Behandelter Abschnitt 3. Mose 14,10-32
Der achte Tag und seine Opfer
In den Versen 10–12 haben wir die ganze Reihe der Opfer; aber das Schuldopfer ist das erste, das geschlachtet wird, da der Aussätzige als ein wirklich Schuldiger betrachtet wird. Dies ist in jedem Fall wahr. Als solche, die gegen Gott gesündigt haben, benötigen wir Christus als den, der auf dem Kreuz für diese Vergehungen gebüßt hat. „Er selbst hat unsere Sünden an seinem Leib auf dem Holz getragen“ (1Pet 2,24). Der erste Gesichtspunkt, unter dem der Sünder Christus kennenlernt, ist der, dass er ihn erblickt als das Gegenbild des Schuldopfers (V. 14).
Das „Ohr“, dieses schuldige Glied, das sich so oft als Mitteilungskanal für Eitelkeit, Torheit und selbst Unreinheiten erwiesen hat, muss durch das Blut des Schuldopfers gereinigt werden. So ist jedes Vergehen, das ich durch dieses Glied begangen habe, nach dem Maß vergeben, in dem Gott das Blut Christi schätzt. Die „rechte Hand“, die sich so oft zur Ausführung eitler, törichter und selbst unreiner Werke ausgestreckt hat, muss durch das Blut des Schuldopfers gereinigt werden. So ist jedes durch dieses Glied begangene Vergehen nach dem Maß vergeben, in dem Gott das Blut Christi schätzt. Der „Fuß“, der so oft den Pfad der Eitelkeit, der Torheit und selbst der Unreinheiten gewandelt ist, muss jetzt gereinigt werden durch das Blut des Schuldopfers, so dass jedes durch dieses Glied begangene Vergehen nach dem Maß vergeben ist, in dem Gott das Blut schätzt.
Ja, alles, alles ist vergeben, alles ist ausgelöscht, alles vergessen, alles wie Blei in den gewaltigen Wassern ewiger Vergessenheit versunken. Wer könnte es wieder nach oben bringen? Werden Engel, Menschen oder Teufel imstande sein, in diese unergründlichen Wasser hinabzusteigen, um jene Vergehungen des „Fußes“, der „Hand“ oder des „Ohres“, die Gottes Liebe hineingeworfen hat, wieder an die Oberfläche zu bringen? Nein, Gott sei Dank! – Sie sind verschwunden, für ewig verschwunden. Ich bin weit besser daran, als wenn Adam nie gesündigt hätte. Weit besser ist es, im Blut Christi gewaschen, als in Unschuld gekleidet zu sein!
Das Versöhnungsblut Christi hat die Vergehungen ausgelöscht. Aber damit war Gott noch nicht zufrieden. Er hat noch Größeres im Sinn.
Unsere Glieder werden nicht nur durch das Blut Christi gereinigt, sondern auch in der Kraft des Geistes Gottes geweiht (V. 15–18). Das Werk Gottes verdrängt nicht nur die negativen Dinge, sondern bringt auch positive hervor. Nicht nur soll das Ohr nicht länger dem Zweck dienen, verunreinigende Dinge aufzunehmen, sondern es soll die Stimme des guten Hirten „schnell hören“. Nicht nur soll die Hand nicht länger als Werkzeug der Ungerechtigkeit gebraucht werden, sondern sie soll sich brauchen lassen zu Handlungen der Gerechtigkeit, der Gnade und der wahren Heiligkeit. Nicht nur soll der Fuß nicht länger die Wege der Torheit gehen, sondern er soll in den Wegen der heiligen Gebote Gottes laufen. Mit einem Wort, der ganze Mensch soll in der Kraft des Heiligen Geistes Gott geweiht sein.
Es ist bemerkenswert, dass „das Öl auf das Blut des Schuldopfers“ getan wurde. Das Blut Christi ist die göttliche Grundlage für das Wirken des Heiligen Geistes. Das Blut und das Öl gehören zusammen. Nur aufgrund des Blutes können wir als Sünder von dem Öl etwas wissen. Das Öl konnte nicht auf den Aussätzigen gebracht werden, bevor das Blut des Schuldopfers angewandt worden war. „In dem auch ihr, nachdem ihr . . . geglaubt habt, versiegelt worden seid mit dem Heiligen Geist der Verheißung“ (Eph 1,13).
Die göttliche Genauigkeit des Bildes muss die Bewunderung jedes erneuerten Herzens wachrufen. Je tiefer wir in das Bild eindringen und je mehr wir das Licht der Schrift darauf scheinen lassen, desto mehr werden wir seine Schönheit und Genauigkeit wahrnehmen und genießen. Alles steht, wie es ja zu erwarten ist, mit dem ganzen Zusammenhang des Wortes Gottes in voller und schöner Übereinstimmung. Um das zu erkennen, bedarf es keiner großen Anstrengung unseres Geistes. Wenn man Christus als Schlüssel hat, um den reichen Schatz der Bilder des Alten Testaments zu erschließen, wenn man den wunderbaren Inhalt im Licht der göttlichen Inspiration prüft und den Heiligen Geist als göttlichen Lehrer benutzt, so wird man ganz sicher erbaut, erleuchtet und gesegnet. „Und der Priester soll das Sündopfer opfern und Sühnung tun für den, der von seiner Unreinheit zu reinigen ist“ (V. 19).
Hier haben wir nicht nur ein Bild von Christus als dem, der unsere Sünden getragen hat, sondern wir sehen ihn hier auch als den, der mit Wurzel und Zweig der Sünde ein Ende gemacht und das ganze System der Sünde zerstört hat; wir sehen ihn als „das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt wegnimmt“ (Joh 1,29).
Als Schuldopfer nahm Christus alle meine Sünden, meine ganze Schuld, hinweg. Als Sündopfer traf Er die Wurzel, aus der alle jene Sünden hervorkamen. Er hat alles in Ordnung gebracht; aber ich lerne ihn zuerst als das Schuldopfer kennen, weil ich ihn als solches zuerst nötig habe. Das erste, was mich beunruhigt, ist „das Bewusstsein“ oder das „Gewissen von Sünden“. Diesem ist durch mein Schuldopfer göttlich begegnet worden. Später aber finde ich, dass alle diese Sünden eine Wurzel haben, einen Stamm, aus dem sie herauswachsen, und dass diese Wurzel und dieser Stamm sich in mir selbst befinden. Diesem ist gleichfalls durch mein Sündopfer in göttlicher Weise begegnet worden. Die Reihenfolge der Handlungen bei der Reinigung des Aussätzigen ist sehr harmonisch. Wir können genau dieselbe Reihenfolge in den praktischen Erfahrungen jeder einzelnen Seele wahrnehmen. Zuerst kommt das Schuldopfer, dann das Sündopfer „und danach soll er das Brandopfer schlachten“ (V. 19).
Dieses Opfer versinnbildlicht bekanntlich die erhabenste Seite des Todes Christi. Es ist Christus als der, der sich selbst ohne Flecken Gott opferte, ohne besondere Beziehung zu Schuld oder Sünde. Es ist Christus, der in vollkommener Hingabe zum Kreuz ging und sich dort Gott zu einem duftenden Wohlgeruch opferte. „Und der Priester soll das Brandopfer und das Speisopfer auf dem Altar opfern. Und so tue der Priester Sühnung für ihn; und er ist rein“ (V. 20). Das Speisopfer stellt den „Menschen Christus Jesus“ in seinem vollkommenen menschlichen Leben dar. In dem vorliegenden Fall steht es mit dem Brandopfer in unmittelbarer Verbindung, und ebenso ist es auch in der Erfahrung jedes erretteten Sünders. Wenn wir wissen, dass unsere Sünden vergeben sind und die Wurzel oder der Grundsatz der Sünde gerichtet ist, so können wir nach unserem Maß durch die Kraft des Geistes mit Gott Gemeinschaft haben in seiner Freude über den Herrn Jesus: Sein Leben als Mensch war vollkommen und Er hat sich schließlich ohne Flecken auf dem Kreuz Gott geopfert. Wir sehen hier also bei der Reinigung des Aussätzigen die vier Opferklassen in ihrer göttlichen Anordnung vor uns: zuerst das Schuldopfer, dann das Sündopfer und endlich das Brandopfer und das Speisopfer.
Hiermit endet die Beschreibung des Tuns des Herrn mit dem Aussätzigen, und wie wunderbar ist diese Darstellung! Welch eine Entfaltung der Hässlichkeit der Sünde, aber auch der Gnade und Heiligkeit Gottes, der Kostbarkeit der Person Christi und der Wirksamkeit seines Werkes! Nichts könnte interessanter und lehrreicher sein, als den Spuren der göttlichen Gnade zu folgen, von den Vorhöfen des Heiligtums an bis zu jener unreinen Stätte, wo der Aussätzige stand mit entblößtem Haupt, verhülltem Bart und zerrissenen Kleidern – ein Bild des Jammers.
Gott besuchte den Aussätzigen, wo er war, aber Er ließ ihn nicht dort. Er ging zu ihm hinaus mit der Absicht, ein Werk zu vollbringen, durch das der Aussätzige zu einem höheren Platz und einer höheren Gemeinschaft gebracht werden konnte, als er sie vorher je gekannt hatte. Denn aufgrund dieses Werkes wurde der Aussätzige von der Stätte der Unreinheit und Einsamkeit an den Eingang des Zeltes der Zusammenkunft geführt, d. h. an den Platz des Priesters, um sich dort priesterlicher Segnungen zu erfreuen (vgl. 2Mo 29,20.21.32). Wie hätte er je zu einer solchen Höhe emporsteigen können? Unmöglich! Wenn es auf ihn angekommen wäre, so würde ihm nichts anderes übrig geblieben sein, als in seinem Aussatz hinzusiechen und zu sterben. Aber die unumschränkte Gnade des Gottes Israels ließ sich zu ihm herab, „um ihn aus dem Kot zu erhöhen und ihn sitzen zu lassen bei den Edlen“ seines Volkes (1Sam 2,8). Und wie herrlich wirkte diese Gnade! Sie stieg zur tiefsten Tiefe herab, um den Aussätzigen zur erhabensten Höhe zu erheben. Sieh nur, was der Aussätzige verlor und was er gewann! Er verlor alles das, was der Natur angehörte, und gewann dafür das Blut der Versöhnung und die Gnade des Geistes. Ich meine natürlich bildlich gesehen. Er war nach seiner Reinigung weit, weit besser daran, als wenn er nie aus dem Lager vertrieben worden wäre. Das ist die Gnade Gottes. Das ist die Macht, der Wert und die Wirkung des Blutes Jesu.
Wie lebhaft erinnert uns das alles an den verlorenen Sohn in Lukas 15! Auch bei ihm hatte der Aussatz gewirkt und seinen Höhepunkt erreicht. Er war weit entfernt an jener unreinen Stätte gewesen, wo seine eigenen Sünden und der Eigennutz des fernen Landes eine Einöde um ihn her geschaffen hatten. Doch dank der tiefen und zärtlichen Liebe des Vaters fand der verlorene Sohn einen höheren Platz und schmeckte eine höhere Gemeinschaft, als er sie je zuvor gekannt hatte. Das „gemästete Kalb“ war früher nie für ihn geschlachtet, das „beste Gewand“ ihm nie angezogen worden. Und was war die Ursache? Das Verdienst des verlorenen Sohnes? O nein: die Liebe des Vaters.
Vom 21. bis zum 32. Vers haben wir „das Gesetz für den, an dem das Übel des Aussatzes ist, dessen Hand bei seiner Reinigung nicht aufbringen kann, was vorgeschrieben ist“ (V. 32). Diese Verordnung bezieht sich auf die Opfer des „achten Tages“, nicht aber auf die „zwei lebenden, reinen Vögel“. Letztere konnten in keinem Fall erlassen werden, da sie den Tod und die Auferstehung Christi als die alleinige Grundlage darstellten, auf der Gott den Sünder zu sich zurückführen kann. Andererseits mussten die Opfer „des achten Tages“, da sie mit der Gemeinschaft und dem persönlichen Genuss der Seele in Verbindung standen, in einem gewissen Grad dem Zustand und dem Verständnis der Seele angepasst sein. Wie klein das Verständnis auch sein mag, die Gnade Gottes vermag ihm entgegenzukommen mit den rührenden Worten „was seine Hand aufbringen kann“. Und nicht nur das, sondern die „zwei Turteltauben“ verliehen dem „Armen“ dieselben Vorrechte, wie die beiden Lämmer dem „Reichen“, weil die einen wie die anderen auf „das kostbare Blut Christi“ (1Pet 1,19) hindeuteten.
Alle, Reiche wie Arme, stehen vor Gott auf dem Boden des Todes und der Auferstehung. Alle sind gleich nahe gebracht, aber nicht alle genießen dasselbe Maß der Gemeinschaft, nicht alle besitzen dieselbe Fähigkeit, die Kostbarkeit Christi in jeder Einzelheit seines Werkes zu würdigen. Sie könnten es, wenn sie wollten, aber sie erlauben mancherlei Dingen, sie daran zu hindern. Die Erde und die Natur mit ihren Einflüssen wirken nachteilig. Der Geist wird betrübt, und Christus wird nicht so genossen, wie Er genossen werden könnte. Wenn wir uns durch die Natur beeinflussen lassen, so ist es töricht, zu erwarten, dass wir uns von Christus nähren können. Nein, Selbstverleugnung und Selbstgericht müssen vorhanden sein, wenn Christus unsere tägliche Speise sein soll.
Es handelt sich hier nicht um die Frage der Errettung, nicht um die Einführung des Aussätzigen in das Lager, die Stätte der anerkannten Gemeinschaft. Es handelt sich vielmehr um die Frage, inwieweit die Seele Gemeinschaft mit Christus pflegt und sich an ihm erquickt. Hier liegen unermessliche Reichtümer vor uns. Wir können die erhabensten Wahrheiten genießen. Aber sollte auch das Maß unserer Fähigkeit gering sein, so dürfen wir doch aus dem Herzen unseres Vaters die lieblichen Worte hören: „was seine Hand aufbringen kann.“ Er macht uns in seiner wunderbaren Gnade keine Vorwürfe. Wir alle haben dasselbe Anrecht, wie verschieden unsere Fähigkeit auch sein mag, und wenn wir in seine Gegenwart kommen, finden alle Wünsche der neuen Natur ihre Befriedigung, und alle Kräfte der neuen Natur werden in Tätigkeit gesetzt.