Behandelter Abschnitt 4. Mose 14,1-3
Kades: Die Weigerung, in das Land Kanaan zu ziehen
Entmutigung und Unglaube
„Da erhob die ganze Gemeinde ihre Stimme und schrie, und das Volk weinte in jener Nacht“ (14,1). Kann uns das wundern? Was anders konnte von einem Volk erwartet werden, das nichts als mächtige Riesen, hohe Mauern und große Städte vor sich sah? Nur Tränen und Seufzer konnte eine Gemeinde haben, die sich angesichts solch unüberwindlicher Schwierigkeiten als „Heuschrecken“ sah und kein Gefühl von der Macht Gottes hatte, die sie siegreich durch alles hindurchführen konnte. Die ganze Gemeinde war dem Unglauben preisgegeben. Gott war ausgeschlossen. Da war nicht ein einziger Lichtstrahl, der die Finsternis, mit der sie sich selbst umgaben, erhellt hätte. Sie waren mit sich und ihren Schwierigkeiten beschäftigt, anstatt mit Gott und seinen Hilfsmitteln. Was konnten sie deshalb tun, außer weinen und klagen?
Was für ein Gegensatz zwischen den ersten Versen dieses Kapitels und dem Anfang von 2. Mose 15! Dort waren ihre Augen nur auf den Herrn gerichtet gewesen, und darum konnten sie den Siegesgesang anstimmen: „Du hast durch deine Güte geleitet das Volk, das du erlöst hast, hast es durch dein Stärke geführt zu deiner heiligen Wohnung. Die Völker hörten es, sie bebten; Angst ergriff die Bewohner Philistäas. Da wurden bestürzt die Fürsten Edoms; die Starken Moabs, sie ergriff Beben; alle Bewohner Kanaans verzagten. Schrecken und Furcht überfiel sie“ (V. 13–16). Stattdessen war jetzt Israel verzagt und bestürzt, voller Furcht und Schrecken. Und warum? Weil der, auf den dort ihr Blick gerichtet gewesen war, jetzt völlig außerhalb ihrer Gedanken war. Im ersten Fall hatte der Glaube die Oberhand, im zweiten der Unglaube.
In 2. Mose 15 steht der Herr weit über allem. Es ist nur von seiner rechten Hand die Rede, von seinem mächtigen Arm, seiner Macht, seinem Erbe, seinem Heiligtum, seinen Taten zugunsten seines erlösten Volkes. Und wenn die Bewohner Kanaans erwähnt werden, so wird an sie nur als solche gedacht, die bestürzt und von Zittern ergriffen sind, die vor Furcht beben und verstummen.
Wie ganz anders ist es in 4. Mose 14! Welch eine traurige Veränderung hat stattgefunden! Die Söhne Enaks werden plötzlich bedeutungsvoll; die turmhohen Mauern, die Riesenstädte füllen allein den Blick des Volkes aus, und wir hören kein Wort von dem allmächtigen Befreier. Unwillkürlich fragt man: „Wie ist es möglich, dass aus den triumphierenden Sängern am Roten Meer so ungläubige Weinende in Kades werden konnten?“
Wir finden hier eine tiefe und heilige Lehre. Erinnern wir uns nur immer wieder an die Worte: „Alle diese Dinge aber widerfuhren jenen als Vorbilder und sind geschrieben worden zu unserer Ermahnung, auf die das Ende der Zeitalter gekommen ist!“ (1Kor 10,11). Sind nicht auch wir genau wie Israel, weit mehr bereit, auf die uns umgebenden Schwierigkeiten zu sehen als auf den Einen, der es übernommen hat, uns wohlbehalten durch alles hindurchzuführen und uns sicher in sein ewiges Reich zu bringen? Warum sind wir oft so niedergeschlagen? Warum hört man unter uns mehr Worte der Unzufriedenheit und der Ungeduld als Lob- und Dankgesänge? Einfach deshalb, weil wir den Umständen erlauben, Gott aus unseren Gedanken auszuschließen, statt dass wir Gott allein im Herzen haben.
Und fragen wir ferner: Warum versagen wir oft so kläglich, wenn es darum geht, unsere Stellung als himmlische Menschen (1Kor 15,58) zu behaupten, von dem Besitz zu nehmen, was uns als Christen gehört, nämlich das geistliche und himmlische Erbe, das Christus für uns erworben hat und wohin Er als unser Vorläufer gegangen ist? Ein einziges Wort genügt, diese Frage zu beantworten: Unglaube.
Das Wort Gottes erklärt im Blick auf Israel, „dass sie nicht [in Kanaan] eingehen konnten wegen des Unglaubens“ (Heb 3,19). So ist es auch mit uns. Wir versagen darin, in unser himmlisches Erbe einzutreten, praktisch von unserem wahren und eigentlichen Teil Besitz zu ergreifen und Tag für Tag als ein himmlisches Volk zu leben, das keinen Platz, keinen Namen, kein Teil auf der Erde hat, das nur insofern mit dieser Welt zu tun hat, als es sie als Pilger und Fremde durchwandert, indem es den Spuren dessen folgt, der vorausgegangen ist und seinen Platz im Himmel eingenommen hat. Und warum unterlassen wir es? Wegen unseres Unglaubens. Der Glaube fehlt, und darum haben die sichtbaren Dinge mehr Macht über unsere Herzen als die unsichtbaren. Möchte der Heilige Geist unseren Glauben stärken, unseren Seelen Kraft geben und uns aufwärts leiten, so dass wir nicht nur von einem himmlischen Leben sprechen, sondern es leben – zum Preis dessen, der uns in seiner unendlichen Gnade dazu berufen hat!