Einleitung
Kapitel 11 endete ähnlich wie Kapitel 8: In beiden Fällen ging es um die Ratschlüsse Gottes und seine erwählende Barmherzigkeit. Dieses Kapitel beginnt daher mit einem Appell, der sich auf Gottes Barmherzigkeit gründet. Nun beginnt der letzte und praktische Teil dieses Briefes, der den Gerechtfertigten gilt. Sie sollen wissen, wie sie nun zu leben haben.
„Gerechtfertigt aus Glauben! Keine Verdammnis mehr für die, die in Christus Jesus sind. Jauchzend haben wir, gerechtfertigt, den Gerichtssaal Gottes verlassen. Und nicht nur jauchzend, sondern voller Bewunderung für die Pläne und Gedanken Gottes in der gesamten Heilsgeschichte, wie sie näher entwickelt wurden in den Kapitel 9–11. Doch wie geht es nun weiter?“ (H. Medema)
Einteilung
Das Leben des Gerechtfertigten als Gottesdienst (V. 1.2)
Die verschiedenen Gnadengaben (V. 3‒8)
Ein Reihe beherzigenswerter Aufforderungen (V. 9–21)
Vers 1
Ich ermahne euch nun, Brüder, durch die Erbarmungen Gottes, eure Leiber darzustellen als ein lebendiges, heiliges, Gott wohlgefälliges Schlachtopfer, was euer vernünftiger Dienst ist: Ich ermahne euch ist parakal´´evw wörtlich. „herbeirufen“ (Apg 28,20), oft „ermahnen“ (Apg 14,22) oder „trösten“ (Lk 16,25). Der Sinn muss jeweils aus dem Zusammenhang geschlossen werden.
Nun [oujn]: Dieses Wort leitet oft in den Briefen den praktischen Teil der Ermahnungen ein, die sich auf die vorher dargelegte Lehre gründet (Eph 4,1; Kol 3,1). Paulus gründet seine Ermahnungen nicht auf die Tatsache, dass Gott ein strenger Richter ist (vgl. Röm 8,13; Gal 6,8).
Brüder: Ein warmer Ton durchzieht diese Ermahnungen. Paulus spricht die Empfänger dieses Briefes als Brüder an. Sie gehören zur Familie Gottes; in der Familie ist der Herr Jesus „der Erstgeborene ... unter vielen Brüdern“ (Röm 8,29).
Durch die Erbarmungen Gottes [oijktirmoς]: o. wegen, aufgrund der Erbarmungen Gottes. Was für ein Erbarmen, eine Barmherzigkeit Gottes haben wir doch erfahren (vgl. Ende Kapitel 8 und 11)! Führt dieses Erbarmen Gottes zu Konsequenzen in unserem Leben? Wenn wir Gnade für einen wohlgefälligen Wandel finden, so ist das eine Folge der Erbarmungen Gottes.
Darzustellen [parivsthmi]: kommt fünfmal in Kapitel 6 vor (6,13.13.16.19.19), insgesamt vierzigmal im Neuen Testament. Bereitstellen, zur Verfügung stellen, beweisen, dartun. Nun geht es darum, das Gelernte in die Praxis umzusetzen. In Kapitel 6 hat der Apostel gezeigt, dass wir durch das Darstellen unserer Glieder für den Dienst Gottes praktisch befreit werden von der Knechtschaft der Sünde. Die Ermahnung ist hier sehr ähnlich. „Früher sagten wir in Bezug auf unseren Leib: Ich bin der Kapitän meines Leibes und er soll meinen Vergnügungen dienen“ (F. B. Hole).
Siehe die Worte Nebukadnezars nach der Errettung der Freunde Daniels aus dem Feuerofen (Dan 3,28-30).
Lebendiges: Es ist ein lebendiges Schlachtopfer. Wie kann ein Schlachtopfer lebendig sein? Ein Schlachtopfer wird ja gerade dadurch ein Schlachtopfer, dass es geschlachtet. Wir können leben, weil Christus sich als blutiges Opfer dargebracht hat. Wir sind ein lebendiges Schlachtopfer in der Kraft seiner Auferstehung.
Gott wohlgefälliges Schlachtopfer [qusiva]: In Römer 12 sind unsere Leiber die Opfer. In 1. Petrus 2 sind es geistliche Opfer, die wir darbringen. Römer 12 sieht uns in der Welt, und zwar wie wir Christus den Ungläubigen bringen durch unser Leben; 1. Petrus 2 sieht uns im Heiligtum, wie wir Gott Christus darbringen. (Die Opfer des Alten Testamentes waren Gott insofern wohlgefällig, weil sie im Vorbild von Christus sprachen.)
Hat Gott Wohlgefallen oder Freude an meinem Leben? Ist mein ganzes Leben Ihm hingegeben? Es sollte die selbstverständliche Antwort eines Menschen sein, der weiß, dass er gerechtfertigt ist vom Gericht und damit vom ewigen Tod, weil er ein solches Ausmaß an Erbarmen erfahren hat. Hat der Herr Jesus nicht für ihn sein Leben hingegeben? Die Antwort ist eine Antwort der Liebe.
Euer vernünftiger [Gottes]dienst [logikevn latreivan]: Das ist die logische, vernünftige Schlussfolgerung. Man kann auch sagen: ein einsichtsvoller Dienst.