Behandelter Abschnitt 5. Mose 16,9-12
Das Fest der Wochen oder Pfingsten
Dem Passah folgt das Fest der Wochen (V. 9–12), das schöne und bekannte Bild von dem Tag der Pfingsten in Apostelgeschichte 2. Während das Passah den Tod Christi darstellt, ist die Erstlingsgarbe das treffende Vorbild des auferstandenen Christus. In dem Fest der Wochen sehen wir ein Bild der Niederkunft des Heiligen Geistes fünfzig Tage nach der Auferstehung.
Wir sprechen hier natürlich nicht davon, inwieweit Israel die Bedeutung dieser Feste verstand, sondern betrachten sie in ihrer Bedeutung für uns nach den Gedanken Gottes. Wir können alle diese vorbildlichen Anordnungen im Licht des Neuen Testaments betrachten, und wenn wir das tun, werden wir mit Bewunderung und Freude erfüllt werden bei der Entdeckung ihrer göttlichen Vollkommenheit, Schönheit und Ordnung. Wir sehen aber auch (und das ist von unermesslichem Wert), wie die Schriften des Neuen und Alten Testaments in engster Verbindung miteinander stehen, wie sie eine harmonische Einheit bilden und wie ein Geist das Ganze vom Anfang bis zum Ende durchweht. Diese Entdeckungen werden uns in unserer Überzeugung von der göttlichen Eingebung der Heiligen Schrift befestigen und uns gegen die Angriffe der Ungläubigen wappnen. Wir werden gleichsam auf den Gipfel eines Berges geführt, wo uns die Herrlichkeiten des göttlichen Buches in ihrem vollen himmlischen Glanz umstrahlen und von wo aus wir auf die Wolken und düsteren Nebel der ungläubigen Meinungen und Lehren herabblicken können, die zu weit von dem erhabenen Standpunkt entfernt sind, auf den uns die Gnade gestellt hat, als dass sie uns berühren könnten.
In unserem Abschnitt fällt uns auf den ersten Blick der Unterschied zwischen dem Fest der Wochen und dem Pfingstfest und dem Fest der ungesäuerten Brote auf. Zunächst lesen wir von einer „freiwilligen Gabe“ und finden darin ein Bild von der Versammlung, die durch den Heiligen Geist gebildet und Gott dargebracht wird als „eine gewisse Erstlingsfrucht seiner Geschöpfe“ (Jak 1,18).
Eine freiwillige Gabe
Da wir aber auch diesen Gegenstand schon in unseren „Gedanken zum dritten Buch Mose“ behandelt haben, beschränken wir uns hier nur auf das, was im fünften Buch charakteristisch ist. Das Volk sollte eine freiwillige Gabe darbringen, je nachdem der Herr, sein Gott, es gesegnet hatte. Davon finden wir nichts bei dem Passahfest, weil es Christus als den vorstellt, der sich selbst als Opfer für uns darbringt. Wir sind dort nicht die Opfernden, sondern erinnern uns an unsere Befreiung von der Sünde und der Macht Satans. Wir denken an das, was unsere Befreiung den Herrn gekostet hat, und beschäftigen uns mit der Tiefe seiner Leiden, wie sie in dem gebratenen Lamm vorgebildet werden. Das Bewusstsein, dass Er wegen unserer Ungerechtigkeit zerschlagen wurde, erfüllt uns mit Schmerz und Betrübnis, und diese Betrübnis ist nicht nur eine vorübergehende Bewegung, sondern ein bleibender Zustand des Christen im Blick auf das Kreuz und die Leiden unseres Herrn Jesus Christus.
Im Pfingstfest hingegen sehen wir die Macht des Heiligen Geistes mit den verschiedenen Wirkungen seiner Gegenwart in und unter uns. Er befähigt uns, unsere Körper und alles, was wir haben, als eine freiwillige Gabe Gott darzubringen, je nachdem Er uns gesegnet hat. Dass dies nur durch die Macht des Heiligen Geistes geschehen kann, braucht wohl nicht gesagt werden. Er befähigt uns, auf die Ansprüche einzugehen, die Gott an uns hat – diese Ansprüche richten sich nach dem Maß der uns zuteilgewordenen göttlichen Segnungen – und lässt uns verstehen, dass alles, was wir sind und haben, Gott gehört. Er schenkt auch die Fähigkeit, sich als eine „freiwillige Gabe“, freudig nach Geist, Seele und Leib Gott zu übergeben, ohne eine Spur von Knechtschaft, denn „wo aber der Geist des Herrn ist, ist Freiheit“ (2Kor 3,17).
Wir finden hier den Geist und die Kennzeichen des ganzen christlichen Lebens und Dienstes. Ein gesetzlicher Christ kann nichts von der Kraft und Schönheit dieser Dinge verstehen, denn ein gesetzlicher Zustand ist mit der Leitung des Heiligen Geistes unvereinbar. Der Apostel ruft daher den verführten Galatern zu: „Dies allein will ich von euch lernen. Habt ihr den Geist aus Gesetzeswerken empfangen oder aus der Kunde des Glaubens? . . . Der euch nun den Geist darreicht und Wunderwerke unter euch wirkt, ist es aus Gesetzeswerken oder aus der Kunde des Glaubens?“ (Kap. 3,2.5).
Die wertvolle Gabe des Heiligen Geistes folgte dem Tod, der Auferstehung, der Himmelfahrt und Verherrlichung Christi und ist auf diese Dinge gegründet. Sie hat daher nichts mit „Gesetzeswerken“ zu tun. Die Gegenwart des Heiligen Geistes auf der Erde und sein Wohnen in allen wirklichen Gläubigen ist eine charakteristische Wahrheit des Christentums, die weder in alttestamentlichen Zeiten noch den Jüngern zur Zeit des Herrn bekannt war. Er selbst sagte zu ihnen kurz vor seinem Weggang: „Doch ich sage euch die Wahrheit: Es ist euch nützlich, dass ich weggehe, denn wenn ich nicht weggehe, wird der Sachwalter nicht zu euch kommen; wenn ich aber hingehe, werde ich ihn zu euch senden“ (Joh 16,7). Das beweist deutlich, dass sogar diejenigen, die das Vorrecht des persönlichen Umgangs mit dem Herrn auf der Erde genossen hatten, durch seinen Hingang und durch das Kommen des Sachwalters eine noch höhere Stellung erlangen sollten. So lesen wir ferner: „Wenn ihr mich liebt, so haltet meine Gebote; und ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Sachwalter geben, dass er bei euch sei in Ewigkeit, den Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, weil sie ihn nicht sieht noch ihn kennt. Ihr kennt ihn, denn er bleibt bei euch und wird in euch sein“ (Joh 14,15-17).
Bezüglich des Festes der Wochen müssen wir uns auf einige besonders interessante Gesichtspunkte beschränken. Wie wir gesehen haben, ist der Heilige Geist die lebendige Quelle und Macht eines Lebens persönlicher Hingabe an Gott, vorgebildet in der „freiwilligen Gabe“. Das Opfer Christi ist die Grundlage und die Gegenwart des Heiligen Geistes die Kraft dieser Hingabe des Christen nach Geist, Seele und Leib. „Ich ermahne euch nun, Brüder, durch die Erbarmungen Gottes, eure Leiber darzustellen als ein lebendiges, heiliges, Gott wohlgefälliges Schlachtopfer, was euer vernünftiger Dienst ist“ (Röm 12,1).