Behandelter Abschnitt 4. Mose 11,24-25
Der Geist auf die siebzig Ältesten gelegt
„Da ging Mose hinaus und redete zum Volk die Worte des Herrn; und er versammelte siebzig Männer aus den Ältesten des Volkes und stellte sie rings um das Zelt. Und der Herr kam in der Wolke herab und redete zu ihm und nahm von dem Geist, der auf ihm war, und legte ihn auf die siebzig Männer, die Ältesten. Und es geschah, sobald der Geist auf sie kam, weissagten sie; aber sie fuhren nicht fort“ (V. 24.25).
Das wahre Geheimnis alles Dienstes ist geistliche Kraft. Es besteht nicht in den Fähigkeiten, dem Verstand und der Kraft des Menschen, sondern einfach in der Kraft des Geistes Gottes. Das war in den Tagen Moses wahr, und es gilt noch heute. „Nicht durch Macht und nicht durch Kraft, sondern durch meinen Geist, spricht der Herr der Heerscharen“ (Sach 4,6). Es wäre gut, wenn alle Diener des Herrn sich dessen immer bewusst wären. Es wäre für ihr Herz eine Stütze und würde ihrem Dienst eine beständige Frische verleihen. Ein Dienst, der aus einer fortwährenden Abhängigkeit von dem Heiligen Geist erwächst, kann nie unfruchtbar werden. Wenn ein Mensch sich auf seine eigenen Hilfsquellen verlässt, wird er bald mit leeren Händen dastehen. Es macht nichts aus, welche Gaben er besitzt, wie belesen er ist und welche Erkenntnis oder Beredsamkeit er hat: Wenn der Heilige Geist nicht die Quelle und die Kraft seines Dienstes bleibt, muss dieser Dienst früher oder später seine Frische und Wirksamkeit verlieren.
Wie wichtig ist es also, dass alle, die dienen, sei es am Evangelium oder in der Versammlung Gottes, sich beständig und ausschließlich auf die Kraft des Heiligen Geistes stützen! Er weiß, was die Seelen nötig haben, und Er kann allem Mangel abhelfen. Aber man muss ihm vertrauen und ihn in Anspruch nehmen. Es genügt nicht, sich teilweise auf sich selbst und teilweise auf den Geist Gottes zu stützen. Wenn Selbstvertrauen da ist, so wird das schnell deutlich werden. Wir müssen dem, was zu unserem eigenen Ich gehört, wirklich auf den Grund gehen, wenn wir Gefäße des Heiligen Geistes sein wollen.
Das bedeutet nicht, dass Fleiß und Ernst in der Erforschung des Wortes Gottes wie auch ein Nachdenken über Versuchungen, Übungen, Kämpfe und mancherlei Schwierigkeiten der Seelen nicht nötig seien. Gerade das Gegenteil ist wahr. Je mehr wir leer sind von uns selbst und uns auf die mächtige Kraft des Heiligen Geistes stützen, umso fleißiger und ernster werden wir sowohl die Bibel als auch unsere Seele erforschen. Es wäre ein verhängnisvoller Irrtum, wenn ein Mensch das Bekenntnis der Abhängigkeit vom Geist Gottes als einen Vorwand benutzen wollte, das mit Gebet verbundene Forschen zu vernachlässigen. „Bedenke dies sorgfältig; lebe darin, damit deine Fortschritte allen offenbar seien“ (1Tim 4,15). Doch vergessen wir nie, dass der Heilige Geist die immer lebendige, unversiegbare Quelle des Dienstes ist!
Er allein kann in göttlicher Frische und Fülle die Schätze des Wortes Gottes aufdecken und sie in himmlischer Kraft auf die jeweiligen Bedürfnisse der Seele anwenden. Es handelt sich nicht darum, neue Wahrheiten zu enthüllen, sondern einfach darum, das Wort selbst auszulegen und es auf den inneren, geistlichen Zustand des Volkes Gottes anzuwenden. Das ist wahrer Dienst.
Das gilt sowohl für den Evangelisten als auch für den Hirten und Lehrer. Es kann jemand berufen sein, das Evangelium jahrelang an dem gleichen Ort zu predigen, obwohl ihn manchmal der Gedanke bedrücken mag, dass er immer wieder über dasselbe Thema zu der gleichen Zuhörerschaft sprechen muss. Er mag wünschen, an einen anderen Ort zu gehen, wo die Gedanken, mit denen er vertraut ist, den Zuhörern neu sind. Ein solcher Evangelist sei daran erinnert, dass Christus das eine große Thema seiner Verkündigung ist. Die Kraft zur Behandlung dieses Themas ist der Heilige Geist, und derjenige, dem Christus vorzustellen ist, ist der verlorene Sünder. Nun ist Christus zwar immer neu, die Kraft des Geistes immer frisch, aber der Zustand der Seele ist häufig dem Wechsel unterworfen. Außerdem ist es gut, wenn sich der Evangelist bei jeder neuen Gelegenheit daran erinnert, dass diejenigen, zu denen er spricht, das Evangelium in Wirklichkeit nicht kennen. Er sollte daher so reden, als vernehme seine Zuhörerschaft die Botschaft zum ersten Mal. Denn die Verkündigung des Evangeliums ist im göttlichen Sinn des Wortes nicht eine unfruchtbare Darstellung bloßer Lehrsätze oder eine bestimmte Form von Worten, die immer wieder in ermüdender Gleichmäßigkeit wiederholt werden. Im Gegenteil. Das Evangelium predigen heißt: das Herz Gottes, die Person und das Werk Christi vorstellen, und zwar durch die gegenwärtige Kraft des Heiligen Geistes und aus dem unerschöpflichen Schatz der Heiligen Schrift.
Möchten alle Diener des Wortes diese Dinge beherzigen; dann wird es kaum darauf ankommen, ob es einen Diener gibt oder siebzig und es wird auch keine Rolle spielen, ob jemand an demselben Ort fünfzig Jahre lang predigt oder an fünfzig verschiedenen Orten in einem Jahr. Es handelt sich durchaus nicht um andere Menschen oder andere Orte, sondern einfach und allein um die Kraft des Heiligen Geistes, der den Seelen Christus vorstellt. So gab es auch in diesem Fall bei Mose keine Zunahme an Kraft; sondern von dem Geist, den er besaß, wurde den siebzig Ältesten gegeben. Gott kann durch einen Menschen ebenso gut wie durch siebzig wirken, und wenn Er nicht wirkt, sind auch siebzig nicht mehr als einer.
Entscheidend ist das Bewusstsein von der Gegenwart Gottes. Das ist das wahre Geheimnis der Kraft und der Frische, sowohl für den Evangelisten als auch für den Lehrer und für jeden anderen. Wenn ein Mensch sagen kann: „Alle meine Quellen sind in dir [Gott]“ (Ps 87,7), so braucht er sich wegen seines Wirkungskreises und der Fähigkeit ihn auszufüllen, nicht zu beunruhigen. Aber wenn das nicht der Fall ist, dann ist es begreiflich, dass ein Mensch sich nach Verringerung seiner Arbeit und seiner Verantwortung sehnt. Erinnern wir uns, wie wenig geneigt Mose war, in einfacher Abhängigkeit von Gott nach Ägypten zu gehen – und wie bereitwillig er in Gemeinschaft mit Aaron ging. So ist es immer. Wir lieben etwas Greifbares, etwas, was das Auge sehen und die Hand fassen kann. Es fällt uns schwer, standhaft auszuhalten, als sähen wir den Unsichtbaren. Und dennoch erweisen sich die Stützen, auf die wir uns verlassen, so oft als zerbrochene Rohrstäbe, die uns die Hand durchbohren. Aaron wurde für Mose eine Ursache des Kummers, und diejenigen, die wir in unserer Torheit für unentbehrliche Mitarbeiter halten, werden häufig gerade das Gegenteil davon. Wenn wir doch alle lernen möchten, uns mit ungeteiltem Herzen und unerschütterlichem Vertrauen auf den lebendigen Gott zu stützen!