Behandelter Abschnitt 5. Mose 16,13-17
Das Fest der Laubhütten
Wir kommen jetzt zu dem Fest der Laubhütten, das den Kreis der Wahrheiten schließt, die uns in unserem Kapitel vorgestellt werden. „Das Fest der Laubhütten sollst du dir sieben Tage feiern, wenn du den Ertrag von deiner Tenne und von deiner Kelter einsammelst; und du sollst dich an deinem Fest freuen, du und dein Sohn und deine Tochter und dein Knecht und deine Magd und der Levit und der Fremde und die Waise und die Witwe, die in deinen Toren sind. Sieben Tage sollst du dem Herrn, deinem Gott, das Fest feiern an dem Ort, den der Herr erwählen wird; denn der Herr, dein Gott, wird dich segnen in all deinem Ertrag und in allem Werk deiner Hände, und du sollst nur fröhlich sein. Dreimal im Jahr sollen alle deine Männlichen vor dem Herrn, deinem Gott, erscheinen an dem Ort, den er erwählen wird: am Fest der ungesäuerten Brote und am Fest der Wochen und am Fest der Laubhütten. Und man soll nicht leer vor dem Herrn erscheinen: Jeder nach dem, was seine Hand geben kann, nach dem Segen des Herrn, deines Gottes, den er dir gegeben hat“ (V. 13–17).
Das ist ein treffendes Vorbild von der Zukunft Israels. Das Gegenbild des Laubhüttenfestes ist noch nicht offenbart. Während das Passahfest und das Pfingstfest ihre Erfüllung in dem Tod Christi und dem Herniederkommen des Heiligen Geistes gefunden haben, deutet das dritte große Fest hin auf die „Zeiten der Wiederherstellung aller Dinge, von denen Gott durch den Mund seiner heiligen Propheten von jeher geredet hat“ (Apg 3,21).
Die Zeit der Feier dieses Festes verdient Beachtung. Es fand statt nach der Ernte und der Weinlese. Wenn wir die bildliche Bedeutung dieser beiden Dinge untersuchen, werden wir bald erkennen, dass zwischen beiden ein bemerkenswerter Unterschied besteht, da das erste von Gnade, das zweite von Gericht redet. Am Ende der Zeiten wird Gott den Weizen in seine Scheunen sammeln, und nach diesem wird „die große Kelter des Grimms Gottes“ (Off 14,19) getreten werden. Das 14. Kapitel der Offenbarung bezieht sich hierauf mit folgenden Worten: „Und ich sah: Und siehe, eine weiße Wolke, und auf der Wolke saß einer gleich dem Sohn des Menschen, der auf seinem Haupt eine goldene Krone und in seiner Hand eine scharfe Sichel hatte. Und ein anderer Engel kam aus dem Tempel hervor und rief dem, der auf der Wolke saß, mit lauter Stimme zu: Schicke deine Sichel und ernte; denn die Stunde des Erntens ist gekommen, denn die Ernte der Erde ist überreif geworden. Und der, der auf der Wolke saß, legte seine Sichel an die Erde, und die Erde wurde abgeerntet“ (V. 14–16).
Das ist die Ernte. Dann lesen wir weiter: „Und ein anderer Engel kam aus dem Tempel hervor, der in dem Himmel ist, und auch er hatte eine scharfe Sichel. Und ein anderer Engel, der Gewalt über das Feuer hatte, kam aus dem Altar hervor, und er rief dem, der die scharfe Sichel hatte, mit lauter Stimme zu und sprach: Schicke deine scharfe Sichel und lies die Trauben des Weinstocks der Erde, denn seine Beeren sind reif geworden. Und der Engel legte seine Sichel an die Erde und las die Trauben des Weinstocks der Erde und warf sie in die große Kelter des Grimms Gottes. Und die Kelter wurde außerhalb der Stadt getreten, und Blut ging aus der Kelter hervor bis an die Gebisse der Pferde, 1 600 Stadien weit“ (V. 17–20) – eine Entfernung, die der ganzen Länge von Palästina entspricht.
Die Offenbarung zeigt uns in diesen Bildern die Ereignisse, welche der Feier des Laubhüttenfestes vorausgehen werden. Christus wird seinen Weizen auf seinen Speicher sammeln und danach die Christenheit heimsuchen mit einem vernichtenden Gericht. Die ganze Bibel bezeugt uns von Anfang bis Ende die unwiderlegbare Tatsache, dass die Welt nicht durch das Evangelium bekehrt werden und sie nicht einer allmählichen Besserung entgegengeht, sondern sich im Gegenteil mehr und mehr verschlimmert. Das Treten „der Kelter des Weines des Grimms des Zorns Gottes, des Allmächtigen“ (Off 19,15), muss der herrlichen Zeit des Laubhüttenfestes vorausgehen.
Praktische Schlussfolgerungen
Aber trotz der offenkundigen göttlichen Beweise, die sich in jedem Buch der Bibel für die Wahrheit dieser Ausführungen finden, geben sich die Menschen der trügerischen Hoffnung hin, die Welt durch das Evangelium bekehren zu können. Aber welche Bedeutung hat dann das „Sammeln des Weizens und das Treten der Kelter“? Kann man da noch von einer bekehrten Welt reden?
Vielleicht wird man einwenden, dass man sich nicht unbedingt auf mosaische Bilder und apokalyptische Symbole stützen könne. Das könnte vielleicht wahr sein, wenn wir nichts anderes als Vorbilder und Symbole hätten. Aber wenn das Licht des Wortes Gottes diese Vorbilder und Symbole beleuchtet und uns ihre tiefe Bedeutung offenbart, finden wir, dass sie in vollkommenem Einklang mit den Stimmen der Propheten und Apostel und den Belehrungen des Herrn selbst stehen. Alle sagen dasselbe, alle geben derselben ernsten Wahrheit Zeugnis, dass am Ende dieses Zeitalters statt einer bekehrten, für ein geistliches (wie man es nennt) tausendjähriges Reich zubereiteten Welt, ein Weinstock sein wird, schwer beladen mit schrecklichen Trauben, die für die Kelter des Zorns Gottes, des Allmächtigen, reif sind.
Bevor wir diesen Abschnitt schließen, möchten wir noch einmal daran erinnern, dass wir unser tägliches Leben unter den gesegneten Einfluss der Wahrheiten stellen sollten, die in den drei Vorbildern unseres Kapitels enthalten sind. Das Christentum wird gekennzeichnet durch diese drei großen Tatsachen: die Erlösung, die Gegenwart des Heiligen Geistes und die Hoffnung der Herrlichkeit. Erlöst durch das Blut Christi und versiegelt mit dem Heiligen Geist wartet der Christ auf die Ankunft des Herrn. Das sind nicht bloß Grundsätze oder Meinungen, sondern göttliche Wirklichkeiten, die als eine lebendige Kraft in unserem Herzen wirken sollen. Wir sehen, von welch praktischer Wichtigkeit diese Feste für Israel waren. Preis, Dank und Anbetung stiegen zu Gott auf, wenn das Volk um den Herrn an dem Ort versammelt war, den Er erwählt hatte, und die Ströme der Wohltätigkeit erreichten alle Bedürftigen. „Dreimal im Jahr sollen alle deine Männlichen vor dem Herrn, deinem Gott, erscheinen . . . und man soll nicht leer vor dem Herrn erscheinen: Jeder nach dem, was seine Hand geben kann, nach dem Segen des Herrn, deines Gottes, den er dir gegeben hat“.
Der Israelit sollte nicht leer vor dem Herrn erscheinen, sondern mit dankerfülltem Herzen und vollen Händen, um die Diener und Armen des Herrn zu erfreuen. Es war der Wunsch Gottes, sein
Volk um sich versammelt zu sehen, um ihre Herzen mit überströmender Freude zu erfüllen und sie zugleich zu Segenskanälen für andere zu machen. Sie sollten nicht nur unter ihrem Weinstock und Feigenbaum bleiben, um sich dort über ihre Segnungen zu freuen, sondern dreimal im Jahr sollten sie sich an dem bestimmten Ort versammeln und dort ihr Halleluja zu Gott aufsteigen lassen und freigebig die Segnungen spenden, mit denen Er selbst sie überschüttet hatte. Gott fand seine Wonne darin, das Herz des Leviten, des Fremdlings, der Witwe und der Waise zu erfreuen, und Er wünschte, dass sein Volk an seiner Freude teilnahm. Wenn aber diese Bilder und Schatten unserer Segnungen schon mit solchen Danksagungen und freigebigen Spenden verbunden waren, wie viel mächtiger sollten bei uns die Wirkungen und Segnungen selbst sein!
Die Bedeutung des Laubhüttenfestes verstehen leider nur wenige. Zwar ist dessen Erfüllung noch nicht gekommen, aber der Christ sollte in der Kraft dessen leben, was ihm vorgestellt wird. „Der Glaube aber ist eine Verwirklichung dessen, was man hofft, eine Überzeugung von Dingen, die man nicht sieht“ (Heb 11,1). Der vereinigte Einfluss der „Gnade“, in der wir stehen, und der „Herrlichkeit“, die wir erwarten, sollte unser Leben beherrschen und uns kennzeichnen. Wenn aber jemand nicht in der Gnade befestigt ist, ja nicht einmal weiß, dass seine Sünden vergeben sind – wenn er belehrt wird, dass die Gewissheit der Errettung Anmaßung sei, dass Zweifel und Befürchtungen hingegen als wahre Demut und Frömmigkeit betrachtet werden müssten, und dass man seiner Errettung nicht eher gewiss sein könne, als bis man vor dem Richterstuhl Christi stehe –, wie kann man dann erwarten, dass er die christliche Stellung einnimmt, die Früchte des christlichen Lebens offenbart und die Kraft der christlichen Hoffnung kennt? Wie hätte ein Israelit das Fest der ungesäuerten Brote, das Pfingst- oder Laubhüttenfest feiern können, wenn er in Ungewissheit darüber gewesen wäre, ob er ein Kind Abrahams, ein Kind der Gemeinde des Herrn und wirklich im Land Kanaan sei? Wir dürfen kühn behaupten, dass keinem Israeliten je etwas so Törichtes in den Sinn gekommen ist.
Doch wie viele gibt es, die wirklich Kinder Gottes sind und trotzdem ihre Tage in Zweifel, Befürchtungen, Dunkel und Ungewissheit zubringen! Ihre religiösen Übungen und ihr ganzer Gottesdienst sind mehr die Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht und einer Vorbereitung für das zukünftige Leben, als der Ausfluss eines Lebens, das man bereits besitzt und genießt. Auch die „glückselige Hoffnung“, die uns die Gnade gegeben hat, um unsere Herzen zu beleben und uns von den zeitlichen Dingen loszumachen, ist ihnen völlig unbekannt. Sie halten sie für Schwärmerei und warten auf den Tag des Gerichts, anstatt auf den „glänzenden Morgenstern“. Anstatt sich an dem Besitz des ewigen Lebens der göttlichen Gerechtigkeit und des Geistes der Sohnschaft zu erfreuen, bitten sie Gott täglich um Vergebung ihrer Sünden und um seinen Heiligen Geist.
Wir brauchen kaum zu sagen, dass das im offenbaren Widerspruch zu den klaren Belehrungen des Neuen Testaments steht. Es ist dem Charakter und Geist des Christentums völlig fremd und zerstört den Frieden und die Freiheit des Christen sowie allen wirklichen christlichen Gottesdienst, ja, jeden wirkungsvollen Dienst, jedes Zeugnis für Christum. Unmöglich können Seelen, die sich in einem solchen Zustand befinden, mit dankbarem Herzen, mit segenerfülltem Herzen vor dem Herrn erscheinen, denn sie haben den Segen selbst nie genossen.
Der Herr wolle in seiner Gnade die Aufmerksamkeit aller wahren Christen auf diesen wichtigen Gesichtspunkt lenken! Möchten sie die Schriften untersuchen, ob sie darin einen Anhaltspunkt finden, dass Seelen beständig in Ungewissheit, Zweifel und Knechtschaft gehalten werden. Zwar enthält das Wort Gottes ernste Ermahnungen und Warnungen, und wir danken Gott dafür, denn wir brauchen sie und sollten sie tief in unsere Herzen einprägen! Aber man sollte doch nicht außer Acht lassen, dass es das kostbare Vorrecht gerade der Kindlein in Christus ist, zu wissen, dass alle ihre Sünden vergeben sind, dass sie in dem auferstandenen Christus angenommen, mit dem Heiligen Geist versiegelt und Erben der ewigen Herrlichkeit sind. Das sind die Segnungen, die ihnen durch eine unendliche und unumschränkte Gnade geschenkt worden sind, wozu sie die Liebe Gottes berufen und das Blut Christi passend gemacht hat, und die ihnen das Zeugnis des Heiligen Geistes zusichert. Möchte der große Erzhirte und Aufseher unserer Seelen alle Lämmer und Schafe seiner bluterkauften Herde dahin leiten, dass sie durch die Belehrung des Heiligen Geistes die Dinge kennen, die ihnen von Gott geschenkt sind!
Andererseits ist sehr zu befürchten, dass viele unter uns, die sich rühmen, diese herrlichen Wahrheiten zu kennen, in ihrem praktischen Wandel ihrem hohen Bekenntnis nicht entsprechen. Wir handeln dann nicht nach dem Grundsatz des 17. Verses unseres Kapitels: „Und man soll nicht leer vor dem Herrn erscheinen: jeder nach dem, was seine Hand geben kann, nach dem Segen des Herrn, deines Gottes, den er dir gegeben hat“. Obwohl wir nichts für unsere Errettung zu tun, nichts für sie zu geben haben, vergessen wir so leicht, dass es vieles gibt, was wir für den Herrn, für seine Arbeiter und die Armen tun können. Wenn wir in den Tagen unserer Unwissenheit und Gesetzlichkeit manches nach falschen Grundsätzen und zu einem verkehrten Zweck getan und gegeben haben, so sollten wir jetzt wirklich nicht weniger tun und geben, nachdem wir durch die Gnade erkannt haben, dass wir nicht nur errettet, sondern auch mit allen geistlichen Segnungen in dem auferstandenen und verherrlichten Christus gesegnet sind. Hüten wir uns, diese herrlichen Wahrheiten bloß mit dem Verstand zu erfassen und mit dem Mund zu bekennen, während Herz und Gewissen von ihren Wirkungen nichts fühlen und unser Leben nicht unter ihrem mächtigen und heiligenden Einfluss steht!
Lasst uns diese Gedanken unter Gebet vor dem Herrn erwägen. Wir möchten keinen Stein auf andere werfen, die Gläubigen aber im Wissen um die Gegenwart Gottes vor einer Gefahr warnen, die uns allen gemeinsam droht. Wir glauben, dass die heutigen Zustände uns dringend mahnen, unsere Wege zu prüfen, uns vor dem Herrn wegen des bei uns herrschenden Mangels an Treue und Wachsamkeit zu demütigen und Gnade bei ihm zu suchen, um aufrichtiger, ergebener und entschiedener in unserem Zeugnis für ihn in diesen düsteren und bösen Tagen zu sein.