Behandelter Abschnitt 5. Mose 16,11-12
Sich vor Gott freuen
Dann finden wir in dem 11. Vers einen anderen sehr wichtigen Punkt: „Und du sollst dich vor dem Herrn, deinem Gott, freuen“. Einem solchen Ausdruck begegnen wir weder bei dem Passahfest noch bei dem Fest der ungesäuerten Brote. Er würde mit keiner der beiden Festlichkeiten in Übereinstimmung stehen. Sicher bildet das Passah die Grundlage aller Freude, die wir je genießen können, aber wir werden dabei stets an den Tod Christi erinnert, an seine Leiden und Schmerzen, an alles, was Er durchgemacht hat, als die Wogen und Wellen des gerechten Zorns Gottes über seine Seele gingen. Und unsere Herzen sollten sich besonders mit diesen tiefen Geheimnissen seiner Leiden beschäftigen, wenn wir um seinen Tisch versammelt sind und seinen Tod verkünden.
Es muss jedem geistlichen und nachdenklichen Christen einleuchten, dass die zu einer solch heiligen und feierlichen Anordnung passenden Gefühle keinen fröhlichen Charakter haben können. Sicher können wir uns darüber freuen, dass die Leiden unseres geliebten Herrn, die schrecklichen Stunden der Finsternis, vorüber sind und nie wieder zurückkehren werden. Aber am Tisch des Herrn erinnern wir uns nicht in erster Linie daran, sondern vielmehr an das, was Er gefühlt hat, als Er für uns diese Stunden durchlebte. Wir „verkündigen den Tod des Herrn“ (1Kor 11,26), und die Betrachtung dieses Todes kann uns unter der Wirkung des Heiligen Geistes nur ernst stimmen, so gesegnet auch seine Folgen für uns sein mögen. Die Worte des Herrn lauten: „Dies tut zu meinem Gedächtnis“ (Lk 22,19). Unsere Erinnerung gilt dem Herrn, der für uns litt und starb. Was wir verkünden, ist sein Tod. Und wenn dies in der Kraft des Heiligen Geistes geschieht, so wird heiliger Ernst und eine demütige Stimmung die Folge sein.
Im Pfingstfest hingegen ist die Freude das vorherrschende Kennzeichen. Hier ist keine Rede von „bitteren Kräutern“ oder dem „Brot des Elends“, weil es das Bild der Sendung des Heiligen Geistes ist, der, ausgegangen vom Vater, von dem verherrlichten Haupt im Himmel gesandt wurde, um die Herzen der Gläubigen mit Dank, Anbetung und triumphierender Freude zu erfüllen und sie einzuführen in die völlige Gemeinschaft mit ihrem verherrlichten Haupt in seinem Triumph über die Sünde, Tod, Hölle, Satan und die ganze Macht der Finsternis. Die Gegenwart des Heiligen Geistes ist mit Freiheit, Licht, Macht und Freude verbunden. „Die Jünger wurden mit Freude und Heiligem Geist erfüllt“ (Apg 13,52). Zweifel, Befürchtungen und Gesetzlichkeit können vor den mächtigen Wirkungen seiner Gegenwart nicht bestehen.
Doch müssen wir zwischen seiner Wirkung und seiner Innewohnung unterscheiden. Er macht lebendig, und Er versiegelt. Der Beginn einer Überführung im Herzen eines Sünders ist die Frucht des Wirkens des Heiligen Geistes, und diese leitet auch weiter zur wahren Buße. Aber das bewirkt keine Freude in dem Herzen des Sünders, sondern vielmehr tiefe Betrübnis, und das ist gut und nötig. Wenn wir dann durch die Gnade an einen auferstandenen und verherrlichten Heiland glauben, dann kommt der Heilige Geist als das Siegel unserer Annahme und das Unterpfand unseres Erbes und macht Wohnung in uns. Dies erfüllt uns mit „unaussprechlicher und verherrlichter Freude“ (1Pet 1,8), und so werden wir die Segenskanäle für andere. „Wer an mich glaubt, wie die Schrift gesagt hat, aus dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen. Dies aber sagte er von dem Geist, den die an ihn Glaubenden empfangen sollten; denn noch war der Geist nicht da, weil Jesus noch nicht verherrlicht worden war“ (Joh 7,38.39).
Der Geist ist die Quelle der Kraft und Freude in dem Herzen des Gläubigen. Er macht uns passend, erfüllt und gebraucht uns als Gefäße im Dienst für arme, dürstende und bekümmerte Seelen. Er verbindet uns mit Christus, dem verherrlichten Menschen, erhält uns in lebendiger Gemeinschaft mit ihm und befähigt uns – wenn auch nur schwach –, der Ausdruck dessen zu sein, was Er ist. Das ganze Verhalten des Christen sollte den Wohlgeruch Christi ausströmen. Wer bekennt, ein Christ zu sein, und dabei in Selbstsucht, Geiz, Habsucht, weltlicher Gesinnung, Neid und Hochmut lebt, der straft sein Bekenntnis Lügen, verunehrt den heiligen Namen Christi und häuft Schmach auf das Christentum, das in dem Fest der Wochen so schön vorgebildet ist, jenem Fest, das vornehmlich den Charakter einer Freude trägt, die ihre Quelle in der Güte Gottes hat und deren gesegneter Einfluss sich weit und breit ausdehnt bis zu jedem Dürftigen hin. „Und du sollst dich vor dem Herrn, deinem Gott, freuen, du und dein Sohn und deine Tochter und dein Knecht und deine Magd und der Levit, der in deinen Toren ist, und der Fremde und die Waise und die Witwe, die in deiner Mitte sind“ (V. 11).
Wie schön ist das alles! Möchte das Gegenbild sich völlig unter uns offenbaren! Möchte der Geist Gottes in unseren Herzen ein aufrichtiges Verlangen wecken, dem Bild Christi in allen Dingen gleichförmig zu sein! Möchte Er das Wort Gottes, das wir in unseren Händen und Häusern haben, mit seiner göttlichen Kraft ausstatten, damit es zu unseren Herzen und Gewissen redet und uns dahin leitet, uns selbst und unsere Wege in seinem Licht zu richten und als treue Zeugen Jesu seine Ankunft zu erwarten!