Behandelter Abschnitt 4. Mose 9,6-8
Ein Problem
Das vorliegende Kapitel stellt uns das Passah ganz und gar vom Standpunkt der Wüste aus dar, und das erklärt, warum der folgende Umstand erwähnt wird: „Und es waren Männer da, die wegen der Leiche eines Menschen unrein waren und an jenem Tag das Passah nicht feiern konnten; und sie traten an jenem Tag vor Mose und vor Aaron“ (V. 6).
Hier trat eine Schwierigkeit auf, etwas Regelwidriges, etwas Unvorhergesehenes, und daher wurde die Frage vor Mose und Aaron gebracht. „Und sie traten vor Mose“, den Vertreter der Ansprüche Gottes, „und vor Aaron“, den Vertreter der Hilfsquellen, die in der Gnade Gottes sind. Es scheint etwas Besonderes und Nachdrückliches in der Art zu liegen, in der diese Männer sich an Mose und Aaron wandten. Die beiden Bereiche, die Mose und Aaron vertraten, wurden für die Lösung einer Schwierigkeit, wie sie hier auftrat, für wesentlich gehalten. „Und diese Männer sprachen zu ihm: Wir sind unrein wegen der Leiche eines Menschen; warum sollen wir verkürzt werden, dass wir die Opfergabe des Herrn nicht zur bestimmten Zeit in der Mitte der Kinder Israel darbringen?“ (V. 7). Das war ein offenes Bekenntnis ihrer Verunreinigung. Die Frage, um die es sich jetzt handelte, war: Sollten sie von dem heiligen Vorrecht, auf die von Gott verordnete Weise vor ihn zu treten, ausgeschlossen werden? Gab es für einen solchen Fall keine Vorsorge, keinen Ausweg?
Das war durchaus eine wichtige Frage, auf die bis dahin noch keine Antwort gegeben worden war. Bei der ursprünglichen Einsetzung in 2. Mose 12 war ein solcher Fall nicht vorgesehen worden, obwohl wir dort an sich eine vollständige Darstellung aller Gebräuche und Zeremonien des Festes finden. Diese neue Sache wurde jedoch erst in der Wüste klar gemacht. Erst im praktischen Wandel des Volkes, in den Einzelheiten des Wüstenlebens ergab sich diese Schwierigkeit, für die eine Lösung bereitgestellt werden musste. So finden wir den Bericht über diese ganze Angelegenheit auch erst im vierten Buch Mose, dem Buch der Wüste. „Und Mose sprach zu ihnen: Bleibt stehen, und ich will hören, was der Herr euretwegen gebieten wird“ (V. 8). Welch eine schöne Haltung!
Mose wusste keine Antwort zu geben; aber er wusste, wer es tun konnte, und er wartete auf ihn. Er maßte sich nicht an, selbst eine Antwort zu geben. Er schämte sich nicht, zu sagen: „Ich weiß es nicht.“ Trotz seiner Weisheit und Erkenntnis zögerte er nicht, seine Unwissenheit einzugestehen. Das ist wahre Erkenntnis, wahre Weisheit. Für jemanden in der Stellung Moses könnte es demütigend sein, vor der Versammlung oder vor einigen ihrer Glieder hinsichtlich irgendeiner Frage als unwissend zu erscheinen. Er, der das Volk aus Ägypten geführt, der es durch das Rote Meer geleitet, der mit dem Herrn gesprochen und seine Sendung von dem großen „Ich bin“ empfangen hatte – sollte ein solcher Mann unfähig sein, eine Schwierigkeit zu lösen, die aus einem so einfachen Fall wie dem vorliegenden entstanden war? War es wirklich wahr, dass ein Mann wie Mose nicht wusste, was zu tun sei hinsichtlich von Leuten, die durch einen Toten verunreinigt waren?
Wie manche, die nicht eine so hohe Stellung innehaben wie Mose, hätten versucht, ihnen irgendeine Antwort auf diese Frage zu geben! Aber Mose war der sanftmütigste Mann auf der Erde. Er kannte etwas Besseres als die Anmaßung, zu reden, wenn er nichts zu sagen hatte. Möchten wir in dieser Hinsicht seinem Beispiel treuer folgen! Es würde uns vor mancher betrübenden Erfahrung, vor manchem Fehler und vor manchem falschen Versuch bewahren. Außerdem würde es uns wahrheitsgetreuer, einfacher, natürlicher machen. Wir sind oft so töricht, dass wir uns schämen, unsere Unwissenheit zu zeigen. Wir bilden uns ein, der Ruf unserer Einsicht und Erkenntnis werde leiden, wenn wir die Worte aussprechen, die doch so viel sittliche Größe ausdrücken: „Ich weiß es nicht.“ Das ist ein großer Irrtum. Wir legen den Worten eines Mannes, der sich niemals ein Wissen anmaßt, das er nicht hat, in der Regel viel Gewicht und Bedeutung bei, während wir kaum bereit sind, auf einen Mann zu hören, der immer in leichtfertigem Selbstvertrauen seine Meinung von sich gibt.