Behandelter Abschnitt 5. Mose 10,1-5
Erinnerungen und Ermahnungen
Die zweiten Tafeln des Gesetzes
Zu Anfang des 10. Kapitels verweilt Mose bei dem, was mit den Gesetzestafeln in Verbindung stand, von denen die Ersten am Fuß des Berges in Stücke zerschlagen und die anderen in die Lade gelegt worden waren (V. 1–5).
Die zerbrochenen Tafeln redeten eine ernste Sprache. Sie enthielten eine heilsame Lehre für das Volk. Unser Kapitel bringt nicht etwa eine Wiederholung der im zweiten Buch Mose berichteten Tatsachen, sondern erfüllt vielmehr eine besondere Aufgabe. Der Diener Gottes erinnert hier wieder das Volk an die vergangenen Dinge, um sie ihrem Gedächtnis unauslöschlich einzuprägen. Er lässt sie einen Blick in die Vorgänge tun, die sich während der geheimnisvollen vierzig Tage auf dem Gipfel des wolkenbedeckten Berges zwischen ihm und dem Herrn ereignet hatten. Er teilt dem Volk mit, wie der Herr über die zerbrochenen Tafeln dachte, dieses treffende und überwältigende Zeugnis von der gänzlichen Wertlosigkeit des mit dem Menschen abgeschlossenen Bundes. Warum waren die Tafeln denn zerbrochen worden? Weil das Volk in trauriger Weise gefehlt hatte. Die zerbrochenen Tafeln zeigten, dass Israel nach dem Urteil des Gesetzes hoffnungslos verloren war. Wie eine zerbrochene Säule auf einem Grab ein ausdrucksvolles Sinnbild der Hinfälligkeit und Vergänglichkeit aller menschlichen Kraft ist, das keiner weiteren Inschrift bedarf, so verkündigten diese zerbrochenen Tafeln dem Volk Israel die schreckliche Tatsache, dass, soweit es ihren Bund betraf, alles für sie verloren war. Es gab aufgrund des Gesetzes keine Hoffnung mehr für sie. Sie hatten Schiffbruch erlitten. Alles war dahin.
Was aber bedeuten die anderen Tafeln? Gott sei Dank, dass sie von einem ganz anderen Zweck sprachen. Sie wurden nicht zerbrochen. Gott selbst sorgte dafür. „Und ich wandte mich und stieg vom Berg herab. Und ich legte die Tafeln in die Lade, die ich gemacht hatte; und sie sind dort, wie der Herr mir geboten hat“ (V. 5).
Gesegnete Tatsache! „Sie sind dort“, verborgen in der Lade, die von Christus redet, der das Gesetz groß gemacht und jedes Jota, jedes Strichlein zur Verherrlichung seines Gottes und zum ewigen Segen seines Volkes erfüllt hat. Während die Trümmer der ersten Tafeln ein demütigendes Zeugnis von dem Verfall und Verderben Israels ablegten, gaben die anderen, die unversehrt in der Lade ruhten, Zeugnis von der Wahrheit, dass Christus des Gesetzes Ende ist, jedem Glaubenden zur Gerechtigkeit, sowohl dem Juden zuerst als auch dem Griechen.
Wir behaupten nicht, dass Israel die Bedeutung dieser wunderbaren Tatsachen verstanden hätte. Sicher haben Einzelne von ihnen etwas davon erfasst, aber als Nation verstanden sie es damals noch nicht. Doch darum geht es hier nicht. Wir sollten die Anwendung der in den Tafeln vorgestellten kostbaren Wahrheit auf uns selbst verstehen, dass nämlich der Mensch in allem, was ihm anvertraut ist, versagt hat, während der Bund Gottes in Gnade von ewiger Dauer ist, bestätigt durch das Blut Christi. Und nahe ist die Zeit, wo dieser Grund in allen seinen herrlichen Ergebnissen im tausendjährigen Reich zur Wirkung kommen wird, wenn der Sohn Davids herrschen wird von Meer zu Meer, und von dem Strom bis an die Enden der Erde; wenn die Nachkommen Abrahams das Land der Verheißung, so wie Gott es ihm gegeben hat, besitzen wird, und wenn alle Nationen der Erde gesegnet sein werden unter der Herrschaft des Friedefürsten.
Ist das nicht eine herrliche Aussicht für das Land Israel und für unsere seufzende Erde? Dann wird der König der Gerechtigkeit und des Friedens alles nach seiner eigenen Weise handhaben. Alles Böse wird mit mächtiger Hand unterdrückt werden. Keine Schwäche wird sich in dieser Regierung zeigen, und keine Zunge wird es wagen, sich gegen ihre Beschlüsse und Verfügungen aufzulehnen. Keinem Aufwiegler wird es gestattet sein, den Frieden des Volkes zu stören oder die Majestät auf dem Thron zu lästern.
Jeder Missbrauch wird dann abgeschafft, jedes zerstörende Element unschädlich gemacht, jeder Anstoß entfernt und jede Wurzel der Bitterkeit ausgerottet sein. Kein Armer und Dürftiger wird unbeachtet bleiben, sondern alle werden in göttlicher Weise versorgt werden. Mühsal, Kummer, Mangel und Trostlosigkeit wird man nicht kennen. „Die Wüste und das dürre Land werden sich freuen, und die Steppe wird frohlocken und aufblühen wie eine Narzisse.“ „Siehe, ein König wird regieren in Gerechtigkeit; und die Fürsten, sie werden nach Recht herrschen. Und ein Mann wird sein wie ein Bergungsort vor dem Wind und ein Schutz vor dem Unwetter, wie Wasserbäche in dürrer Gegend, wie der Schatten eines gewaltigen Felsens in lechzendem Land“ (Jes 35,1; 32,1.2).