Behandelter Abschnitt 4. Mose 5,11-31
Untreue und Eifersucht
Der dritte und letzte Abschnitt unseres Kapitels, auf den wir nicht ausführlich einzugehen brauchen, gibt uns eine tiefe und ernste Lehre, mögen wir ihn nun vom Standpunkt der Maßnahmen Gottes oder vom moralischen Standpunkt aus betrachten. Er enthält die Verordnung über die Eifersuchtsprobe. Der Platz, den diese Verordnung hier einnimmt, ist bemerkenswert. Der erste Abschnitt behandelt das Gericht der Gesamtheit des Volkes über das Böse; der zweite das persönliche Selbstgericht, das Bekenntnis und die Erstattung; der dritte aber zeigt, dass Gott nicht einmal den Verdacht des Bösen ertragen kann.
Ohne Zweifel hat diese eindrucksvolle Verordnung Bedeutung für das Verhältnis zwischen dem Herrn und dem Volk Israel. Die Propheten vergleichen Israel häufig mit einer Frau, deren Betragen den Herrn zur Eifersucht reizt. Es finden sich viele derartige Stellen bei Jeremia und Hesekiel.
Israel konnte die durchdringende Probe des Wassers der Bitterkeit nicht bestehen. Seine Untreue ist offenbar geworden. Es hat sein Gelübde gebrochen. Es hat sich von seinem Ehemann, dem Heiligen Israels, abgewandt, dessen brennende Eifersucht über das untreue Volk ausgeschüttet worden ist. Er ist ein eifersüchtiger Gott, und Er kann den Gedanken nicht ertragen, dass sich das Herz, das Er als sein Eigentum beansprucht, einem anderen zuwendet.
Wir sehen also, dass diese Verordnung sehr deutlich den Charakter Gottes zeigt. Gott bedient sich hier der Form der Gedanken und Gefühle eines beleidigten Ehemanns, bzw. eines solchen, der eine Beleidigung sogar nur vermutet. Schon der Argwohn kann nicht geduldet werden, und wo er von einem Herzen Besitz ergreift, da muss die Sache bis auf den Grund erforscht und geprüft werden. Die verdächtigte Person muss sich einer solchen Probe unterziehen, wie sie nur jemand, der treu ist, ertragen kann. Wenn da die Spur einer Schuld vorhanden war, so würde das Wasser der Bitterkeit in die Tiefen der Seele eindringen und alles ans Licht bringen. Es gab kein Entrinnen für die Schuldige, aber gerade das macht die Rechtfertigung der Unschuldigen umso triumphierender. Derselbe Vorgang, der die Schuld der Schuldigen aufdeckte, legte die Unschuld der Treuen offen dar. Je strenger die Untersuchung war, umso willkommener musste sie dem sein, der sich seiner Lauterkeit bewusst war. Wenn durch einen Mangel in der Art der Probe für die schuldige Frau die Möglichkeit eines Entrinnens gegeben gewesen wäre, so wäre das nur zum Nachteil der unschuldigen Frau gewesen. Aber das Verfahren war göttlich und darum vollkommen. Wenn deshalb die Frau, die verdächtigt wurde, sicher durch die Prüfung hindurch gegangen war, so war ihre Treue vollkommen ans Licht gebracht und das Vertrauen restlos wiederhergestellt.
Welche Gnade war es also, einen so vollkommenen Weg zu gehen, auf dem alle zweifelhaften Fälle richtig entschieden werden konnten! Argwohn ist der Todesstoß für jede vertraute Gemeinschaft, und Gott wollte ihn in der Mitte seiner Versammlung nicht haben. Er wollte nicht nur, dass sein Volk insgesamt das Böse verurteilte und dass der Einzelne sich persönlich richtete, sondern Er verordnete auch da, wo nur der Verdacht des Bösen vorlag, ohne dass ein Beweis dafür erbracht werden konnte, eine Probe, die die Wahrheit vollständig ans Licht bringen musste. Die Schuldige musste den Tod trinken und fand darin das Gericht. 2Die Treue trank den Tod und fand darin den Sieg.
2 Der „Staub vom Fußboden der Wohnung“ kann als das Bild des Todes betrachtet werden. „In den Staub des Todes legst du mich“ (Ps 22,16). Das Wasser ist ein Bild des Wortes, das, nachdem es durch die Kraft des Heiligen Geistes auf das Gewissen angewendet ist, alles offenbar macht. Wenn irgendeine Untreue gegen Christus, den wahren Bräutigam seines Volkes, vorliegt, so muss sie völlig gerichtet werden. Das galt für das Volk Israel, es gilt für die Versammlung Gottes und für den einzelnen Gläubigen. Wenn das Herz dem Herrn nicht treu ist, so ist es für sie umso besser, je mehr sie geprüft und erprobt wird. Wie gesegnet ist es, wenn wir in Wahrheit sagen können: „Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz; prüfe mich und erkenne meine Gedanken! Und sieh, ob ein Weg der Mühsal bei mir ist, und leite mich auf ewigem Weg!“ (Ps 139,23.24).↩︎