Behandelter Abschnitt 2Thes 2,3-4
„Lasst euch von niemand auf irgendeine Weise verführen, denn dieser Tag kommt nicht, es sei denn, dass zuerst der Abfall komme und offenbart werde der Mensch der Sünde, der Sohn des
Verderbens, der widersteht und sich erhöht über alles, was Gott heißt oder verehrungswürdig ist, so dass er sich in den Tempel Gottes setzt und sich selbst darstellt, dass er Gott sei“ (2,3.4).
Es ist von größter Wichtigkeit, zu verstehen, dass die Schrift klar unterscheidet zwischen dem Kommen des Herrn in der Luft für seine Heiligen und seiner späteren Erscheinung mit seinen Heiligen. Dieses Kapitel handelt von dem Zeitraum zwischen diesen beiden großen Ereignissen, mit denen so viele Prophezeiungen sich befassen, sei es im Alten Testament, sei es durch die prophetischen Reden des Herrn selbst oder in anderen Prophezeiungen im Neuen Testament.
Diese Zeitspanne wird von unserem Herrn in Matthäus 24,3 die „Vollendung des Zeitalters“ genannt. Es muss beachtet werden, dass die „Vollendung des Zeitalters“ nicht das Ende der Zeit des Christentums bedeutet, die mit der Entrückung enden wird. Die „Vollendung des Zeitalters“, von der der Herr spricht, ist das Ende des jüdischen Zeitalters und nicht das Ende der christlichen Phase. Diese Zeitspanne beinhaltet die letzte noch nicht erfüllte Woche von Daniels siebzig Jahrwochen. Es ist, so wie es jemand formuliert hat, „das abgeschnittene Stück des jüdischen Zeitalters“.
Genau zu diesem Zeitalter gehört der Tag des Herrn. Viele Missverständnisse hätten vermieden werden können, wenn man die wahre Bedeutung des Ausdrucks „das Ende“ oder „die Vollendung des Zeitalters“ richtig verstanden hätte. Die falsche Deutung, dass sich diese Zeit auf das Ende der Gnadenzeit beziehe, hat viele dazu verleitet, „nach Zeitangaben und Berechnungen zu forschen, was immer wieder zu großer Enttäuschung von Tausenden zu verschiedenen Zeiten geführt hat“ (F.W. Grant).
Der Zeitraum zwischen der Entrückung und der Erscheinung ist eine der wichtigsten Phasen in der Weltgeschichte. Das herausragende Kennzeichen dieser Zeit ist die Entwicklung der Bosheit des Menschen, während es die Macht Gottes, die dem Bösen entgegenwirkt, nicht mehr geben wird. Aus diesem Grund wird diese Zeit notwendigerweise sehr kurz sein, denn wenn Gott alle Hemmnisse für das Böse hinweggenommen hat, dann wird sich die menschliche Bosheit mit erschreckender Geschwindigkeit ausbreiten. Dieses Überhandnehmen der menschlichen Gesetzlosigkeit ist die Vorbereitung für das Erscheinen des Herrn zum Gericht. Die Notwendigkeit des Gerichts wird dadurch offenbar. Es wird aber auch die Gerechtigkeit des Herrn in der Ausübung des Gerichtes sichtbar.
Der Apostel gibt in diesem Abschnitt viel Licht über diese ernste Zeit. Zuerst zeigt er, dass diese Phase nicht vor der Ankunft des Herrn Jesus für die Gläubigen und vor „unserem Versammeltwerden zu ihm hin“ beginnen kann. Die Unterscheidung dieser beiden Ereignisse reicht aus, um der falschen Lehre, die sie beunruhigte, zu begegnen und sie zu widerlegen.
Aber es gibt weitere Ereignisse, die noch vor dem Tag des Herrn stattfinden werden. So fährt der Apostel fort indem er sagt: „Lasst euch von niemand auf irgendeine Weise verführen, denn dieser Tag kommt nicht, es sei denn, dass zuerst der Abfall komme und offenbart werde der Mensch der Sünde, der Sohn des Verderbens.“ Hier werden zwei weitere Ereignissen, die vor dem Tag des Herrn stattfinden, angesprochen. Auf das „Versammeltwerden“ der Heiligen zu Christus in den Himmel folgt der Abfall der Christenheit auf der Erde. Dieser Abfall bereitet den Weg für die Offenbarung des Menschen der Sünde.
In Bezug auf den Abfall werden wir schon in anderen Schriftstellen gewarnt, denn je näher wir diesem schrecklichen Tag kommen, umso mehr werden Schatten des kommenden Abfalls kommen und den Abfall ankündigen. Wir lesen: „Der Geist aber sagt ausdrücklich, dass in späteren Zeiten einige von dem Glauben abfallen werden, indem sie achten auf betrügerische Geister und Lehren von Dämonen . . . “ (vgl. 1Tim 4,1-3).
Während einzelne Menschen schon jetzt abfallen können, so wird doch „der Abfall“ selbst erst nach der Entrückung der wahren Gläubigen sein. Auf die Entrückung folgt der Abfall der verdorbenen bekennenden Christenheit. So wird auf das Versammeltwerden der Heiligen mit Christus im Himmel der Abfall der bekennenden Christenheit auf der Erde folgen. Leider ist es sehr offensichtlich, wie schnell sich die Christenheit diesem Abfall nähert. Der Modernismus mit seinem Rationalismus, die fälschlich sogenannte Kenntnis mit ihren gottlosen und selbstsicheren Spekulationen, der Aberglaube mit seinen kindischen Ritualen: Alles das bereitet die Menschen vor, das äußere Bekenntnis abzuschütteln, dessen lebendige Wirklichkeit sie nicht erlebt haben.
Der Abfall wird den Weg ebnen für das Offenbarwerden des Menschen der Sünde. Der Vergleich dieser Schriftstelle mit anderen führt zu dem Schluss, dass die Person, von der hier als dem Menschen der Sünde gesprochen wird, der Antichrist ist, von dem der Apostel Johannes schreibt, und auch der, der als das zweite Tier in Offenbarung 13,11–18 beschrieben ist. Dieser gottlose Mensch wird nur im Johannesbrief Antichrist genannt. So wie der Apostel Paulus uns warnt vor dem Abfall Einzelner, der vor dem Abfall der Allgemeinheit sein wird, so kündigt der Apostel Johannes das Auftreten von antichristlichen Lehrern an, die vor dem Erscheinen des Antichristen auftreten werden (1Joh 2,18).
Der Antichrist darf nicht verwechselt werden mit dem gotteslästernden Anführer des wiederau- ferstandenen Römischen Reichs, der in Offenbarung 13,1–10 das „erste Tier“ genannt wird. Der Antichrist verkörpert den religiösen Eifer und Widerstand gegen Christus. Das wiederbelebte Haupt des Römischen Reiches wird der Anführer der bösen öffentlichen Regierung sein. Der eine wird die böse religiöse Macht verkörpern, der andere wird die böse weltliche Macht verkörpern. Beide Regierungsmächte werden durch satanische Mächte erfüllt sein und das gleiche schreckliche Ende finden (Off 13,2; 2Thes 2,9; Off 19,20).
Der Apostel Johannes zeigt, dass der religiöse Widerstand des Antichristen sowohl jüdische als auch christliche Merkmale aufweist. Der Antichrist wird die biblische Offenbarung des Vaters und des Sohnes leugnen und gleichzeitig auch die Tatsache leugnen, dass Jesus der den Juden verheißene Messias ist.
Der Apostel Paulus zeigt in diesem Brief weitere Einzelheiten des Charakters und der Taten dieses schrecklichen Menschen. Hier wird er als „Mensch der Sünde“ bezeichnet, denn in ihm wird deutlich, wohin es führt, wenn ein Mensch nach seinem eigenen Willen lebt, ohne von Gott oder Menschen zurückgehalten zu werden. Wie in dem Fall Judas wird er „Sohn des Verderbens“ genannt, denn so wie Judas ein Verräter in der so bevorrechtigten Jüngerschar war, die den Herrn begleitete, genauso wird dieser Mensch aus den Reihen der bekennenden Christen hervorkommen. Beide Menschen sind für das Verderben oder die völlige Vernichtung bestimmt (Joh 17,12).
Was die Aktivitäten dieses bösen Mannes angeht, so drücken sie eher religiösen Frevel als böse Herrschaft aus, da er Gott verachtet und die Menschen verführt. Er „widersteht und erhöht sich über alles, was Gott heißt oder verehrungswürdig ist“. In diesem Menschen wird die ganze Feindschaft des menschlichen Herzens gegen Gott sichtbar, was die Folge der Sünde ist. Mehr noch: Der, der Gott versucht zu entthronen, setzt alles daran, sich selbst zu erhöhen. Darum lesen wir, dass der Mensch der Sünde nicht nur Gott widersteht, sondern sich selbst erhebt. So grenzenlos ist der Stolz des Menschen, dass er versucht, den Menschen „über alles, was Gott heißt oder verehrungswürdig ist“ zu erhöhen.
Außerdem fordert dieser fürchterliche Mensch den Gott Israels heraus, „so dass er sich in den Tempel Gottes setzt“ und danach strebt, allen Glauben an den einen unsichtbaren Gott auszurotten, indem er „sich selbst darstellt, dass er Gott sei“. Jemand hat es so ausgedrückt: „Somit konzentriert sich in diesem Menschen der Sünde die ganze Macht der Sünde, die ganze Feindschaft des menschlichen Herzens gegenüber Gott, der ganze Stolz, der sich selbst erhöht, die ganze Mißachtung des menschlichen Herzens in Bezug auf jede Offenbarung Gottes, sowohl in der Natur und im Judentum als auch im Christentum. Dieser Mensch hat Gott von der Erde ausgeschlossen und gibt sich selbst in seiner Arroganz den Platz und die Ehre, die allein Gott gebühren“.