Behandelter Abschnitt Daniel 10,2-3
Daniels Trauer
Die Umstände, unter denen das Gesicht gegeben wurde, werden nun angegeben: „In jenen Tagen trauerte ich, Daniel, drei volle Wochen. Köstliche Speise aß ich nicht, und weder Fleisch noch Wein kam in meinen Mund; und ich salbte mich überhaupt nicht, bis drei volle Wochen vorüber waren“ (10,2–3).
Der Grund seines Kummers und seines Fastens wird nicht genannt; doch wir wissen aus dem vorherigen Kapitel, dass der Zustand seines Volkes und der heiligen Stadt schwer auf seinem Herzen lag, sodass die Schlussfolgerung naheliegt, dass seine Trauer sich ebendarauf bezog – umso mehr, da es zur Offenbarung der zukünftigen Befreiung seines Volkes führte.
Zu unserer eigenen Belehrung können zwei Beobachtungen angestellt werden: Erstens, dass der, der sich so vollkommen mit dem Leid des Volkes Gottes identifiziert, die innigste Gemeinschaft mit dem Herzen Gottes über das Volk genießt (vgl. Jes 53,4.5).
Zweitens, dass wir, wenn wir die Gedanken Gottes erfahren möchten, in einem entsprechenden Seelenzustand sein müssen, um sie zu empfangen. Welcher größere Fehler könnte gemacht werden als anzunehmen, wir könnten Einsicht in Gottes Geheimnisse erlangen, ohne moralisch im Herzen vorbereitet zu sein, oder zu denken, dass es möglich wäre, göttliche Dinge allein durch Hören oder Lesen zu verstehen, oder weil wir uns um bestimmte Leiter des Volkes Gottes versammelt haben und euphorisch ihre Lehren hochhalten? Demütigung und Fasten waren Daniels Mittel zur Erlangung dieser Offenbarungen. So kann auch heute der Geist Gottes die Augen unserer Herzen nur dann zum Verständnis des Willens und der Gedanken Gottes erleuchten, wenn wir uns moralisch außerhalb der hiesigen Dinge befinden – außerhalb der Befriedigung der Sinne und der irdischen Freuden, nachdem wir uns in der Gegenwart Gottes sorgfältig durch die Anwendung des Kreuzes geläutert haben. Diese beiden Verse können daher als höchst bedeutsam angesehen werden, da sie die Mittel enthalten, durch die Daniel vorbereitet worden war, die göttliche Stimme zu hören und zu verstehen.