Behandelter Abschnitt Heb 2,10-15
Abschnitt 2 (Heb 2,10-18): Der zweite Abschnitt bringt uns zum Kern der zweiten Teils. Hier wird das Werk des Herrn als Erlöser näher beleuchtet.
Es ist nötig, dass derjenige, der von Sünden erlöst, zunächst leidet. Macht allein reicht nicht aus, um zu erlösen. Es gibt Voraussetzungen auf Seiten Gottes, die erfüllt sein müssen, damit göttliche Macht hervorkommen kann. Deshalb heißt es hier: „Es geziemte ihm, um dessentwillen alle Dinge und durch den alle Dinge sind“, der also der Ursprung und das Ziel aller Dinge ist, „indem er viele Söhne zur Herrlichkeit brachte, den Urheber (o. Fürst, Anführer) ihrer Errettung durch Leiden vollkommen zu machen“. Der moralische Zustand der Söhne, die er zur Herrlichkeit brachte, erforderte eine Bestrafung. Die göttliche Liebe hatte das Ziel, Söhne zur Herrlichkeit zu bringen, doch die Heiligkeit Gottes musste ebenfalls gerechtfertigt werden. Deshalb musste er nicht, was seine herrliche Person betrifft, vollkommen gemacht werden. Doch er musste die erforderlichen Voraussetzungen erfüllen, um der Retter anderer zu sein.
Nun tritt der Löser in den Vordergrund. „Denn sowohl der, der heiligt, als auch die, die geheiligt werden, sind alle von einem; um welcher Ursache willen er sich nicht schämt, sie Brüder zu nennen“. Hier steht der Herr als der „Erstgeborene unter vielen Brüdern“ vor uns. Der Zusammenhang zeigt, dass „von einem“ oder „aus einem“ hier „aus dem Vater“ bedeutet. Dennoch gibt es einen Unterschied zwischen Ihm und uns. Wer diesen Unterschied beachtet, erkennt, dass es wirklich göttliche Liebe in ihm ist, die Ihn „Brüder“ wie diese erkennen und auch so anreden lässt. Er ist der Sohn Gottes, sie sind nur Menschen. Er ist derjenige, der heiligt, sie sind geheiligt. Dennnoch schämt er sich ihrer nicht. Nach und nach wird er sie in sein Bild Bild verwandeln, sodass sie für immmer die passenden Genossen seines Herzens sein werden.
Diese Gedanken sind so neu und ungewöhnlich, dass der Apostel zum Beweis drei verschiedene Schrifstellen des Alten Testaments anführt. Zuerst zitiert er aus Psalm 22. Nachdem das Sündopfer vollbracht und der Leidende von den Hörnern der Büffel erhört worden war, sagt er: „Ich will deinen Namen meinen Brüdern kundtun; inmitten der Versammlung will ich dir lobsingen.“ Das Evangelium von Johannes zeigt uns die Erfüllung dieser Ankündigung. Die beiden anderen Zitate stehen im Propheten Jesaja direkt nebeneinander (Jes 8,17-18).
In diesen Versen personifiziert Jesaja den, der kommen würde. Die Übersetzung: „Ich will mein Vertrauen auf ihn setzen“ stammt aus der Septuaginta, während im Propheten Jesaja übersetzt wird: „Ich will auf ihn hoffen.“ In beiden Fällen zeugt diese Aussage von dem Vertrauen auf Gott, das in vollkommener Weise in Christus war und das ihn zum „Anführer und Vollender des Glaubens“ machte. Er gab in seiner eigenen Person des vollkommene Beispiel für Glauben. Dies führte in praktischer Weise dazu, dass diejenigen aus der Familie des Glaubens seine „Brüder“ wurden.
Das dritte Zitat formuliert dieselbe Wahrheit auf andere Weise. Auf den ersten Blick sieht es so aus, als ob nicht dasselbe gemeint wäre. Die Aussage: „Siehe, ich und die Kinder, die Gott mir gegeben hat“ scheint sich auf das Verhältnis eines Vaters zu seinen Kindern zu beziehen. In Jesaja ist das auch tatsächlich der Fall. Doch hier bezieht sie sich auf Christus als den letzten Adam und liefert ein wichtiges Glied in der Beweiskette. Als der letzte Adam ist er das Haupt derjenigen, für die er sein Leben hingegeben hat. Der erste Adam war aufgrund des Lebens, das er seinen Nachkommen weitergab, der Erstgeborene unter seinen Brüdern. Ebenso ist Christus der Erstgeborene unter den Brüdern, denen er als lebendig machender Geist das göttliche Leben geschenkt hat.
Der Brief berührt hier thematisch des Johannesevangelium. Dort betet der Herr zu seinem Vater: „. . . so wie du ihm Gewalt gegeben hast über alles Fleisch, damit er denen, die du ihm gegeben hast, ewiges Leben gebe.“ Doch zuvor musste das Weizenkorn in die Erde fallen und sterben, damit es viel Frucht bringt. Im vorliegenden Abschnitt zeigt Paulus sogar, dass Er Fleisch angenommen hat, um zu sterben: „Weil nun die Kinder Blutes und Fleisches teilhaftig sind, hat auch er in gleicher Weise daran teilgenommen, damit er durch den Tod den zunichtemachte, der die Macht des Todes hat, das ist den Teufel, und alle die befreite, die durch Todesfurcht das ganze Leben hindurch der Knechtschaft unterworfen waren.“
In dieser Stelle geht es nicht um die Vergebung der Sünden, obwohl sie vorausgesetzt wird. Hier wird der Todesschatten vertrieben, indem das Licht des Lebens in ihn hinabsteigt. In dieser Weise hatte der Herr im Johannesevangelium von der Wirkung seines Kommens als Auferstehung und Leben gesagt: „Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt“ – das betrifft die Vergangenheit –, „und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird nicht sterben in Ewigkeit.“ Der Tod war – in der Vergangenheit. Für den Glauben hat er ihn „zunichtegemacht, aber Leben und Unverweslichkeit ans Licht gebracht durch das Evangelium“ (2Tim 1,10).