Behandelter Abschnitt Mt 2,1-2
Die Weihnachtsgeschichte bietet uns ein reiches, unerschöpfliches Thema. Die Weisen aus dem Morgenlande hatten einen Stern gesehen oder — wie sie sagten: „den Stern, seinen Stern". „Wir haben seinen Stern gesehen im Morgenlande und sind gekommen, ihn anzubeten." Was war das für ein Stern? 4. Mose 24,17 lesen wir folgende Weissagung des Bileam: „Ich sehe ihn, aber jetzt noch nicht; ich schau ihn, aber noch nicht in der Nähe.
Ein Stern kommt aus Jakob hervor, und ein Zepter kommt aus Israel." Bileam war auf den Ruf Balaks aus der Euphrat Gegend gekommen. Er war sowohl ein bekannter wie ein wirklicher Seher, ein merkwürdiges Beispiel von einem göttlich ausgerüsteten, unlauteren Mann, von einem mit göttlichem Lichte erleuchteten Seher, der aber irdischen Glan; und irdische Reichtümer suchte. Und leider ist dieses Ungeheuerliche noch heute verbreitet: göttliches Licht, göttlicher Einblick und dabei ein Schalksauge.
Bileam wollte vom Könige geehrt sein. Es lockten ihn die Reichtümer, und da brachte er es fertig, im Dienst für den Herrn eigene Zwecke zu verfolgen, nachdem ihn Gott dazu gebraucht hatte, eine ganz eigenartige Weissagung auf den kommenden Messias, den Herrn der Welt, in Israel niederlegen zu dürfen. Er war aus der Euphrat Gegend gekommen, vielleicht sogar aus der gleichen Gegend, aus der die Weisen stammten. Der Herr streut seine Samenkörner auch in die Heidenwelt.
Zu einer Zeit, wo in Israel noch alles schläft, machen jene drei Weisen aus dem Morgenlande sich auf. Sie waren Wartende aus dem Heidenland, und auch in Israel hatte der Herr seine Wartenden, einen Simeon, eine Hanna und andere. Wartende aber warten nicht mit gekreuzten Armen, sondern sie sind bereit, sich auf den ersten Ruf aufzumachen. Auch heute noch hat der Herr Wartende, wären sie auch noch so sporadisch zerstreut.
Der Herr hatte in Israel Leute, die auf sein erstes Kommen warteten, und hat in der Jetztzeit Leute, die seiner Wiederkunft warten. Und wenn auch alles in Jerusalem schlief, als er kam, und wenn auch heutzutage viele schlafen, und vielleicht auch manche Kinder Gottes erschrecken würden, wenn der Herr heute käme und diejenigen, die er bereitfände, hinaufnähme, so hat er eben doch seine Wartenden, und diese lassen sich durch nichts und durch niemand irre machen. Endlich kommen die Weisen in Jerusalem an und finden daselbst alles in tiefem Schlafe. „Wo ist der neugeborene König der Juden?" fragen sie, aber nicht etwa mit der Zurückhaltung des Unglaubens oder Kleinglaubens. Sie fürchten nicht, sich zu kompromittieren — nein — sie treten kühn hervor mit ihrem Glauben und ihrer Überzeugung, dass sie sich nicht getäuscht haben, und dass Gott mit dem Stern, der ihnen in der Heimat erschienen war, nichts anderes sagen wollte, als was Bileam geweissagt hatte. Sie treten damit kühn vor die Leiter des Volkes Israel, und diese müssen sich strafen lassen ob ihres Schlafens.
Sie treten mit solcher Unerschrockenheit auf, dass die Pharisäer und Sadduzäer erschrecken und merken: dahinter steckt etwas. Echtes Glaubensleben wirkt ernüchternd, aufweckend — da wachen die Schläfer auf, wäre es auch nur, um zu verfolgen. Schliesslich muss doch alles anbetend in den Staub sinken vor einer solchen Erscheinung wie der neugeborene König in Israel. Einer solchen Erscheinung gegenüber gilt es Stellung nehmen — nicht nur zusehen und warten, ob dieser oder jener, der eine gewisse Autorität hat, sich für ibn entscheidet.