Behandelter Abschnitt 5. Mose 6,1-4
Es gibt nur einen Gott
Der wahre Gott und die Götzen
„Und dies sind die Gebote, die Satzungen und die Rechte, die der Herr, euer Gott, geboten hat, euch zu lehren, damit ihr sie tut in dem Land, wohin ihr hinüberzieht, um es in Besitz zu nehmen; damit du den Herrn, deinen Gott, fürchtest alle Tage deines Lebens, um alle seine Satzungen und seine Gebote zu halten, die ich dir gebiete, du und dein Sohn und deines Sohnes Sohn, und damit deine Tage sich verlängern. So höre denn, Israel, und achte darauf, sie zu tun, damit es dir wohl ergehe, und ihr euch sehr mehrt – so wie der Herr, der Gott deiner Väter, zu dir geredet hat – in einem Land, das von Milch und Honig fließt! Höre, Israel: Der Herr, unser Gott, ist ein Herr“ (V. 1–4).
Wir finden hier die große Grundwahrheit, die zu bewahren das Volk Israel ganz besonders berufen war, nämlich die Wahrheit, dass Gott ein einiger Gott ist. Diese Wahrheit bildete eigentlich die Grundlage des ganzen jüdischen Systems. So lange das Volk an dieser Wahrheit festhielt, war es glücklich und gesegnet; sobald es aber diese Wahrheit fallen ließ, war alles verloren. Diese Wahrheit zeichnete Israel vor allen Nationen der Erde aus. Das Volk war berufen, sie zu bekennen angesichts einer götzendienerischen Welt mit „ihren vielen Göttern und vielen Herren“. Es war Israels Vorrecht und seine heilige Pflicht, ständig Zeugnis von der Einheit Gottes abzulegen. Schon Abraham, ihr Vater, war berufen worden, aus seiner götzendienerischen Umgebung auszuziehen, um ein Zeugnis für den einen wahren und lebendigen Gott zu sein.
Im letzten Kapitel des Buches Josua finden wir einen ernsten Hinweis darauf, verbunden mit einer eindringlichen Ermahnung, die Josua in seiner letzten Ansprache an das Volk richtet. Wir lesen dort: „Und Josua versammelte alle Stämme Israels nach Sichem, und er rief die Ältesten von Israel und seine Häupter und seine Richter und seine Vorsteher; und sie stellten sich vor Gott. Und Josua sprach zu dem ganzen Volk: So spricht der Herr, der Gott Israels: Eure Väter wohnten vor alters jenseits des Stromes, Tarah, der Vater Abrahams und der Vater Nahors, und sie dienten anderen Göttern. Und ich nahm Abraham, euren Vater, von jenseits des Stromes und ließ ihn durch das ganze Land Kanaan wandern, und ich mehrte seine Nachkommenschaft und gab ihm Isaak“ (Jos 24,1-3).
Sie hätten nie vergessen sollen, dass ihre Väter anderen Göttern gedient hatten. Die Erinnerung daran würde sie stets angespornt haben, mit Eifer über sich zu wachen, um nicht selbst in diese grobe und schreckliche Sünde hineinzugeraten, woraus Gott ihren Vater Abraham herausgeführt hatte. Sie würden erkannt haben, wie gefährdet sie waren, in dieselbe Sünde zu fallen, in der einst ihre Väter gelebt hatten.
Die Warnungen Josuas vor dem Götzendienst
Im weiteren Verlauf seiner Rede stellt Josua dem Volk noch einmal die wesentlichen Ereignisse ihrer Geschichte vor, von der Geburt Isaaks bis zu dem damaligen Zeitpunkt, und ermahnt es im Rückblick darauf: „Und nun fürchtet den Herrn und dient ihm in Vollkommenheit und in Wahrheit; und tut die Götter weg, denen eure Väter jenseits des Stromes und in Ägypten gedient haben, und dient dem Herrn. Und wenn es übel ist in euren Augen, dem Herrn zu dienen, so erwählt euch heute, wem ihr dienen wollt, ob den Göttern, denen eure Väter gedient haben, die jenseits des Stromes wohnten, oder den Göttern der Amoriter, in deren Land ihr wohnt. Ich aber und mein Haus, wir wollen dem Herrn dienen!“ (Jos 24,14.15).
Wir finden wiederholt erwähnt, dass die Väter Israels falschen Göttern gedient hatten und dass das Land, in das der Herr das Volk gebracht hatte, von einem Ende bis zum anderen von den Gräueln des heidnischen Götzendienstes befleckt war. Josua, dieser treue Knecht des Herrn, suchte, geleitet durch den Heiligen Geist, dem Volk die große Gefahr vor Augen zu stellen, dass es diese bedeutende Grundwahrheit von dem einen wahren und lebendigen Gott verlieren und in den Götzendienst zurückfallen konnte. Hier musste eine eindeutige und aufrichtige Entscheidung getroffen werden: „Erwählt euch heute, wem ihr dienen wollt.“ Nichts gleicht einer solchen bestimmten Entscheidung des Herzens für Gott. Sie gebührt ihm stets. Der Herr hatte bewiesen, dass Er für sie war, indem Er sie aus der Knechtschaft Ägyptens erlöst, in der Wüste ernährt und in das verheißene Land gebracht hatte. Daher war es ihre selbstverständliche Pflicht, sich auch mit ganzem Herzen für ihn zu entscheiden.
Wie tief Josua diese Zusammenhänge für seine Person empfand, geht klar aus seinen denkwürdigen Worten hervor: „Ich aber und mein Haus, wir wollen dem Herrn dienen!“ Das Volk im Allgemeinen mochte von Gott abweichen, die persönliche Gottesfurcht in Haus und Familie brauchte aber hiervon nicht berührt zu werden. Durch Gottes Gnade gilt das überall und zu allen Zeiten. Gott sei Dank dafür! Lasst uns das nicht vergessen! „Ich und mein Haus“ ist die klare und fröhliche Antwort des Glaubens auf Gottes „du und dein Haus“. Mag der Zustand des bekennenden Volkes Gottes sein, wie er will, es ist und bleibt zu jeder Zeit das Vorrecht des aufrichtigen Gläubigen, sich wie Josua zu entscheiden und so zu handeln: „Ich aber und mein Haus, wir wollen dem Herrn dienen!“
Allerdings kann nur durch die täglich dargereichte Gnade Gottes dieser Entschluss verwirklicht werden. Aber wir dürfen sicher sein, dass da, wo jemand dem Herrn aufrichtig folgen will, er auch Tag für Tag die nötige Gnade empfängt. Die ermutigende Antwort, die dem Apostel Paulus auf sein Flehen zuteilwurde, bleibt immer wahr: „Meine Gnade genügt dir, denn meine Kraft wird in Schwachheit vollbracht“ (2Kor 12,9).
Die Folgen in der Geschichte Israels
Die Worte Josuas schienen für den Augenblick ihre Wirkung auf das Volk nicht zu verfehlen (V. 16– 18). Das Volk verstand offenbar, dass der Herr Anspruch auf unbedingten Gehorsam hat. Das Volk konnte alle die mächtigen Taten Gottes aufzählen. Es verwahrte sich feierlich gegen jede Abgötterei und versprach, dem Herrn, seinem Gott, allein zu gehorchen. Aber wie bald zeigte sich, wie recht Josua hatte, als er dem Volk antwortete: „Ihr könnt dem Herrn nicht dienen; denn er ist ein heiliger Gott, er ist ein eifernder Gott; er wird eure Übertretungen und eure Sünden nicht vergeben“ (V. 19). Wie bald gaben sie sich dem bestrickenden Zauber des Götzendienstes hin, und wie schnell wichen sie ab von dem einen wahren Gott! Alle ihre Versprechungen, Vorsätze und Gelübde, die sie unter dem mächtigen Eindruck der Worte Josuas ausgesprochen hatten, blieben unerfüllt und wurden sehr bald vollständig vergessen (vgl. Ri 2,7-13).
Die traurige Geschichte des Volkes enthält auch für uns eine ernste Warnung. Solange Josua und die Ältesten lebten, wurde Israel durch ihre Gegenwart und ihren Einfluss vor offenem Abfall bewahrt.
Aber kaum waren diese gestorben, so brach auch gleich die dunkle Flut des Götzendienstes herein und schwemmte die Grundlagen des israelitischen Glaubens hinweg. Der Herr Israels wurde ersetzt durch Baal und Astaroth. Menschlicher Einfluss ist immer eine schwache Stütze, ein lockerer Halt. Wenn wir nicht durch Gottes Macht bewahrt bleiben, so werden wir früher oder später abweichen. Der Glaube, der bloß in der Weisheit der Menschen und nicht in der Kraft Gottes gegründet ist, wird sich immer als arm, schwach und wertlos erweisen. Er wird in den Tagen der Trübsal nicht bestehen und das Feuer der Läuterung nicht ertragen.
Wir tun gut, das ernstlich zu bedenken. Ein Glaube aus zweiter Hand kann nicht genügen. Es muss ein lebendiges Bindeglied zwischen Gott und der Seele vorhanden sein. Wir müssen persönlich mit Gott in Verbindung stehen, sonst werden wir wanken und fallen, wenn die Zeit der Prüfung kommt. Menschliches Beispiel und menschlicher Einfluss haben an ihrem Platz ihren Wert. Es war gut und recht, auf Josua und die Ältesten zu blicken und ihre Treue nachzuahmen. Es ist ermunternd, von einer Zahl treuer, unterwürfiger Christen umgeben zu sein, und angenehm, von dem Strom gemeinsamer Treue zu Christus und zu seiner Person und seinem Werk mitgetragen zu werden. Aber wenn das alles ist, wenn die Quelle persönlichen Glaubens und persönlicher Erkenntnis fehlt, wenn nicht das göttlich gewirkte und unterhaltene Band der Gemeinschaft vorhanden ist, so werden wir, wenn die menschlichen Stützen brechen und ein allgemeiner Rückgang eintritt, dem Volk Israel gleich sein, das dem Herrn folgte, solange Josua und die Ältesten lebten. Wir werden das Bekenntnis seines Namens aufgeben und zurückkehren zu den Torheiten und Eitelkeiten der Welt, zu Dingen, die in Wirklichkeit nicht besser sind als Baal und Astaroth.
Wenn dagegen das Herz in der Wahrheit und Gnade Gottes fest gegründet ist und wir sagen können, wie es das Vorrecht jedes wahren Gläubigen ist: „Ich weiß, wem ich geglaubt habe, und bin überzeugt, dass er mächtig ist, das ihm von mir anvertraute Gut auf jenen Tag zu bewahren“ (2Tim 1,12), so werden wir, mögen sich auch alle um uns her von dem öffentlichen Bekenntnis Christi wegwenden und mögen wir uns von aller menschlichen Hilfe verlassen sehen, doch den „festen Grund Gottes“ sicher finden und den Weg des Gehorsams so klar vor uns liegen sehen, als ob Tausende ihn vor uns her in Entschiedenheit gingen.
Wir müssen beachten, dass Gott der bekennenden Christenheit in der Geschichte des Volkes Israel tiefgründige und ernste Belehrungen geben wollte. „Denn alles, was zuvor geschrieben worden ist, ist zu unserer Belehrung geschrieben“ (Röm 15,4). Und um uns diese Belehrung zunutze zu machen, brauchen wir keine künstlichen Vergleiche anzustellen oder weithergeholte Erläuterungen zu suchen. Viele haben das getan, und anstatt durch die Schriften ermuntert zu werden, haben sie sich in leere und törichte Gedanken verloren oder sind in verderbliche Irrtümer geraten. Wir haben es nur mit Tatsachen zu tun, die uns in der Schrift mitgeteilt sind. Über sie wollen wir nachdenken, und aus ihnen können wir die Lehren für unser praktisches Verhalten ziehen.