Der Weg Gottes für den einzelnen in den Tagen des Verfalls (Verse 19 bis 22).
Vers 19: Nachdem der Apostel den schlechten Zustand, in den das Christentum fallen würde, vorausgesagt hat, gibt er uns nun Unterweisungen darüber, wie wir uns inmitten des Verfalls verhalten sollen. Bevor er damit beginnt, stellt er uns noch zwei große Tatsachen vor, um unsere Herzen zu beruhigen und zu trösten.
Erstens dürfen wir, wie groß das Versagen des Menschen auch sein mag, festhalten, dass „der feste Grund Gottes steht“. Dieser Grund ist Gottes eigenes Werk – in welcher Form dies auch sein mag -; sei es die Grundlage in der Seele des Einzelnen oder die Grundlage der Versammlung auf Erden, unter Mitwirkung der Apostel und durch das Kommen des Heiligen Geistes. Kein Versagen des Menschen kann diesen von Gott gelegten Grund beseitigen oder Gott daran hindern, das zu vollenden, was Er begonnen hat.2
Zweitens wird uns zum Trost und zur Beruhigung gesagt: „Der Herr kennt die sein sind“. Jemand hat gesagt: „Dies zu wissen ist nichts weniger als eine Vertrautheit von Herz zu Herz, eine Verbindung zwischen dem Herrn und solchen, die Sein sind“. Die Verwirrung ist so groß geworden, Gläubige und Ungläubige werden so eng beieinander gefunden, dass man, was die große Masse betrifft, nicht mehr mit Bestimmtheit sagen kann, wer dem Herrn angehört und wer nicht. Was für eine Beruhigung ist es doch unter solchen Umständen, zu wissen, dass das, was von Gott ist, nicht beiseite gesetzt werden kann, und dass solche, die dem Herrn angehören, nie verloren gehen können, wenn sie auch in der großen Masse verborgen sein mögen.
Das Werk Gottes und die, die dem Herrn angehören, werden „an jenem Tag“, auf den der Apostel im Verlauf seines zweiten Briefes an Timotheus immer wieder anspielt (Kapitel 1,12.18; Kapitel 4, 8), ans Licht kommen.
Nachdem der Knecht Gottes unsere Herzen durch den Hinweis auf das unvergängliche Wesen des Werkes Gottes und auf die Sicherheit derer, die dem Herrn angehören, getröstet hat, unterweist er nun den einzelnen, wie dieser inmitten des Verfalls der Christenheit zu handeln hat.
Nach dem Abscheiden der Apostel setzte der Verfall rasch ein und dauerte die Jahrhunderte hindurch an. Heute finden wir in der Christenheit die traurig-ernsten Zustände, die Paulus vorausgesagt hat. Zudem hat der Apostel, wie wir gesehen haben, keine Hoffnung auf eine Wiederherstellung seitens der großen Masse. Im Gegenteil, er macht uns mehr als einmal darauf aufmerksam, dass mit fortschreitender Zeit auch das Böse zunehmen wird. Nicht nur die ungöttlichen leeren Geschwätze (Kapitel 2, 16) werden fortschreiten, sondern auch böse Menschen und Betrüger werden im Bösen fortschreiten (Kapitel 3, 13), und es wird eine Zeit kommen, wo das christliche Bekenntnis die gesunde Lehre nicht mehr ertragen und die Ohren von der Wahrheit abkehren wird (Kapitel 4, 3.4).
Wenn wir also gesehen haben, dass es für die große Masse des christlichen Bekenntnisses keine Aussicht auf Wiederherstellung gibt, wie soll sich dann der Einzelne, der dem Herrn treu sein möchte, verhalten? Der Apostel greift diese tiefernste Frage auf und beantwortet sie in dem nun folgenden Abschnitt (Verse 19 bis 22). In diesem Abschnitt wird uns der Weg Gottes für den einzelnen in den Tagen des Verfalls deutlich bezeichnet.
Lasst uns als erstes beachten, dass wir nicht aufgefordert werden, das zu verlassen, was das Haus Gottes auf der Erde zu sein bekennt. Dies ist unmöglich, sonst müssten wir die Erde verlassen oder abtrünnig werden. Wir dürfen das Bekenntnis zum Christentum nicht aufgeben, weil dieses Bekenntnis in den Händen der Menschen verdorben worden ist. Wir werden auch nicht aufgefordert, dieses verdorbene Bekenntnis zu reformieren. Das Christentum als Ganzes gesehen ist unverbesserlich.
Wenn wir nun aber weder dieses Bekenntnis verlassen sollen, noch versuchen sollen, die große Masse zu reformieren, noch uns ruhig niederlassen und der Verdorbenheit durch unsere Gemeinschaft mit ihr unsere Zustimmung geben sollen, welchen Kurs sollen wir dann einschlagen?
Nachdem der Apostel unsere Herzen getröstet hat, fährt er nun damit fort, dem einzelnen Gläubigen den Weg vorzustellen, welchen Gott ihn in den Tagen des Verfalls gehen sehen möchte. Wie finster diese Tage, wie schwierig die Zeiten, wie groß das Verderben auch sein mag, wir können sicher sein, dass es in der Geschichte der Versammlung auf Erden nie eine Zeit gegeben hat und es auch nie eine Zeit geben wird, wo der Gottesfürchtige ohne Leitung für den richtigen Weg inmitten des Verfalls gelassen wird. Gott hat den Verfall vorausgesehen und Er hat in Seinem Wort für den Tag des Verfalls Vorsorge getroffen. Durch fehlende Übung mögen wir im Erkennen dieses Weges versagen; durch Mangel an Glauben mögen wir davor zurückschrecken, diesen Weg zu gehen – trotzdem ist uns der Weg Gottes klar vorgezeichnet, sowohl in den dunkelsten wie auch in den hellsten Tagen.
Wenn nun Gott für Sein Volk in den Tagen des Verfalls einen Weg vorgezeichnet hat, dann ist es klar, dass es nicht uns überlassen ist oder zusteht, für uns einen Weg auszudenken, oder uns einfach so gut, wie wir können, zu verhalten. An uns ist es, danach zu trachten, den Weg Gottes zu erkennen und darauf im Glaubensgehorsam voranzugehen, während wir uns durch die Gnade Gottes auf diesem Weg bewahren lassen.
Absonderung vom Bösen ist der erste Schritt auf dem Weg Gottes. Wenn ich auch das Böse in der Christenheit nicht verbessern kann, so bin ich doch dafür verantwortlich, selbst richtig zu stehen. Obwohl ich das Bekenntnis der Christenheit nicht aufgeben kann, kann ich mich doch tatsächlich von dem Bösen dieses Bekenntnisses absondern.
Lasst uns sorgfältig bemerken, wie oft in diesem Brief, mit verschiedenen Ausdrücken und auf unterschiedliche Art und Weise, eindringlich auf die Absonderung vom Bösen hingewiesen wird:
vermeide die ungöttlichen, leeren Geschwätze (Kapitel 2, 16);
stehe ab von der Ungerechtigkeit (Kapitel 2, 19);
sich reinigen von den Gefäßen zur Unehre (Kapitel 2, 21);
die jugendlichen Begierden aber fliehe (Kapitel 2, 22);
törichte und ungereimte Streitfragen weise ab (Kapitel 2, 23);
von diesen wende dich weg (Kapitel 3, 5).
Als erstes obliegt es also jedem, der den Namen des Herrn nennt, von der Ungerechtigkeit abzustehen (sich davon zurückzuziehen). Wir dürfen den Namen des Herrn auf keine Weise mit Bösem in Berührung bringen. Die Verwirrung und Unordnung in der Christenheit ist derart groß geworden, dass wir einerseits leicht eine Person falsch einschätzen können und meinen, dass sie nicht dem Herrn angehört, während sie doch im Herzen wahrhaft gläubig ist; aber: „Der Herr kennt die sein sind“.
Andererseits ist aber derjenige, der sich zum Herrn bekennt, verantwortlich, von der Ungerechtigkeit abzustehen. Wenn er sich weigert, das zu tun, kann er sich nicht darüber beklagen, falsch beurteilt worden zu sein. In den Tagen des Verfalls und der Unordnung genügt es nicht mehr, dass jemand den Namen des Herrn bekennt. Sein Bekenntnis muss geprüft werden. Der Prüfstein ist, ob wir uns der Autorität des Herrn unterwerfen, indem wir von der Ungerechtigkeit abstehen. In Verbindung mit Bösem zu verharren und den Namen des Herrn zu nennen, heißt, Seinen Namen mit Bösem in Berührung zu bringen.
2 Fußnote aus The Holy Bible, JND Translation, zu 2Tim 2,19: „Doch“, das griechische Wort (mentoi) bestätigt mit Gewissheit, wo Zweifel hätten aufkommen können. Das Zerstören des Glaubens hätte den Grund Gottes in Frage stellen können. Doch er bleibt fest und sicher. Spekulationen darüber, was dieser Grund Gottes ist, sind sinnlos; besonders die Spekulationen solcher, die von der unsichtbaren Kirche sprechen. Die Kirche ist gegründet, sie ist ein Bauwerk, nicht eine Grundlage. Hier ist es einfach ganz abstrakt der Grund Gottes.↩︎