Behandelter Abschnitt Gal 6,9-10
„Lasst uns aber nicht müde werden, Gutes zu tun, denn zu seiner Zeit werden wir ernten, wenn wir nicht ermatten. Also nun, wie wir Gelegenheit haben, lasst uns das Gute wirken gegenüber allen, am meisten aber gegenüber den Hausgenossen des Glaubens“ ( Gal 6,9-10).
Als die Galater das Evangelium zum ersten Mal gehört hatten (4,15), lag solch ein Segen darauf, dass keine Selbstaufgabe zu groß erschien, wodurch sie ihre Wertschätzung ihm gegenüber bezeugten. Doch als sie denen zuhörten, die das Evangelium verkehrten, und ihre Wahrnehmung seiner reichen Gnade verblasste, setzte Ermüdung ein. Sie wurden besorgt um Gebote und ihre eigene Errettung, und ermatteten so im Tun guter Werke.
Sie hatten es nötig, die großartigen Lehren der Gnade aufs Neue vorgestellt zu bekommen, um ihren früheren Eifer wieder aufleben zu lassen. Die Schrift genauso wie die Erfahrung zeigen die Neigung des Gläubigen, seine „erste Liebe [zu] verlassen“ (Off 2,4). Wenn das Licht des Evangeliums erstmals seine Seele erleuchtet, dann ist dies so gesegnet, dass kaum etwas ihm als ein Opfer erscheint. Er kennt wenig von den tödlichen Einflüssen überall um ihn herum, oder von der Bosheit seines eigenen Herzens; und Ermüdung im Gutestun stellt sich ein. Unser Apostel zeigt uns an anderer Stelle die Notwendigkeit der wiederholten Anwendung der Lehren der Gnade auf Herz und Gewissen, um „gute Werke zu betreiben“ (Tit 3,4-8). Wir mögen in unseren Erwartungen für die Gegenwart enttäuscht werden, doch „zur bestimmten Zeit werden wir ernten, wenn wir nicht ermatten“.
Selbst das Werk des Herrn selbst schien „umsonst“ zu sein (Jes 49,4) – doch es schein nur so. Er war nicht entmutigt, und jetzt, wo die „bestimmte Zeit“ gekommen ist – was für eine überreiche Ernte wird eingesammelt aus dem einen Weizenkorn, das in die Erde gefallen und gestorben ist (Joh 12,24). Der Dienst des Apostels Paulus schien in Misserfolg zu enden (2Tim 1,15), doch wir sind heute Zeugen, dass seine Arbeit im Herrn nicht vergeblich war, denn wir erhalten Kraft, Trost und Erquickung aus seinen Schriften. „Lasst uns aber nicht müde werden, Gutes zu tun.“ Dies ist unsere Zeit der „Gelegenheit“.
Im Himmel werden wir keine Kranken zu besuchen, keine Witwen und Waisen zu trösten und keine Gefallenen zurückzugewinnen haben. Unsere Herzen sollten sich allem menschlichen Leid zuwenden, denn unser himmlischer Vater „ist gütig gegen die Undankbaren und Bösen“ (Lk 6,35). Dennoch haben besonders die „Hausgenossen des Glaubens“ einen Anspruch auf unser innigstes Mitgefühl. Und wir wissen, dass die Hausgenossen des Glaubens zum großen Teil geprüft und versucht sind und viele Leiden zu tragen haben. Ach! Wenn wir zurückblicken, wie viele verlorene Gelegenheiten stehen dann vor uns!