Einleitung
Der Herr hat im vorhergehenden Kapitel kein einziges Wunder getan. Dennoch verwarfen die Juden Ihn wegen seiner Worte und begegneten Ihm mit tödlichem Hass. Der Herr verließ den Tempel, um sich zu verbergen. Er verfolgte ungeachtet des Hasses seinen Weg der Liebe, wie uns dieses Kapitel zeigt. Auf dem Weg vom Tempel traf Er einen Blinden. „Der Mordplan der Juden scheiterte nicht, weil es ihnen an Festigkeit ihrer Absicht gemangelt hätte, sondern weil er außerhalb ihres Zugriffs stand, bis seine Stunde gekommen war“ (FBH).
Es gehört zum Johannesevangelium, dass es öfter das Christentum vorwegnimmt. Das Licht scheint aus dem geöffneten Heiligtum heraus. Im Alten Testament war der Vorhang verschlossen, sogar Mose konnte das Angesicht Gottes nicht sehen. Das Judentum als gesetzliches System hat ein geschlossenes Heiligtum. Ins Heiligtum eintreten zu dürfen, bedeutet zugleich außerhalb des Lagers zu sein.
In den Kapiteln 8–10 finden wir insbesondere die Verwerfung des Herrn Jesus, seine Worte und seine Werke. „In Kapitel 8 werden die Worte Jesu verworfen, in Kapitel 9 seine Werke ... Die persönlichen Herrlichkeiten von Kapitel 1 werden in all diesen Kapiteln reproduziert und entfaltet. Der Blinde kommt schließlich zu der Erkenntnis, dass dieser demütige Mensch der Sohn Gottes ist [oder: der Sohn des Menschen]. Wenn der Herr wirkt, bringt Er etwas in dem Menschen hervor, was dieser zuvor nicht hatte: Er schenkt ihm das Augenlicht. Der Mensch darf zur Kenntnis seiner herrlichen Person kommen“ (JND).
In Kapitel 8 sagt der Herr Jesus von sich, dass Er das Licht der Welt ist, das in der Finsternis leuchtet. In Kapitel 9 sehen wir, dass trotzdem Menschen das Licht des Lebens empfangen haben. Einerseits verworfen, andererseits angenommen.
In diesem Kapitel finden wir, wie ein blinder Bettler zu einem sehenden Anbeter wird. Zuerst schenkt der Herr ihm das natürliche Augenlicht; doch im Verlauf des Kapitels werden seine geistlichen Augen zunehmend geöffnet.
Einteilung
Die Heilung des Blindgeborenen am Sabbat (V. 1‒7)
Das erste Verhör der Pharisäer (V. 13‒17)
Das Verhör der Eltern (V. 18‒23)
Das zweite Verhör des Geheilten (V. 24‒34)
Jesus als das Licht der Nichtsehenden und als die Verblendung der Sehenden (V. 35‒41)
Vers 1
Und als er vorüberging, sah er einen Menschen, blind von Geburt: Der Herr hatte die Juden verlassen und war weggegangen. Auf seinem Weg sieht Er den Blinden. Die Heilung des Blindgeborenen ist Gnade. Weder er selbst noch seine Eltern hatten darum gebeten. Die Heilung sollte ein wirkungsvolles Zeugnis vor den Obersten sein, dass Jesus der Sohn Gottes ist. Zugleich zeigt dieses Kapitel, wie der Hass der Juden sich gegen die Schafe Jesu wendet.
Blind von Geburt: Dieser Mann war der Einzige, von dem Gottes Wort sagt, dass er blindgeboren wurde. Zehnmal wird von seinem blinden Zustand gesprochen. Das ist mit der Sünde vergleichbar, die wir von Natur aus haben.
Blindheit ist ein Leiden, das nur ein eingeschränktes Leben und Freude ermöglicht. Das gilt noch mehr für geistliche Blindheit. JND hat in Epheser 4,18 in der Fußnote zu „Verstockung [Verblendung] ihres Herzens“ Blindheit. Der natürliche Mensch erkennt seinen verderbten Zustand nicht, er kann auch das Reich Gottes nicht sehen (Joh 3,3). Er braucht nicht nur Licht, sondern auch Sehvermögen, Augenlicht. Hier sehen wir, wie das Licht der Menschen (8,12) einem Menschen das Augenlicht schenkt. Anschließend wird der Blinde, weil er an den Herrn glaubt, verworfen (= hinausgeworfen).