Einleitung
Der Übergang vom Volk Israel zum Christentum
Wir sehen hier, wie Israel das Reich weggenommen und einer Nation gegeben wird, die dessen Früchte bringt (Mt 21,43). Die Früchte können erst entstehen, wenn der Same ausgestreut ist. Ein wichtiger Wechsel der Dispensationen findet statt. Israel ist für eine Zeit beiseitegestellt. In Zukunft ist es wieder der Mittelpunkt der Herrlichkeit und Macht. Das Gesetz wird von Zion ausgehen und das Wort von Jerusalem: die offenbare Regierung des Herrn in Macht bis an die Enden der Erde (Jes 2; Mich 4). Die Verwerfung des Messias führt zur Offenbarung größerer Herrlichkeit (vgl. Mt 11,25). Das Reich der Himmel nimmt vorläufig äußerlich einen völlig anderen Verlauf.
Das Christentum
Das Christentum ist nicht die Fortsetzung des Judentums, sondern etwas völlig Neues: Christen haben eine himmlische Berufung, die Untertanen des Reiches sind Fremde auf der Erde (Heb 11,13-16). Manche heben die Gläubigen des Alten Testamentes auf die Höhe des Neuen Testamentes und unterscheiden nicht die irdische Berufung des Volkes Israel. Für Letztere bleibt die Prophetie verschlossen. Sie sehen nicht, dass das Volk Israel eine Zukunft auf der Erde hat. Darum sehen sie auch nicht den tiefgreifenden Umbruch, der hier beschrieben wird. Hier werden Geheimnisse mitgeteilt, die seit Grundlegung der Welt unbekannt waren (13,35). Joseph sprach durch seine Träume Geheimnisse aus, als seine Brüder begannen, ihn zu hassen (1Mo 37). Die Versammlung ruht auf der Offenbarung von Geheimnissen.
Sieben Geheimnisse im Neuen Testament:
Paulus und seine Mitarbeiter waren „Verwalter der Geheimnisse Gottes“ (1Kor 4,1)
Das größte Geheimnis der Gottseligkeit ist Christus (1Tim 3,16), die in Verbindung damit aufgeführten Wahrheiten waren im Alten Testament unbekannt
Das Geheimnis des Willens Gottes, in Christus alle Dinge zusammenzufassen (Eph 1,9-10): die Herrschaft Christi über die neue Schöpfung
Das Geheimnis des Christus, nämlich dass der eine Leib aus Juden und Heiden besteht (Eph 3,4.6)
Das Geheimnis Christi und der Versammlung, seiner Braut (Eph 5,32)
Das Geheimnis „Christus in euch“ (Kol 1,27)
Das Geheimnis der Verwandlung bei der Auferstehung der Heiligen beim Kommen Christi (1Kor 15,51)
In negativer Hinsicht
Das Geheimnis des großen Babylon (Off 17,5); auch das gehört zur gegenwärtigen Haushaltung.
Das Geheimnis der Gesetzlosigkeit, wie es in der christlichen Zeit zur Auswirkung gekommen ist (2Thes 2,7)
Die Blindheit Israels, bis die Vollzahl der Nationen eingegangen ist (Röm 11,25)
(Vergleiche weiterhin Römer 16,25; Epheser 3,5 und Kolosser 1,26).
Die Gleichnisse
Im Keim entfaltet sich die Offenbarung der Geheimnisse hier in den Geheimnissen des Reiches der Himmel. Es ist noch nicht die völlige Offenbarung. Wir können jedoch in diesem Kapitel deutlich den Unterschied zu der im Alten Testament angekündigten Form des Reichs erkennen.
Gleichnis: Der Herr Jesus gibt hier ein prophetisches Bild der Entstehung, des Verlaufs und des Endes der Christenheit. Prophetie dient nicht der Neugierde über die Zukunft, sondern lehrt die Jünger Weisheit, damit sie auf dem von Gott gewiesenen Weg gehen und Ihm dort mit Einsicht dienen können (Off 1,1). Das Verständnis der Prophetie ist nicht nur eine Sache des Intellekts, sondern vor allem des Herzens. Die Schrift dient zuerst zur Lehre, dann zur Überführung, Zurechtweisung und Unterweisung in der Gerechtigkeit (2Tim 3,16).
Sieben Gleichnisse: Die ersten vier und die letzten drei gehören zusammen. Die ersten vier lassen sich noch einmal in 2+2 aufteilen. Damit wird der Verlauf des Bösen angedeutet. Diese vier betreffen die äußere Entwicklung, die letzten drei den inneren Kern des Reiches. – Die ersten zwei sind individuell (die einzelnen Personen), das dritte und das vierte Gleichnis sind kollektiv, das Verderben in Macht und Lehre, was Bezug hat auf die Gesamtheit der Christenheit.
Die beiden ersten Gleichnisse weisen wichtige Unterschiede auf: Im ersten haben wir unterschiedlichen Erfolg: Drei der vier Gruppen nehmen einen negativen Verlauf. Im zweiten Gleichnis haben wir den Feind und den schlechten Samen. Insofern sehen wir im zweiten Gleichnis eine negative Entwicklung. Die Szene wird dunkler und nicht heller. Der Weizen bleibt bis zur Ernte.
Der Herr Jesus suchte Frucht im Weinberg, doch da gab es keine Frucht; der Weinberg wurde beiseitegesetzt. Nun sät der Herr den Samen des Wortes in das brachliegende Land außerhalb des Weinbergs. Die ganze Welt ist nun der Acker. Zu Beginn dieses Buches war das Reich in Übereinstimmung mit den Prophezeiungen des Alten Testamentes. Doch nachdem Israel seinen König verworfen hatte, änderte sich das Reich eine bekam es eine neue Form. Der König würde außer Landes reisen und das Reich seinen Untertanen überlassen. Im letzten Abschnitt des vorigen Kapitels brach der Herr die natürlichen Bande mit Israel. Historisch gesehen geschah das erst am Kreuz, doch hier wird der Bruch angekündigt.
Der Heilige Geist fährt mit diesem Gegenstand weiter, indem er in einer zusammengestellten Form eine Anzahl Gleichnisse berichtet, die uns die Quelle, den Charakter, den Verlauf und den Ausgang der neuen Familie oder zumindest derer zeigen, die bekennen, zu ihr zu gehören. Das ist das Thema dieses Kapitels (W. Kelly).
Der Herr hat weitaus mehr Gleichnisse erzählt, doch nur diese sieben werden hier zusammengestellt.
Die Ankündigung des Reiches im Alten Testament: Es ist ein Reich, in dem
Gericht und Gerechtigkeit zur Entfaltung kommen werden (Jes 9,7-8)
ein König in Gerechtigkeit regiert (Jes 32,1)
Juda und Israel in Sicherheit wohnen (Jer 23,5)
die Herrschaft keinem anderen Volk überlassen wird; das Reich hat für immer Bestand und wird alle anderen Reiche vernichten (Dan 2,44)
sich die Herrschaft über alle Völker der Erde erstreckt, ohne zeitliche Begrenzung und ohne Übertragung auf einen anderen Menschen (Dan 7,14)
Einteilung
Das Gleichnis vom … | Vorkommen | Bedeutung | |
---|---|---|---|
1 | Sämann | Mt 13,3‒9.18‒23 (Mk 4,1-20; Lk 8,4-15) | Christus sät den Samen des Wortes Gottes aus ‒ Ergebnis: echte Gläubige |
2 | Unkraut unter dem Weizen | Mt 13,24‒30.36‒43 | Der Teufel sät durch seine Diener Unkraut dazwischen ‒ Ergebnis: Namenschristen |
3 | Senfkorn | Mt 13,31-32 (Mk 4,30‒32; Lk 13,18-19) | Das Christentum beginnt klein und entartet zu einem großen Baum (= weltliche Macht) |
4 | Sauerteig | Mt 13,33‒35 (Lk 13,20-21) | Eindringen falscher Lehre in die Christenheit |
5 | Schatz im Acker | Mt 13,44 | Christus ist der Kaufmann ‒ der Schatz sind die einzelnen Gläubigen |
6 | der einen Perle | Mt 13,45 | Christus ist der Kaufmann ‒ die Perle ist die Gesamtheit der Gläubigen, die Versammlung |
7 | vom Schleppnetz | Mt 13,47‒52 | In Zukunft wird es nach der Entrückung eine reiche Ernte unter dem Volk Israel und allen Völkern geben |
Vers 1
An jenem Tag ging Jesus aus dem Haus hinaus und setzte sich an den See: Der Herr nimmt nun eine völlig andere Stellung gegenüber Israel ein. Die Verkündigung gilt den Volksmengen; das war sein eigentlicher Dienst. Darum vergleicht Er sich mit einem Sämann. Er sucht nicht länger Frucht im Weinberg Israels. Nun sucht Er nicht mehr Frucht, sondern bringt sie hervor.
An jenem Tag: Der Tag von Kapitel 12.
Haus – See: Bis zu dieser Zeit war das Haus Gottes mit Israel verbunden. Es war die Wohnung Gottes. Der Herr Jesus verlässt das Haus und setzt sich an den See. Der See ist in der symbolischen Sprache der Bibel ist das Meer ein Bild von Menschenmassen, die hin und her bewegt werden und nicht unter der festgesetzten Regierung Gottes stehen.