„Und nun, unser Fleisch ist wie das Fleisch unserer Brüder, unsere Kinder sind wie ihre Kinder; und siehe, wir müssen unsere Söhne und unsere Töchter dem Knechtsdienst unterwerfen; und manche von unseren Töchtern sind schon unterworfen, und es steht nicht in der Macht unserer Hände, sie zu lösen; unsere Felder und unsere Weinberge gehören ja anderen“ (5,5).
Dies war der traurige Zustand des zurückgekehrten Überrestes, obwohl sie am Bau der Mauer ihrer heiligen Stadt Jerusalem arbeiteten. Lasst uns nach der Wurzel dieser faulen Stelle suchen. Sie liegt in einem Ausdruck, der zweimal verwendet wird: „ihre Brüder“, „unserer Brüder“. Sie waren insofern Brüder, als dass sie gemeinsame Nachfahren Abrahams waren, doch sogar in noch tieferer Weise. Als Gottes auserwähltes Volk befanden sie sich alle auf dem Boden der Erlösung und standen daher vor Ihm auf dem gleichen Fundament – dem gemeinsamen Gegenstand seiner Gnade – und als solche gemeinsame Erben der Verheißungen, die ihren Vätern gegeben worden waren.
In dieser Hinsicht forderte Maleachi sie mit der Frage heraus: „Haben wir nicht alle einen Vater? Hat nicht ein Gott uns geschaffen? Warum handeln wir treulos einer gegen den anderen, indem wir den Bund unserer Väter entweihen?“ (Mal 2,10). So behandelten auch „die Juden“ die aus dem Volk, als wären sie nicht ihre Brüder, wobei sie ihre gemeinsame Beziehung, in der sie vor Gott standen, gänzlich vergaßen und sie dadurchwie Fremdlinge und Heiden behandelten. Die gleichen Sünden tauchen in unterschiedlichen Formen in jeder Zeitepoche auf und werden im Jakobusbrief in besonderer Weise erwähnt (siehe Jak 1,9.10; 2 und 5).
Doch in diesem Bericht findet sich bei den Juden mehr als nur das Vergessen der gemeinsamen Beziehung. Es gab auch offenen Ungehorsam (siehe 2Mo 22,25, 5Mo 15). Ein Vers sollte zitiert werden: „Wenn ein Armer unter dir sein wird, irgendeiner deiner Brüder in einem deiner Tore in deinem Land, das der Herr, dein Gott, dir gibt, so sollst du dein Herz nicht verhärten und deine Hand vor deinem Bruder, dem Armen, nicht verschließen; sondern du sollst ihm deine Hand weit öffnen und ihm willig auf Pfand leihen, was erforderlich ist für den Mangel, den er hat“ (5Mo 15,7.8; lies das gesamte Kapitel). Da sie selbst Empfänger der Gnade waren, waren sie verpflichtet, die Gnade auch ihren Brüdern zu erweisen (siehe 2Kor 8,9). Doch stattdessen verleugneten sie, wie bereits betont, die Wahrheit ihrer erlösten Stellung und zeigten einen Geist der Härte und Unterdrückung zugunsten ihres eigenen Gewinns, indem sie die einfachsten Grundsätze des Wortes Gottes verletzten. Es gibt wenige, die beim Lesen dieses Berichtes solch großen Ungehorsam nicht verurteilen würden.
Dennoch sei die Frage erlaubt, wozu dies führte? Es war schlicht die Übernahme von menschlichen Gedanken anstelle der Gedanken Gottes, von weltlichen Gebräuchen und Praktiken anstelle der in den Schriften vorgegebenen. Kurzgesagt: Diese Juden wandelten als Menschen, und zwar als solche, die danach trachteten, auf Kosten ihrer Brüder reich zu werden! Ist diese Sünde in der Versammlung Gottes nicht bekannt? Drängen sich die Gebräuche der Gesellschaft und der Grundsätze der Welt nicht oft auch unter Christen auf und bestimmen deren gegenseitige Beziehungen? Lasst unsere eigenen Gewissen diese Frage in der Gegenwart Gottes beantworten, und wir werden schnell entdecken, ob die Sünde dieser Juden auch heute unter dem Volk des Herrn vorhanden ist.