Behandelter Abschnitt Hag 1,2-4
Hag 1,2-4: So spricht der Herr der Heerscharen und sagt: Dieses Volk spricht: Die Zeit ist nicht gekommen, die Zeit, dass das Haus des Herrn gebaut werde. Und das Wort des Herrn erging durch den Propheten Haggai, indem er sprach: Ist es für euch selbst Zeit, in euren getäfelten Häusern zu wohnen, während dieses Haus wüst liegt?
Die Geschichte jener Zeit, wie sie uns im Buche Esra berichtet wird, stellt uns als Ursache des Stillstandes beim Bauen des Hauses die Widersacher vor. Bezüglich des Zustandes des Volkes wird jedoch geschwiegen. Der Prophet Haggai erwähnt die Widersacher nicht, jedoch legt er sogleich den tiefen moralischen Zustand des Überrestes bloß. Geschichte befasst sich mit Ereignissen; Prophetie jedoch mit dem moralischen Zustand, der den Taten des Volkes Gottes zugrunde liegt.
Wenn wir allein aufgrund der Geschichte urteilen, so könnten wir zum Schluss kommen, dass der Bau des Hauses durch die Widersacher gestoppt oder verhindert wurde. Aufgrund des Wortes Gottes durch den Propheten lernen wir, dass die wahre Ursache beim Volk gefunden wird. Deshalb beginnt die Botschaft mit den Worten: „Dieses Volk spricht: Die Zeit ist nicht gekommen, die Zeit, dass das Haus des Herrn gebaut werde.“ Während zwölf Jahren hatten sie dieses eine Werk, wozu sie aus Babylon befreit wurden, eingestellt. Sie versuchten, ihr
Versagen zu entschuldigen, indem sie sagten, „die Zeit ist nicht gekommen“, um das Haus Gottes zu bauen.
Wie oft, leider!, könnte heute dieselbe Entschuldigung vorgebracht werden. Wir könnten versucht sein zu sagen: Alle haben versagt und die Versammlung ist zerstört, und weil die Zeit der Wiederherstellung aller Dinge durch das Kommen Christi noch nicht gekommen ist, so müssen wir die moralische Verwirrung, die kennzeichnend für die Christenheit ist, ruhig übersehen und unsere Augen vor den Unregelmäßigkeiten und Abweichungen der geistlichen Ordnung des Hauses Gottes schließen.
Wenn wir jedoch so sprechen, so appelliert Gott wie einst an sein irdisches Volk auch an uns mit der herzerforschenden Frage: „Ist es für euch selbst Zeit, in euren getäfelten Häusern zu wohnen, während dieses Haus wüst liegt?“ (Hag 1,4). Was auch immer für Entschuldigungen vorgebracht werden mögen, dass es eine ungelegene Zeit sei, so lernen wir doch, dass der wahre Grund für die Gleichgültigkeit in der Ausführung der Grundsätze des Hauses Gottes in der Beschäftigung mit unseren eigenen Dingen gefunden wird. Sogar in den Tagen des Apostels lesen wir von Gläubigen, „alle suchen das Ihrige, nicht das, was Jesu Christi ist“ (Phil 2,21). Es hat jemand gesagt: „Es besteht eine nicht zu umgehende Alternative, nämlich, dass wir entweder mit den Dingen des Herrn oder mit unseren eigenen Dingen beschäftigt sein müssen.“
Menschen mögen das Ihrige suchen, indem sie sich dem „Sinnen nach irdischen Dingen“ hingeben. Doch nebst dem Fallstrick der Weltförmigkeit und der irdischen Gesinnung können wir das Unsrige auch suchen, indem wir unsere Gedanken und Aktivitäten ausschließlich auf die persönliche Segnung von Seelen beschränken und dabei die großen Wahrheiten bezüglich Christus und der Versammlung völlig vernachlässigen, wodurch wir dann nachlassen, in Übereinstimmung mit den Grundsätzen des Hauses Gottes zu wandeln. Dies war bereits schon während der Tage des Apostels Paulus eine große Gefahr, denn er konnte von dem „großen Kampf“ schreiben, den er hatte, damit die Gläubigen in das Geheimnis Gottes eintreten würden. In unseren Tagen, wo die Wahrheit über die Versammlung wiederentdeckt worden ist, besteht wieder die beständige Gefahr, diese Wahrheiten aufzugeben und sich allein mit evangelistischer Tätigkeit zu begnügen, ohne dabei dieses Geheimnis zu berücksichtigen. Es ist möglich, dass wir evangelistisch sehr aktiv sind, was in der religiösen Welt zu unserem Stolz dienen könnte, aber wenig oder keine Schmach mit sich bringen würde. Doch die Wahrheiten über die Versammlung aufrechtzuerhalten und im Licht dieser Wahrheit zu handeln, wird sogleich Schmach und Kampf nach sich ziehen. Unser natürlicher Hang nach Bequemlichkeit wird vor einem solchen Kampf zurückschrecken, mit der Folge, dass wir durch Mangel an Glauben in Gefahr geraten, lediglich eine Evangeliumsmission zu werden und dabei all die Wahrheiten, die durch Gottes Gnade wiederentdeckt worden sind, aufzugeben.