Der Pfad des Gottesfürchtigen in den Tagen des Verfalls
Der in den Gedanken Gottes unterwiesene Gläubige kann nicht anders als zugestehen, dass das, was in der Versammlung Gottes vor den Augen der Menschen geschieht, keine Ähnlichkeit mehr mit der Versammlung Gottes hat, wie sie in der Schrift vorgestellt wird. Dieses schlimme Abweichen von dem Wort Gottes zeigt deutlich, dass die Absicht Gottes mit der Versammlung während ihres Aufenthaltes in einer Welt, von welcher Christus abwesend ist, zerstört worden ist. Manche wollen doch tatsächlich leugnen, dass wir in den Tagen des Verfalls leben. Es ist daher von höchster Wichtigkeit, deutlich zu verstehen, was gemeint ist, wenn wir von dem Verfall der Versammlung sprechen.
Wir müssen uns vor Augen halten, dass die Versammlung in der Schrift von zwei Seiten gesehen wird. Einerseits wird sie den Ratschlüssen Gottes entsprechend vorgestellt, andererseits wird sie in Verbindung mit der Verantwortlichkeit des Menschen gesehen. In dem ersten Aspekt wird sie in der Schrift vorgestellt als gegründet auf Christus, den Sohn Gottes (Mt 16,16-18), bestehend aus allen wahren Gläubigen (2Pet 2,5), und dazu bestimmt, vor Christus verherrlicht dargestellt zu sein, ohne Flecken oder Runzel oder etwas dergleichen (Eph 5,27). In dieser Hinsicht ist sie das Ergebnis des eigenen Werkes Christi, und die Pforten des Hades werden sie nicht überwältigen. Kein Verfall kann das Werk Christi angreifen oder die ewigen Ratschlüsse Gottes bezüglich Christus und Seiner Versammlung beiseite setzen.
Der zweite Aspekt, unter dem die Versammlung gesehen wird, ist ihre Stellung als verantwortliches Zeugnis für Christus während der Zeit Seiner Abwesenheit, und um die Gnade Gottes einer bedürftigen Welt gegenüber darzustellen. Aber ach! Die Versammlung hat in der Ausübung ihrer Verantwortlichkeit vollständig versagt. Durch Mangel an Abhängigkeit von dem Herrn an Unterwerfung unter den Geist und an Gehorsam Seinem Wort gegenüber ist das Volk Gottes zerteilt und zerstreut worden; und der Mangel an Wachsamkeit hat zu einem weit ausgedehnten Bekenntnis geführt, welches Gläubige und Ungläubige mit einschließt.
Das Ergebnis davon ist, dass das, was sich der Welt als Versammlung darstellt, weit davon entfernt ist, die Herrlichkeit Christi darzustellen es ist eine Leugnung der Natur, der Liebe, der Heiligkeit und der Zuneigungen Christi. Folglich ist auf Erden das Zeugnis der Versammlung verdorben. Schon die Tatsache, dass wir von einer bekennenden Versammlung, die sichtbar ist, und von einer geistlichen Versammlung, die aus allen wahren Gläubigen besteht und unsichtbar ist, reden, zeigt, wie vollständig der Verfall ist.
Wenn wir also davon reden, dass wir in einer Zeit des Verfalls leben, meinen wir, dass unser Los in eine Zeit gefallen ist, in der das Zeugnis der Versammlung für einen abwesenden Christus verdorben ist. Wir haben in den Sendschreiben an die sieben Versammlungen in der Offenbarung einen prophetischen Überblick über die Geschichte der Versammlung auf der Erde, gesehen in ihrer Verantwortung als Zeugnis für Christus. In diesen Sendschreiben wird uns mit göttlicher Genauigkeit durch den Herrn selbst das fortschreitende Versagen der Versammlung in ihrer Verantwortlichkeit vorgestellt. Es beginnt mit dem Verlassen der ersten Liebe und endet mit einem für Christus so ekelhaften Zustand, dass Er es schließlich aus Seinem Mund ausspeien wird.
Die Schrift gibt uns jedoch auch Licht über den Tag des Verfalls hinaus. In diese zweiten Brief an Timotheus haben wir nicht nur die Ankündigung des Ruins, sondern der Heilige Geist gibt durch den Apostel Paulus sehr deutliche Hinweise, wie der Gottesfürchtige zu handeln hat, wenn der Verfall eingetreten ist. Wie finster der Tag auch sein mag, wie groß der Verfall auch sein mag, das Volk Gottes ist nicht ohne sittliche Anleitung gelassen worden. Die Barmherzigkeit Gottes hat für Sein Volk einen Weg für den Tag des Verfalls bezeichnet. Es mag bei uns mangeln an unserem Glauben an Gott und an unserer Hingabe an Christus, die absolut notwendig sind, um diesen Weg auch gehen zu können – trotzdem ist dieser Weg im Wort Gottes für den Glaubensgehorsam aufgezeichnet.
Wir kommen also zu der Schlussfolgerung, dass zwei Dinge notwendig sind, um in verständiger Weise den Weg Gottes inmitten des Verfalls gehen zu können. Als erstes ist es unbedingt erforderlich, eine gewisse Kenntnis von den Lehren des Apostels Paulus zu haben (die ebenso die Wahrheit von dem Evangelium wie auch die Wahrheit von der Versammlung umfassen); zweitens muss der richtige geistliche Zustand vorhanden sein. Ohne ein wenig Kenntnis über die Versammlung, wie sie in der Schrift vorgestellt wird, wird es unmöglich sein, sich des ganzen Ausmaßes des Verfalls bewusst zu werden; und ohne den richtigen geistliche Zustand wird der Gläubige schwerlich darauf vorbereitet sein, den von Gott bezeichneten Weg inmitten des Ruins zu gehen.
Paulus setzt offenbar voraus, dass der Empfänger seines Briefes mit seiner Lehre gut vertraut ist. Im ersten und im zweiten Kapitel weist er auf die Dinge hin, die Timotheus von ihm gehört hatte (Kapitel 1, 13; 2, 2), und im dritten Kapitel sagt er: „Du aber hast genau erkannt meine Lehre. . . “ (Kapitel 3, 10). In diesem zweiten Brief an Timotheus gibt es daher keine lehrmäßige Entwicklung von der Wahrheit von der Versammlung. Diese Wahrheit wird von dem Apostel in seinen Briefen an die Epheser und an die Kolosser, im ersten Brief an die Korinther und im ersten Brief an Timotheus vollständig vorgestellt.
In diesem zweiten Kapitel des zweiten Briefes an Timotheus wird der Weg Gottes für uns in den Tagen des Verfalls, sowie der notwendige geistliche Zustand, um diesen Weg auch gehen zu können, entwickelt. Wenn wir den Wunsch haben, den Gedanken Gottes in diesen Tagen des Niedergangs zu entsprechen, tun wir gut daran, diesen wichtigen Abschnitt unter Gebet zu studieren.
Die Belehrungen und Wahrheiten dieses Kapitel können in der folgenden Anordnung betrachtet werden:
1. Der notwendige geistliche Zustand für uns, um den Weg Gottes inmitten des Versagens des Christentums erkennen und gehen zu können (Verse 1 bis 13);
2. eine kurze Darstellung des Verlaufes des Bösen, das zu der Verdorbenheit des Christentums geführt hat (Verse 14 bis 18);
3. die Hilfsquellen für den Gottesfürchtigen, und der Weg Gottes für den einzelnen inmitten des Verfalls (Verse 19 bis 22);
4. die Gesinnung, in welcher solchen zu begegnen ist, die gegen den Weg Gottes Widerspruch erheben (Verse 23 bis 26)
5. der notwendige geistliche Zustand, um in den Tagen des Verfalls den Weg Gottes gehen zu können (Verse 1 bis 13)
Vers 1: Die erste große Notwendigkeit in den Tagen der Schwachheit ist geistliche Gnade. Deshalb auch die Aufforderung in dem einleitenden Vers, stark zu sein in der Gnade, die in Christus Jesus ist. Der aufkommenden Flut des Bösen entgegenzustehen, auf dem von dem Herrn für die Seinen bezeichneten Weg inmitten des Verderbens des Christentums zu gehen und trotz des Versagens, des Widerstandes und des Verlassenwerdens unerschütterlich auf diesem Weg voranzugehen bedarf großer Gnade – der Gnade, die in Christus Jesus ist.
Wie groß der Widerstand gegen den Weg Gottes auch sein mag, welche Schwierigkeiten beim Verharren auf diesem Weg auch auftreten mögen, welche Versuchungen es auch geben mag, um den Gläubigen von diesem Weg abzuziehen – es ist zur Genüge Gnade des Herrn vorhanden, um ihn zu befähigen, alle Widerstände zu überwinden, sich über alle Schwierigkeiten zu erheben, allen Versuchungen zu widerstehen, und Seinem Wort zu gehorchen und Seinen Gedanken zu entsprechen. Es hat jemand gesagt: „Wie groß die Bedürfnisse auch sein mögen, Seine Fülle ist immer gleich, unvermindert, zugänglich und frei“. Geistliche Gnade ist das erste Erfordernis für „treue Leute“ in Tagen der Untreue.
Darüber hinaus ist die Gnade, von der der Apostel hier spricht, mehr als nur eine gnädige Gesinnung. Es deutet darauf hin, dass von dem Zeitpunkt des Anfangs der Versammlung auf Erden bis zu dem letzten Tag ihres Hierseins jede Hilfsquelle in dem auferstandenen und erhöhten Christus zu finden ist. Diese Hilfsquellen befähigen den Menschen Gottes, sein Leben des Zeugnisses und des Dienstes beizubehalten, ohne auf die Hilfsmittel des Menschen zurückzugreifen, die von so vielen in den Tagen des Abweichens angenommen worden sind. Beim Schreiben an die Korinther kann der Apostel Gott danken „für die Gnade Gottes, die euch gegeben ist in Christus Jesus“ und sogleich zeigt er, dass diese Gnade das „Wort der Lehre“, die „Erkenntnis“ und die „Gnadengabe“ ist, womit sie in Christus reich gemacht worden waren (1Kor 1,4-7).
Jede Ermahnung in diesem Kapitel wird unser Bewusstsein des Bedürfnisses dieser Gnade, die in Christus Jesus ist, nur vertiefen, wenn wir wirklich den Gedanken Gottes gehorchen wollen.