Behandelter Abschnitt Mt 5,27-29
„Wer ein Weib ansieht, ihrer zu begehren, der hat schon in seinem Herzen die Ehe mit ihr gebrochen." Der alte Bund hatte es mehr mit der äusseren Tat zu tun, ohne jedoch dabei die innerste Herzensstellung aus dem Auge zu verlieren. Ist uns doch schon im alten Bunde ausdrücklich gesagt: „Du sollst lieben den Herrn, deinen Gott, von ganzem Herzen, von ganzer Seele und aus allen deinen Kräften und deinen Nächsten wie dich selbst." Da ist alle Unreinheit und Unlauterkeit von vornherein ausgeschlossen — alles Befriedigungsuchen in der Kreatur; denn jede derartige vollständige Abweichung, wie sie im Ehebruch gipfelt, hat ihren tiefsten Grund darin, dass jemand Befriedigung sucht ausserhalb der Linien, in die Gott ihn gestellt hat, — dass er seine Blicke nach rechts und nach links schweifen lässt, um zu sehen, wie Gott mit den einen und anderen handelt, und um den Nächsten dann zu beneiden. Wir haben es mit Gott zu tun und er mit uns, und wir können nur wirklich erzogen werden, solange wir es direkt mit ihm zu tun haben.
Alle Übungen haben den Zweck, uns tüchtig zu machen für unseren Beruf, für unsere Aufgabe in dieser Welt, — für unseren Zeugenberuf. Und da verlangt der Herr von uns, dass wir rücksichtslos mit uns selbst umgehen. Wollen wir freilich ein Wort wie Vers 29 buchstäblich nehmen — ohne Einschränkung —, so können wir uns täuschen. Damit, dass ein Auge ausgerissen ist, ist die Unkeuschheit noch nicht getilgt, noch nicht aus den Nerven ausgerissen, und selbst wenn beide Augen ausgerissen würden, könnte durch ein Ohr oder durch die Seele immer noch Zündstoff in ein Menschenherz kommen. Es gibt nur ein Rettungsmittel: — die Gnade Gottes, die allgenugsame Gnade Gottes. Da ist kein Schaden zu tief eingefreffen, keine innere Versuchung zu gross und mächtig, dass die Gnade nicht darüber stünde, und dass der Mensch nicht in der Gnade Bergung fände gegen derartige Versuchungen.