In diesem Kapitel verkündet der Herr den Untergang des Volkes, und zwar vor allem – nicht derer, die der Mensch am meisten anprangern würde; nicht der offen gesetzlosen, zügellosen oder gewalttätigen; auch nicht der leichtfertigen, skeptischen Sadduzäer, sondern – derer, die wegen ihrer religiösen Erkenntnis und Heiligkeit in der allgemeinen Wertschätzung am höchsten standen. Das Gewissen, der Mensch, die ganze Welt, kann mit mehr oder weniger Genauigkeit über unmoralische Grobheit urteilen. Gott sieht und verschmäht, was in menschlichen Augen schön aussieht und doch falsch und unheilig ist. Und das Wort Gottes ist eindeutig, dass es so sein soll. Die schwersten Wehe, die dieser Welt noch bevorstehen, sind nicht für die heidnische Finsternis, sondern, wie für das rebellische Judentum und für die verderbte Christenheit, wo die meiste Wahrheit bekannt ist und die höchsten Privilegien verliehen werden, aber wo leider ihre Macht verachtet und verleugnet wird. Nicht, dass, wenn Gott sich aufmacht, um zu richten, die heidnischen Nationen ungestraft bleiben werden. Auch sie werden von dem Kelch trinken. Doch: „Hört dieses Wort, das der Herr über euch redet, ihr Kinder Israel – über das ganze Geschlecht, das ich aus dem Land Ägypten heraufgeführt habe –, indem er spricht: Nur euch habe ich von allen Geschlechtern der Erde erkannt; darum werde ich alle eure Ungerechtigkeiten an euch heimsuchen“ (Amos 3,1.2). So ist es auch mit der bekennenden Christenheit: Je größer das geschenkte Licht, je reicher die im Evangelium offenbarte Gnade Gottes, desto schwerwiegendere Gründe für ein schonungsloses Urteil über das heuchlerische Bekenntnis, wenn die Glocke der göttlichen Rache läutet für die, „die Gott nicht kennen, und denen, die dem Evangelium unseres Herrn Jesus Christus nicht gehorchen“ (2Thes 1,8). Der Herr sieht nicht, wie der Mensch sieht, sei es in der Gnade oder im Gericht; denn der Mensch sieht auf das Äußere, der Herr aber sieht auf das Herz. So hat Jesus bei dieser Gelegenheit gesprochen.