Behandelter Abschnitt Mt 23,1-4
„Es sprach der Herr zum Volk und zu seinen Jüngern .. ." — zum grossen Kreise, der sich um ihn gesammelt hatte, wobei er aber doch in erster Linie seine Jünger im Auge hatte, damit sie nachher den Samen weitertrügen. Die Schriftgelehrten und Pharisäer haben sich auf Mose Stuhl gesetzt. Damit aber, dass man sich auf den Lehrstuhl setzt und lehrt, ist noch nicht alles getan, auch wenn es eine korrekte Lehre ist, die man verkündigt. „Alles, was sie sagen, das tut . .." Der Herr kann also unterschreiben, was sie lehren; sie sind wirklich in der Schrift bewandert — fähig, andere zu unterrichten, aber ihre Werke stimmen nicht, und dann richten Lehre und Unterricht nichts aus bei anderen. Sie reden, aber sie tun nicht.
Unsere Rede, unser Wandel, unser ganzes Wesen, muss Zeugnis ablegen von dem, was Gott an Wahrheit bei uns niedergelegt hat. Die Wahrheit macht freie Menschen, macht frei für Gott — sie macht an Gott gebunden und damit frei von allem andern Einfluss. Was tun diese Schriftgelehrten und Pharisäer nach Jesu Ausspruch? Sie unterweisen nicht nur nach der Heiligen Schrift, sondern binden zugleich schwere, kaum zu tragende Bürden auf die Schultern anderer — und wollen sie selbst doch mit keinem Finger anrühren. Was für einen Wert aber hat ein Unterricht, dem der Wandel, der Charakter, das Tun und Lassen der Lehrenden widerspricht? Was haben sie mit dem Auflegen von Lasten, die sie selbst mit keinem Finger anrühren wollen, im Auge?
Sie wollen nicht ihrem Gott damit gefallen, sondern den Menschen. „Sie tun alle ihre Werke, um von den Leuten gesehen zu werden." Und bei einem solchen Vorgehen sammelt sich innerer Schmutz, Schmutz der Selbstgefälligkeit und Selbstgerechtigkeit und ein Suchen von Ehre bei den Menschen, gegen das nur die Gnade Macht hat und von dem nur die Gnade frei macht. Aber das ist es eben: Diese Pharisäer und Schriftgelehrten leben nicht aus der Kraft, die Gott darreicht, sondern haben ihre eigene Gerechtigkeit aufgerichtet. „Sie machen ihre Denkzettel breit . . . und sitzen gern obenan über Tisch und in den Schulen." O diese Armseligkeit, Verkehrtheit und Gebundenheit, etwas gelten zu wollen, einen Vorsitz zu begehren, immer im Vordergrund stehen zu wollen!
Auch von diesem Jammer erlöst uns der Herr und gibt uns Gnade, dass wir uns im Schatten wohl fühlen und nicht das Bedürfnis haben, die Aufmerksamkeit anderer auf uns zu ziehen. Was Gott in uns niedergelegt hat, wird schon hinausstrahlen, umsomehr, als wir nicht anderen zu gefallen suchen. Wir wandeln vor unserem Gott. Er hat uns erkauft mit dem Blute des Lammes aus furchtbarer Knechtschaft. Er hat uns erlöst — nun sind wir aber auch für ihn da, leben für ihn, stehen ihm zur Verfügung.