Behandelter Abschnitt 5. Mose 5,22-33
Ein Herz, um Gott zu fürchten
Wir wollen noch kurz auf die Schlussverse des fünften Kapitels eingehen. Nachdem Mose dem Volk noch einmal die zehn Gebote vorgestellt hat, fährt er fort, sie an die Begleitumstände der Gesetzgebung sowie an ihre eigenen Empfindungen und Äußerungen bei dieser Gelegenheit zu erinnern (V. 22–33).
Der Hauptgrundsatz des fünften Buches Mose erscheint hier wieder in sehr schönem Glanz. Er ist eingekleidet in zu Herzen gehende Worte, die den Kern dieser Stelle bilden: „Möchte doch dieses ihr Herz ihnen bleiben: mich allezeit zu fürchten und alle meine Gebote zu halten, damit es ihnen und ihren Kindern wohl ergehe auf ewig!“ (V. 29).
Welche Worte! Sie zeigen uns, dass die Quelle des Lebens in einfältigem, unbedingtem Gehorsam besteht. Dieses Leben sollen wir als Christen täglich offenbaren, indem wir den Herrn fürchten, nicht in einem knechtischen Geist, sondern mit wahrer, anbetender Liebe, die der Heilige Geist in unsere Herzen ausgegossen hat. Ein solches Leben erfüllt das Herz unseres liebenden Vaters mit Freude. Sein Wort an uns ist: „Gib mir, mein Sohn, dein Herz!“ (Spr 23,26). Haben wir ihm unser Herz gegeben, so folgt alles andere von selbst. Ein Mensch, der Gott liebt, wird gerne alle Gebote Gottes beobachten und tun. Nichts hat Wert für Gott, was nicht aus der Liebe zu ihm entspringt. Das Herz ist der Ausgangspunkt des Lebens. Wird es von der Liebe Gottes regiert, so wird sich das in der Befolgung seiner Gebote äußern. Wir lieben seine Gebote, weil wir ihn lieben. Jedes Wort Gottes ist wertvoll für ein Herz, das ihn liebt. Jeder Befehl, jede Satzung, jedes Urteil, mit einem Wort, sein ganzes Gesetz wird geliebt und geehrt, weil sein Name und seine Autorität damit verbunden sind.
In Psalm 119 finden wir sehr schöne Erläuterungen hierfür und zugleich das ermunternde Beispiel eines Menschen, der seine tiefe und bleibende Freude an dem Gesetz gefunden hat. Genau hundertsechsundsiebzig Aussprüche über das Wort und das Gesetz finden wir in diesem wunderbaren Psalm. Einige davon lauten: „In meinem Herzen habe ich dein Wort verwahrt, damit ich nicht gegen dich sündige.“ „An dem Weg deiner Zeugnisse habe ich mich erfreut wie über allen Reichtum.“ „Über deine Vorschriften will ich sinnen und achthaben auf deine Pfade.“ „An deinen Satzungen habe ich meine Wonne; dein Wort werde ich nicht vergessen.“ „Zermalmt ist meine Seele vor Verlangen nach deinen Rechten zu aller Zeit.“ „Ich halte an deinen Zeugnissen fest.“ „Siehe, ich verlange nach deinen Vorschriften.“ „Ich harre auf deine Rechte.“ „Ich vertraue auf dein Wort.“ „Ich werde meine Wonne haben an deinen Geboten, die ich liebe.“ „Deine Satzungen sind meine Gesänge gewesen im Haus meiner Fremdlingschaft.“ „Besser ist mir das Gesetz deines Mundes als Tausende von Gold und Silber.“ „Ich habe auf dein Wort geharrt.“ „Dein Gesetz ist meine Wonne.“ „Alle deine Gebote sind Treue.“ „In Ewigkeit, Herr, steht dein Wort fest in den Himmeln.“ „Auf ewig werde ich deine Vorschriften nicht vergessen.“ „Wie liebe ich dein Gesetz! Es ist mein Sinnen den ganzen Tag.“ „Wie süß sind meinem Gaumen deine Worte, mehr als Honig meinem Mund!“ „Deine Zeugnisse habe ich mir als Erbteil genommen auf ewig, denn sie sind die Freude meines Herzens.“ „Darum liebe ich deine Gebote mehr als Gold und gediegenes Gold.“ „Darum halte ich alle deine Vorschriften für recht.“ „Wunderbar sind deine Zeugnisse.“ „Ich habe meinen Mund weit aufgetan und gelechzt, denn ich habe verlangt nach deinen Geboten.“ „Wohlgeläutert ist dein Wort.“ „Gerechtigkeit sind deine Zeugnisse ewiglich.“ „Wohlgeläutert ist dein Wort.“ „Gerechtigkeit sind deine Zeugnisse auf ewig.“ – „Alle deine Gebote sind Wahrheit.“ „Die Summe deines Wortes ist Wahrheit, und alles Recht deiner Gerechtigkeit währt ewig.“ „Ich freue mich über dein Wort wie einer, der große Beute findet.“ „Großen Frieden haben die, die dein Gesetz lieben.“ „Meine Seele hat deine Zeugnisse bewahrt, und ich liebe sie sehr.“
Wie bedeutend ist das alles für uns! Wie belebend und ermutigend ist es zu sehen, wie der Herr selbst zu jeder Zeit sich auf die Schrift stützte, welchen Platz Er ihr gab und mit welcher Würde Er sie zitierte! Bei jeder Gelegenheit berief Er sich auf das Wort als auf eine göttliche Autorität, die alles entscheidet. Obgleich Er Gott war über alles, obgleich Er selbst das göttliche Buch gegeben hatte, nahm Er doch auf der Erde seinen Platz als Mensch ein und zeigte unzweideutig, dass es die Pflicht und das Vorrecht des Menschen ist, durch das Wort Gottes zu leben und sich in Ehrfurcht unter seine göttliche Autorität zu beugen.
Zugleich finden wir hier eine befriedigende Antwort auf die oft aufgeworfene Frage des Unglaubens: „Wie können wir wissen, dass die Bibel Gottes Wort ist?“ Alle, die an Christus glauben und bekennen, dass Er der Sohn Gottes ist, Gott offenbart im Fleisch, das heißt wahrer Gott und wahrer Mensch, werden tief beeindruckt davon sein, dass diese göttliche Person sich beständig auf die Schriften, auf Mose, auf die Propheten und die Psalmen berief. Er erkannte sie als das Wort Gottes an. Als Gott gab Er die Schriften, als Mensch empfing Er sie, lebte durch sie und erkannte ihre höchste Autorität in allen Dingen an. Welch eine niederschmetternde Tatsache ist das für die bekennende Christenheit und vor allem für die christlichen Theologen und Schriftsteller, die sich anmaßen, die große Grundwahrheit von der Inspiration der Heiligen Schrift und besonders der fünf Bücher Moses zu leugnen! Wie furchtbar ist der Gedanke, dass solche, die sich Lehrer der Versammlung Gottes nennen, nicht davor zurückschrecken, Schriften als unecht zu bezeichnen, die unser Herr und Meister selbst als göttlich anerkannte.
Wird die Welt sich bekehren?
Wohin ist die Christenheit gekommen! Und ach, das Zeugnis der Heiligen Schrift von Anfang bis zu Ende, Propheten und Apostel, beweisen einstimmig, dass der gegenwärtige Zustand sich nicht etwa allmählich bessern, sondern immer trauriger und schlechter werden wird, und dass, bevor die Herrlichkeit des tausendjährigen Reiches die Erde erfreuen kann, das Schwert des Gerichts sein schreckliches Werk tun muss.
Damit soll nicht gesagt sein, dass wir dem Guten die Anerkennung versagen, das geschehen ist und noch geschieht. Wir danken Gott für jedes noch so kleine Werk. Wir freuen uns über jede Bemühung zur Ausbreitung des herrlichen Evangeliums der Gnade Gottes; wir danken für jede Seele, die der Gemeinschaft der Erlösten Gottes zugeführt wird. Wir freuen uns über die vielen Millionen Bibeln, die über die ganze Erde verbreitet sind. Wer könnte die segensreichen Folgen der Verbreitung des göttlichen Buches ausdenken? Aber trotzdem wird sich die Welt durch die Mittel, die heute angewandt werden, nicht bekehren. Die Schrift sagt uns, dass dann, wenn die Gerichte Gottes die Erde treffen, die Bewohner des Erdkreises Gerechtigkeit lernen (Jes 26,9). Nicht durch Gnade, sondern durch Gericht wird das geschehen.
Aber was ist dann der Zweck des Evangeliums? Wozu wird es gepredigt, wenn nicht zur Bekehrung der Welt? Der Apostel Jakobus gibt in seiner Rede vor dem Konzil in Jerusalem eine eindeutige Antwort auf diese Frage. Er sagt: „Simon hat erzählt, wie zuerst Gott darauf gesehen hat, aus den Nationen ein Volk zu nehmen für seinen Namen“, nicht aber, um die Nationen zu bekehren. Das führt uns den großen Zweck aller Missionsarbeit vor Augen, den jeder Missionar bei seiner Tätigkeit stets verfolgen sollte: „aus ihnen (den Nationen) ein Volk zu nehmen für seinen Namen“ (Apg 15).
Es ist völlig klar, dass die Apostel unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus, als sie an die Arbeit gingen, nicht daran dachten, die Welt zu bekehren. „Geht hin in die ganze Welt und predigt der ganzen Schöpfung das Evangelium. Wer da glaubt und getauft wird, wird errettet werden; wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden“ (Mk 16,15). Die Welt war also das Wirkungsfeld der Zwölf. Ihre Botschaft war bestimmt für die ganze Schöpfung, konnte aber nur auf den angewendet werden, der glaubt. Es war eine ganz persönliche Sache.
Die Zwölf hatten nicht den Auftrag, die Welt zu bekehren. Erst dann, wenn durch die Predigt des Evangeliums ein Volk für den Himmel gesammelt und dorthin versetzt ist, wird nach schrecklichen Gerichten die Zeit kommen, wo die „Erde voll sein wird der Erkenntnis des Herrn“11. Am Pfingsttag kam der Heilige Geist vom Himmel hernieder, nicht um die Welt zu bekehren, sondern um sie zu „überführen“ von ihrer Schuld an der Verwerfung des Sohnes Gottes. Seine Gegenwart bewirkte die Überführung der Welt, und der wichtigste Zweck seines Kommens war es, einen Leib von Gläubigen aus den Juden und aus den Heiden zu bilden. Das war das Geheimnis, dessen Diener Paulus wurde und das er in solch gesegneter Weise im Epheserbrief entfaltet hat. Es ist unmöglich, diese Wahrheit zu kennen und trotzdem festzuhalten, dass die Bekehrung der Welt und die Bildung des Leibes Christi zu gleicher Zeit stattfinden können.
Was der besondere Gegenstand im Dienst des Apostels Paulus war, zeigen uns Schriftstellen wie Epheser 3,1-10 und Kolosser 1,23-29. Der Gedanke an eine Bekehrung der Welt kam ihm sicherlich nie in den Sinn. Er predigte das Evangelium in seiner ganzen Tiefe und Kraft „von Jerusalem an und ringsumher bis nach Illyrikum“; er verkündigte „unter den Nationen den unergründlichen Reichtum des Christus“, aber nie mit der Absicht, die Welt zu bekehren. Er wusste und lehrte, dass die Welt schnell dem Gericht entgegenreift, dass „böse Menschen und Gaukler im Bösen fortschreiten werden“ und „dass in späteren Zeiten einige von dem Glauben abfallen werden, indem sie achten auf betrügerische Geister und Lehren von Dämonen, durch die Heuchelei von Lügenrednern, die betreffs des eigenen Gewissens wie mit einem Brenneisen gehärtet sind“ (1Tim 4,1-3).
Ferner lehrt dieser treue und göttlich inspirierte Zeuge, dass „in den letzten Tagen“, das heißt unmittelbar vor der Ankunft des Herrn, „schwere Zeiten eintreten werden; denn die Menschen werden selbstsüchtig sein, geldliebend, prahlerisch, hochmütig, Lästerer, den Eltern ungehorsam, undankbar, unheilig, ohne natürliche Liebe, unversöhnlich, Verleumder, unenthaltsam, grausam, das Gute nicht liebend, Verräter, verwegen, aufgeblasen, mehr das Vergnügen liebend als Gott, die eine Form der Gottseligkeit haben, deren Kraft aber verleugnen“ (2Tim 3,1-5).
Welch ein Bild! Es erinnert uns an den Schluss von Römer 1, wo wir eine ähnliche Schilderung finden, nur mit dem Unterschied, dass dort die Gräuel des Heidentums aufgezeichnet sind, während es sich hier nicht um das Heidentum, sondern um das Namenschristentum, um „eine Form der Gottseligkeit“ handelt. Das ist also das Ende der Christenheit! Das ist die bekehrte Welt, von der man so viel redet! Ach, es gibt falsche Propheten rings um uns her. Sie rufen „Friede! Friede!“, und da ist doch kein Friede. Sie versuchen, die verfallenen Mauern des Christentums zu übertünchen. Aber all ihr Bemühen ist umsonst, all ihre Arbeit vergeblich. Das Gericht steht vor der Tür. Die bekennende Christenheit hat schrecklich gefehlt. Sie ist in trauriger Weise abgewichen von dem Wort Gottes und hat sich empört gegen die Autorität ihres Herrn. Es gibt auch nicht einen einzigen Hoffnungsstrahl für die bekennende Christenheit.
Der Apostel Paulus sagt uns, dass das „Geheimnis der Gesetzlosigkeit“ schon zu seiner Zeit wirksam war. Es ist also jetzt schon mehr als neunzehnhundert Jahre wirksam. „Nur ist jetzt der da, der zurückhält, bis er aus dem Weg ist, und dann wird der Gesetzlose offenbart werden, den der Herr Jesus verzehren wird durch den Hauch seines Mundes und vernichten wird durch die Erscheinung seiner Ankunft, ihn, dessen Ankunft nach der Wirksamkeit des Satans ist, in aller Macht und allen Zeiten und Wundern der Lüge und in allem Betrug der Ungerechtigkeit denen, die verloren gehen, darum dass sie die Liebe zur Wahrheit nicht annahmen, damit sie errettet würden. Und deshalb sendet ihnen Gott eine wirksame Kraft des Irrwahns, dass sie der Lüge glauben, damit alle gerichtet werden, die der Wahrheit nicht geglaubt, sondern Wohlgefallen gefunden haben an der Ungerechtigkeit“ (2Thes 2,7-12).
Welch ein schreckliches Los! Und alles das angesichts der Träume falscher Propheten, die den Zustand der Dinge schön und glänzend darzustellen suchen. Ja, gepriesen sei Gott, es gibt Herrliches für alle, die Christus angehören! Ihnen ruft der Apostel die ermunternden Worte zu: „Wir aber sind schuldig, Gott allezeit für euch zu danken, vom Herrn geliebte Brüder, dass Gott euch von Anfang erwählt hat zur Errettung in Heiligung des Geistes und im Glauben an die Wahrheit, wozu er euch berufen hat durch unser Evangelium, zur Erlangung der Herrlichkeit unseres Herrn Jesus Christus“ (2Thes 2,13.14).
Hier haben wir die herrliche und glückselige Hoffnung der Kinder Gottes, den „glänzenden Morgenstern“ zu sehen. Auf dieses Ereignis warten alle Christen, die im Wort Gottes unterwiesen sind. Sie warten nicht auf eine verbesserte oder bekehrte Welt, sondern auf ihren kommenden Herrn und Heiland, der hingegangen ist, eine Stätte für sie in dem Haus seines Vaters zu bereiten, von woher Er wiederkommen wird, um sie zu sich zu nehmen, damit, wo Er ist, auch sie seien. Das ist seine eigene Verheißung, die jeden Augenblick in Erfüllung gehen kann. Er verzieht nur, wie Petrus sagt, in langmütiger Gnade, da Er nicht will, dass jemand verloren gehe, sondern dass alle zur Buße kommen. Aber wenn durch den Heiligen Geist dem Leib Christi das letzte Glied hinzugefügt ist, so wird die Stimme des Erzengels und die Posaune Gottes erschallen, und alle Erlösten werden ihrem herniederkommenden Herrn begegnen „in der Luft“, um allezeit bei ihm zu sein.
11 Wir bitten den Leser, aufmerksam den 67. Psalm zu lesen. Er beweist neben vielen anderen Schriftstellen, dass die Segnung der Nationen erst auf die Wiederherstellung Israels folgt. „Gott sei uns gnädig und segne uns, er lasse sein Angesicht über uns leuchten, damit man auf der Erde deinen Weg erkenne, unter allen Nationen deine Rettung! . . . Gott wird uns segnen, und alle Enden der Erde werden ihn fürchten.“ Gibt es einen schöneren und zugleich kräftigeren Beweis dafür, dass nicht die Versammlung, sondern Israel zur Segnung der Nationen benutzt werden wird?↩︎