Behandelter Abschnitt 3. Mose 8,1-9
Aarons Weihe vor der ganzen Gemeinde
In den ersten vier Versen des achten Kapitels entfaltet sich eine besondere Gnade. Die ganze Gemeinde ist versammelt am Eingang des Zeltes der Zusammenkunft, damit alle das Vorrecht genießen, den anzuschauen, der mit der Wahrung ihrer wichtigsten Interessen betraut werden sollte. In 2. Mose 28 und 29 wird mit Rücksicht auf die mit dem Priesteramt verbundenen Gewänder und Opfer dieselbe allgemeine Wahrheit gelehrt, aber hier in unserem Buch tritt die Gemeinde in Erscheinung, und es wird ihr gestattet, jede Bewegung bei der feierlichen und eindrucksvollen Einweihung aus nächster Nähe zu verfolgen. Der Geringste in der Gemeinde hatte seinen besonderen Platz. Jeder, ob hoch oder niedrig, durfte seine Blicke auf die Person des Hohenpriesters, auf das Opfer, das er darbrachte, und auf die Gewänder, die er trug, richten.
Jeder hatte seine eigenen besonderen Bedürfnisse, und der Gott Israels wollte einen jeden sehen und wissen lassen, dass durch die verschiedenen Eigenschaften des vor ihm stehenden Hohenpriesters für jedes seiner Bedürfnisse volle Vorsorge getroffen worden war. Die priesterlichen Gewänder waren der sichtbare, bildliche Ausdruck dieser Eigenschaften. Jedes Teil dieser Gewänder war dazu bestimmt und geeignet, eine besondere Eigenschaft darzustellen, die für die Gemeinde als ein Ganzes oder für jedes einzelne Glied von Bedeutung sein musste. Der Leibrock, der Gürtel, das Oberkleid, das Ephod, das Brustschild, die Urim und Tummim, der Kopfbund und das heilige Diadem – alles verkündigte die Tugenden, Eigenschaften und Tätigkeiten dessen, der die Gemeinde zu repräsentieren und ihre Interessen in der Gegenwart Gottes zu vertreten hatte.
Christus, unser großer Hoherpriester
In dieser Weise kann der Gläubige mit dem Auge des Glaubens seinen großen Hohenpriester in den Himmeln anschauen und in ihm die göttliche Verwirklichung dessen erblicken, wovon die aaronitische Kleidung nur der Schatten war. Der Herr Jesus Christus ist der Heilige, der Gesalbte, der Gekrönte und der Umgürtete. Er ist dies alles, nicht kraft seiner äußeren Bekleidung, die angezogen oder abgelegt werden kann, sondern kraft der göttlichen und ewigen Herrlichkeiten seiner Person, der unveränderlichen Wirksamkeit seines Werkes und der unvergänglichen Würde seines Amtes. Das ist der besondere Wert der Erforschung der Bilder der mosaischen Haushaltung: Das erleuchtete Auge sieht Christus in allem. Das Blut des Opfers und die Kleidung des Hohenpriesters: Beide deuten auf ihn hin, beide waren bestimmt, den Herrn Jesus darzustellen. Handelt es sich um das Gewissen, so begegnet ihm das Opferblut entsprechend den gerechten Anforderungen des Heiligtums. Die Gnade hat den Forderungen der Heiligkeit genügt. Handelt es sich um die Bedürfnisse, die mit der Stellung des Gläubigen auf der Erde verbunden sind, so kann er sie alle göttlich beantwortet sehen in der Amtskleidung des Hohenpriesters.
Hier ist die Bemerkung wohl am Platz, dass die Stellung des Gläubigen in zweifacher Weise im Wort dargestellt wird – ein Umstand, auf den wir achten müssen, wenn wir die wahre Bedeutung des Priestertums verstehen wollen. Der Gläubige wird dargestellt als ein Teil jenes Leibes, von dem Christus das Haupt ist. Dieser Leib bildet mit Christus, seinem Haupt, nach der Darstellungsweise der Schrift einen Menschen, der in jeder Beziehung vollkommen ist. Die Glieder dieses Leibes sind mit Christus in die himmlischen Örter versetzt. Sie sind mit Christus eins, in ihm vollendet, in ihm begnadigt, seines Lebens teilhaftig und stehen in seiner Gunst vor dem Angesicht Gottes. Alle ihre Vergehungen sind vergeben. Es gibt keinen Flecken mehr an ihnen. Alles ist gut und annehmlich in den Augen Gottes (siehe 1Kor 12,12.13; Eph 2,5-10; Kol 2,6-15; 1Joh 4,17).
Andererseits wird der Gläubige betrachtet als auf dem Platz der Schwachheit und der Abhängigkeit in dieser Welt stehend. Er ist Tag für Tag mancherlei Versuchung ausgesetzt. Er ist geneigt, zu irren, zu straucheln und zu fallen. Als solcher bedarf er fortwährend des vollkommenen Mitgefühls und des mächtigen Dienstes des Hohenpriesters, der stets in dem vollen Wert seiner Person und seines Werkes in der Gegenwart Gottes erscheint und dort vor dem Thron die Gläubigen und ihre Sache vertritt.
Der Gläubige nimmt also einerseits einen erhabenen und bevorzugten Platz droben mit Christus ein, und andererseits ist reiche Vorsorge im Blick auf seine Bedürfnisse und Schwachheiten auf der Erde für ihn getroffen. Dieser Unterschied könnte auch in folgender Weise erläutert werden: Der Gläubige wird als zur Versammlung gehörend und als im Reich befindlich dargestellt. Als zur Versammlung gehörend ist der Himmel sein Platz, sein Vaterland, sein Teil und der Ort seiner Zuneigungen. Als im Reich befindlich ist er auf der Erde, der Stätte der Prüfung, der Verantwortlichkeit und des Kampfes. Das Priestertum ist daher eine göttliche Vorsorge für solche, die sich, obwohl sie der Versammlung und dem Himmel angehören, in dem Reich befinden und auf der Erde wandern. Dieser Unterschied ist sehr einfach, und wenn er verstanden wird, erklärt er eine große Anzahl von Schriftstellen, deren Verständnis vielen Gläubigen nicht geringe Schwierigkeiten bereitet.13
13 Ein Vergleich des Epheserbriefes mit dem ersten Brief des Petrus wird dem Leser bezüglich der beiden Seiten der Stellung des Gläubigen reiche Belehrung liefern. Der Epheserbrief zeigt uns den Gläubigen als in den Himmel versetzt, während Petrus uns ihn als Pilgrim und Dulder auf der Erde vorstellt.↩︎