Das Lied der Erlösung
Behandelter Abschnitt 2. Mose 14,31 - 15,1
Ein Loblied für den Herrn
Dieses Kapitel beginnt mit dem herrlichen Triumphgesang der Kinder Israel am Ufer des Roten Meeres, als sie die große Macht sahen, die der Herr an den Ägyptern erwiesen hatte (Kap. 14,31). Sie hatten die Rettung des Herrn gesehen, und darum besangen sie ihn jetzt und erzählten seine mächtigen Taten. „Damals sangen Mose und die Kinder Israel dem Herrn dieses Lied“ (V. 1). Bis dahin haben wir kein Lob aus dem Mund der Israeliten vernommen. Wir hörten ihren Notschrei, als sie sich abmühten bei den Ziegelhütten Ägyptens; wir vernahmen ihr ungläubiges Rufen, als sie sich von scheinbar unüberwindlichen Schwierigkeiten umringt sahen; aber von einem Loblied wird bis zu diesem Augenblick nichts erwähnt. Erst als die Rettung sichtbar und vollendet war, stimmte die ganze erlöste Versammlung den Triumphgesang an. Als sie aus ihrer Taufe „in der Wolke und in dem Meer“ hervorgegangen waren und der herrliche Sieg ihnen bewusst wurde, fühlten sechshunderttausend Männer das Verlangen, ein Siegeslied zu singen. Die Wasser des Roten Meeres waren zwischen ihnen und Ägypten und als ein völlig befreites Volk standen sie am Ufer. Darum waren sie fähig, den Herrn zu loben.
In dieser und in anderer Hinsicht sind sie „Vorbilder für uns“. Auch wir müssen uns durch Tod und Auferstehung gerettet wissen, bevor wir zu einer klaren und einsichtsvollen Anbetung fähig sind. Fehlt jemandem dieses Bewusstsein, so bleibt immer ein Vorbehalt und ein Zögern in seiner Seele, weil er den Wert der in Jesus Christus vollbrachten Erlösung noch nicht erkannt hat. Man mag überzeugt sein, dass in Christus und in keinem anderen das Heil ist; aber den Charakter und den Grund dieses Heils im Glauben ergreifen und sich praktisch zu eigen machen ist eine ganz andere Sache. Der Geist Gottes offenbart uns in der Heiligen Schrift mit unmissverständlicher Klarheit, dass die Versammlung mit Christus in Tod und Auferstehung vereinigt und dass der auferstandene Christus zur Rechten Gottes die Gewähr ihrer Annahme ist. Sobald ein Christ das versteht, hat er den Zweifel und die Ungewissheit überwunden; denn wie könnte er zweifeln, wenn er weiß, dass ein Sachwalter, und zwar „Jesus Christus, der Gerechte“, ihn beständig vor dem Thron Gottes vertritt? (1Joh 2,1).
Das schwächste Glied der Versammlung Gottes kann wissen, dass es durch Christus am Kreuz vertreten wurde und dass dort alle seine Sünden bekannt, getragen, gerichtet und gesühnt worden sind. Das ist eine göttliche Realität, die, wenn sie durch den Glauben erfasst wird, Frieden geben muss. Aber auch nichts weniger als das kann Frieden geben. Man mag aufrichtig und ernst nach Gott verlangen; man mag fromm und ergeben alle Vorschriften, Pflichten und Formen der Religion beobachten; aber um das Bewusstsein zu erhalten, dass das Gewissen vollständig von der Sünde befreit ist, gibt es kein anderes Mittel, als die Sünde gerichtet zu sehen, und zwar in der Person Jesu Christi, der als ein Schlachtopfer für die Sünde am Fluchholz litt und starb (Heb 9,26; 10,1-18).
Wenn die Sünde dort „ein für alle Mal“ gerichtet wurde, so darf der Gläubige sie jetzt als eine göttlich und deshalb für immer erledigte Sache betrachten. Und dass sie dort gerichtet wurde, ist durch die Auferstehung des Bürgen erwiesen. „Ich habe erkannt, dass alles, was Gott tut, für ewig sein wird: Es ist ihm nichts hinzuzufügen und nichts davon wegzunehmen; und Gott hat es so gemacht, damit man sich vor ihm fürchte“ (Pred 3,14).
Es wird nun zwar im Allgemeinen eingeräumt, dass dies alles in Bezug auf die Versammlung in ihrer Gesamtheit wahr ist, aber vielen fällt es doch außerordentlich schwer, es auf sich persönlich anzuwenden. Sie sind bereit, mit dem Psalmisten zu sagen: „Fürwahr, Gott ist Israel gut, denen, die reinen Herzens sind. Ich aber . . . “ (Ps 73,1.2).
Anstatt auf Christus als den Gestorbenen und Auferstandenen zu schauen, richten sie ihre Blicke auf sich selbst. Sie beschäftigen sich mehr mit ihrer eigenen Zuneigung zu Christus als mit Christus selbst. Sie denken mehr an ihre Fähigkeit als an ihre Stellung vor Gott. Auf diese Weise bleiben sie in trostloser Ungewissheit und können infolgedessen nie den Platz eines verständigen und glücklichen Anbeters einnehmen. Sie hoffen auf Errettung, anstatt sich der längst geschehenen Errettung zu erfreuen. Sie sehen ihre unvollkommenen Werke, anstatt auf die vollkommene Versöhnung Christi.