Behandelter Abschnitt Neh 2,11-16
Es ist bemerkenswert, dass, wenn Zeitperioden (Haushaltungen) ihrem Ende entgegen gehen, es immer weniger ein öffentliches Eingreifen vonseiten Gottes gibt. Als die 600‘000 Israeliten mit ihren
Familien von Ägypten nach Kanaan zogen, begleitete sie die Wolke bei Tag und die Feuersäule des Nachts; und jede Etappe dieser erstaunlichen Reise war gekennzeichnet durch wunderbares Eingreifen Gottes. Ganz anders ist es in den Tagen Serubbabels, Esras und Nehemias. Auch sie unternehmen ihre verschiedenen Reisen durch die Wüste vom Land der Gefangenschaft zum Land Jehovas, aber keine sichtbare, überschattende Wolke schützt sie bei Tag, noch erleuchtet eine Feuersäule des Nachts ihren Weg. Sie müssen zufrieden sein, die normalen Reisemittel, die jene Zeit und jenes Land zur Verfügung stellten, benützen zu können.
Ausserdem werden die äusseren Zustände mit der Zeit immer schwächer. Serubbabel führt eine ansehnliche Menge von 47 000 zurück; bei Esra sind es nur noch 1800, und jetzt muss Nehemia bereit sein, allein zu reisen. Wenn in seinen Tagen jemand der Gefangenschaft entrann, so war es als einsamer Einzelner. Und doch, wenn es kein äusserliches, direktes Eingreifen Gottes mehr gibt, wenn die Zustände schwach sind, wird dies zu einer grösseren Gelegenheit, den Glauben zu üben. Daher sehen wir, wie der Glaube heller leuchtet, wenn die Tage dunkler werden.
Nachdem Nehemia in Jerusalem angekommen ist, wartet er drei Tage. Er hat ein grosses und ernstes Werk vor sich, er will nichts überstürzen, noch übermässige Eile an den Tag legen. Er steht im Begriff, von dem Elend des Volkes Gottes und dem zerstörten Zustand Jerusalems zu zeugen. Er will das Volk Gottes zu Taten aufrütteln und sie in ihrer Arbeit anleiten. Aber er muss zuerst für sich selbst von der Verwüstung überzeugt sein, damit er im Geist des vollkommenen Dieners zeugen kann, der in einer späteren Zeit sagen konnte: „Wir reden was wir wissen, und bezeugen was wir gesehen haben.“
So kam es, dass Nehemia des Nachts aufstand und wenige Männer mit ihm. Und ohne andere darüber zu benachrichtigen, was Gott ihm ins Herz gegeben hatte zu tun, geht er seinen Weg durchs Taltor hinaus. Von verschiedenen Punkten aus besichtigt er „die Mauern von Jerusalem, welche niedergerissen, und ihre Tore, die vom Feuer verzehrt waren“. Er will sich selbst vertraut machen mit dem Ausmass der Zerstörung. Er verfolgt seinen Mitternachtsritt bis es kein Durchkommen mehr gibt. Wenn das natürliche Herz mit einer solchen Verwüstung konfrontiert wird, mag es wohl den Schluss ziehen, dass der Fall hoffnungslos ist, ausserhalb des Bereichs menschlicher Möglichkeiten, den Schaden zu beheben.
Für Menschen als solche war es tatsächlich hoffnungslos. Aber Gott hatte es ins Herz Nehemias gegeben, dieses Werk zu unternehmen, und Gott kann einen Menschen befähigen, das auszuführen, was Er ihm ins Herz gibt zu tun. Das Geheimnis der Kraft Nehemias war die Gewissheit, dass Gott ihm den Auftrag zu diesem Werk gegeben hatte. Es war nicht nötig, mit jemandem zu beraten über einen Auftrag, den Gott ihm zur Ausführung gegeben hatte. Menschliche Ratschläge konnten Gott nichts hinzufügen; sie hätten Nehemia eher schwächen und entmutigen können. Die Menschen würden ihm wohl gesagt haben, es sei klüger, die Sache in Ruhe zu lassen. Indem er auf die Verwüstung sehe, mache er nur sich selbst unglücklich und durch den Versuch, die Mauer wieder aufzubauen, würde er Unruhe unter dem Volk Gottes stiften und Feindschaft wider sie heraufbeschwören. Deshalb unternahm Nehemia seinen Ritt im Geheimen, bei Nacht, um sich vertraut zu machen mit der Verwüstung Jerusalems. Weder die Vorsteher noch das Volk wussten, wohin er ging und was er tat (V. 11 – 16).