Behandelter Abschnitt 5. Mose 18,1-8
Der Priester und der Prophet
Das Teil des Priesters und des Leviten
Wie generell im fünften Buch Mose, so werden auch in diesem Kapitel (lies V. 1–8) die Priester mit den Leviten als eine Klasse gesehen. Wir haben bereits darauf aufmerksam gemacht, dass auch das ein besonderer Charakterzug unseres Buches ist. In den drei vorhergehenden Büchern ist es anders. Der Grund dieser Verschiedenheit mag darin liegen, dass Gott in diesem Buch die Versammlung Israels als solche mehr in den Vordergrund stellen will. Deshalb werden die Priester in ihrer amtlichen Eigenschaft seltener erwähnt. Der große Gedanke, der durch das ganze fünfte Buch Mose hindurchgeht ist, dass Israel in unmittelbarer Beziehung zu dem Herrn steht.
Im 18. Kapitel sehen wir die Priester und Leviten zusammen geschildert als Diener des Herrn, ganz abhängig von ihm und völlig eins mit seinem Altar und seinem Dienst. Das ist sehr bedeutsam und eröffnet uns ein weites Feld von praktischen, für die Versammlung Gottes beachtenswerten Wahrheiten.
Ein Blick auf die Geschichte Israels zeigt uns, dass dann, wenn alles in einem verhältnismäßig guten Zustand war, dem Altar Gottes die gebührende Aufmerksamkeit geschenkt wurde und daher die Priester und Leviten gut versorgt waren. Wenn der Herr sein Teil hatte, hatten seine Diener auch das ihrige. Wurde Er vernachlässigt, wurden sie es auch. Beide waren untrennbar miteinander verbunden. Das Volk musste Gott seine Opfer darbringen, und Er teilte sie mit seinen Dienern. Die Priester und die Leviten sollten sie nicht von dem Volk fordern, dessen Vorrecht es war, seine Gaben zu dem Altar Gottes zu bringen. Gott erlaubte seinen Dienern, sich von der Frucht der Hingabe seines Volkes an ihn zu nähren.
Das war damals der göttliche Gedanke bezüglich der Diener des Herrn. Sie sollten von den freiwilligen Opfern leben, die die ganze Versammlung Gott darbrachte. Leider finden wir in den bösen Tagen der Söhne Elis eine traurige Abweichung von dieser klaren Ordnung (vgl. 1Sam 2,13-17). Was uns in dieser Stelle berichtet wird, ist schrecklich, und das Ergebnis war das Gericht Gottes über das Haus Elis. Es konnte auch nicht anders sein. Wenn die Diener des Altars sich solcher Ungerechtigkeit und Gottlosigkeit schuldig machten, so musste das Gericht folgen.
Aber der Normalfall, wie unser Kapitel ihn beschreibt, stand im schroffsten Gegensatz zu der Bosheit der Söhne Elis. Wie bereits bemerkt, wollte der Herr die freiwilligen Opfer seines Volkes um sich haben und mit ihnen auch die Diener seines Altars unterhalten. Ihr Anteil war daher immer abhängig davon, wie der Herr und sein Altar behandelt wurden. Sie waren innig mit der Anbetung und dem Dienst für den Gott Israels verbunden.
Wirklich erfrischend und ermutigend ist, was uns in dieser Hinsicht von den herrlichen Tagen des Königs Hiskia berichtet wird, von einer Zeit also, da der Gottesdienst in Juda wiederhergestellt wurde und die Herzen glücklich und dem Herrn treu ergeben waren (vgl. 2. Chr 31,2-10). Die Hingabe an den Altar Gottes war so groß und wurde so in der Praxis bewiesen, dass nicht nur alle Bedürfnisse der Diener des Herrn befriedigt wurden, sondern auch „Mengen“ übrig blieben. Sicher war das eine Freude für das Herz des Gottes Israels und für die Herzen derer, die sich auf seinen Ruf hin und seiner Bestimmung gemäß, dem Dienst seines Altars und seines Heiligtums geweiht hatten.
Besonders sollten wir die folgenden Worte beachten: „Wie es im Gesetz des Herrn vorgeschrieben ist“ (V. 3). Das war die Autorität, auf die Hiskia sich stützte, die feste Grundlage seines Verhaltens von Anfang bis Ende. Zwar war die sichtbare Einheit des Volkes Israel nicht mehr vorhanden, und die Gesamtsituation war in Hiskias Tagen sehr entmutigend. Aber das Wort des Herrn war ebenso wahr und anwendbar wie in den Tagen Davids oder Josuas. Hiskia fühlte sehr wohl, dass die Worte in 5. Mose 18,1-8 auf seine Zeit und sein Gewissen anzuwenden waren und dass er und das Volk verantwortlich seien, ihrer Fähigkeit entsprechend danach zu handeln. Sollten die Priester und Leviten Not leiden, weil die nationale Einheit verschwunden war? Sicher nicht. Sie standen oder fielen mit dem Wort, der Anbetung und dem Werk Gottes. Die Situation mochte sich verändern und der Israelit in einer Lage sein, die es ihm unmöglich machte, allen Einzelheiten der levitischen Satzungen nachzukommen. Aber nie konnte er sich in einer Lage befinden, in der es nicht sein Vorrecht gewesen wäre, der Hingebung seines Herzens in Bezug auf den Dienst, den Altar und das Gesetz des Herrn Ausdruck zu geben.
So ergibt sich aus der ganzen Geschichte Israels, dass dann, wenn alles in einem guten Zustand war, auch an den Altar des Herrn und an seine Diener gedacht wurde. Waren aber die Herzen gleichgültig und kalt, waren Selbstsucht und das Suchen des eigenen Willens und der eigenen Interessen vorherrschend, so wurden auch das Werk des Herrn und seine Arbeiter vernachlässigt.
Ein Beispiel dafür ist das 13. Kapitel des Buches Nehemia. Als Nehemia, der treue Diener Gottes, nach einer kurzen Abwesenheit wieder in Jerusalem eintraf, fand er zu seinem tiefen Schmerz, dass während dieser Zeit viele verkehrte Dinge geschehen und unter anderem auch die Leviten vernachlässigt worden waren. „Und ich erfuhr, dass die Teile der Leviten nicht gegeben worden waren und dass die Leviten und die Sänger, die das Werk taten, entflohen waren, ein jeder auf sein Feld“ (Neh 13,10). In dieser traurigen Zeit gab es keine „Mengen“ von Erstlingsfrüchten, und es ist sicher nicht leicht für einen Menschen, zu arbeiten und zu singen, wenn er nichts zu essen hat. Das entsprach weder dem Gesetz des Herrn noch der Liebe seines Herzens. Es war eine große Schmach für das Volk, dass wegen seiner groben Nachlässigkeit die Diener des Herrn genötigt wurden, den Dienst und das Werk des Herrn zu verlassen, um sich vor Hunger zu schützen.
Das war in der Tat eine beklagenswerte Situation, und Nehemia rügte das Volk scharf, denn wir lesen: „Da stritt ich mit den Vorstehern und sprach: Warum ist das Haus Gottes verlassen worden? Und ich versammelte sie und stellte sie an ihre Stelle. Und ganz Juda brachte den Zehnten vom Getreide und Most und Öl in die Vorratskammern. Und ich bestellte zu Schatzmeistern über die Vorräte . . . denn sie galten als treu, und ihnen oblag es, ihren Brüdern auszuteilen“ (Neh 13,10-13). Es war eine Anzahl erprobter, treuer Männer nötig, um die kostbare Frucht der Hingebung des Volkes unter ihre Brüder zu verteilen, Männer, die fähig waren, die Schätze des Herrn treu nach seinem Wort zu verwalten und die Bedürfnisse seiner Arbeiter vorurteilslos und unparteiisch zu befriedigen.
Das war die Anordnung des Gottes Israels, die von treuen Israeliten, wie Hiskia und Nehemia, mit Freuden befolgt wurde. Der reiche Strom der Segnungen ergoss sich von dem Herrn aus zu seinem Volk hin und floss von diesem zurück zu dem Herrn, und seine Diener sollten daraus zur vollen Befriedigung all ihrer Bedürfnisse schöpfen. Es war eine Verunehrung des Herrn, wenn die Leviten zu ihren Feldern zurückkehren mussten. Es bewies, dass sein Haus vernachlässigt wurde und dass es für seine Diener dort keinen Unterhalt gab.