Behandelter Abschnitt 2. Mose 12,7-13
Das Blut des Lammes
„Und sie sollen von dem Blut nehmen und es an die beiden Pfosten und an den Türsturz tun, an den Häusern, in denen sie es essen. Und sie sollen in dieser Nacht das Fleisch essen, gebraten am Feuer, und ungesäuertes Brot; mit bitteren Kräutern sollen sie es essen. Ihr sollt nichts roh davon essen und keineswegs im Wasser gekocht, sondern am Feuer gebraten: seinen Kopf samt seinen Beinen und samt seinem Eingeweide“ (V. 7–9).
Wir haben das Passahlamm von zwei verschiedenen Gesichtspunkten aus zu betrachten, nämlich als Grundlage des Friedens und als Mittelpunkt der Einheit. Das Blut an den Türpfosten sicherte Israel den Frieden. „Und sehe ich das Blut, so werde ich an euch vorübergehen“ (V. 13). Die Besprengung mit dem Blut genügte, um angesichts des Würgengels einen unerschütterlichen Frieden zu haben. Der Tod kam in alle Häuser Ägyptens. „Ebenso wie es den Menschen gesetzt ist, einmal zu sterben“ (Heb 9,27). Aber Gott fand in seiner großen Barmherzigkeit für Israel einen fleckenlosen Stellvertreter, an dem das Todesurteil vollzogen wurde. So genügte also dem Anspruch Gottes und der Notlage Israels ein und dieselbe Sache: das Blut des Lammes. Das Blut an den Türpfosten war der Beweis, dass alles göttlich und darum vollkommen in Ordnung gebracht war; und das gab den Bewohnern des Hauses einen vollkommenen Frieden. Ein Schatten von Zweifel in dem Herzen eines Israeliten wäre für das göttliche Fundament des Friedens, das Blut der Versöhnung, eine Unehre gewesen.
Ohne Zweifel fühlte jeder, der sich hinter den mit Blut bestrichenen Türpfosten befand, dass das Todesurteil der gerechte Lohn für seine Sünden gewesen wäre; aber das Lamm hatte an seiner statt die Strafe erduldet. Das war die feste Grundlage seines Friedens. Das Gericht, das er verdient hatte, traf ein von Gott ausersehenes Schlachtopfer; und indem er dies glaubte, konnte er im Innern des Hauses in Frieden davon essen. Der geringste Zweifel hätte Gott zum Lügner gemacht, denn Er hatte gesagt: „Und sehe ich das Blut, so werde ich an euch vorübergehen.“ Es ging dabei nicht um persönlichen Verdienst; das stand sowieso außer Frage.
Alle, die sich unter dem Schutz des Blutes befanden, waren in Sicherheit. Sie konnten nicht nur gerettet werden, sondern sie waren gerettet. Ihre Rettung war nicht Gegenstand ihrer Hoffnung oder ihres Gebets, sondern war eine sichere Tatsache, gestützt auf die Glaubwürdigkeit der Zusage Gottes. Auch waren sie nicht zum Teil gerettet und zum Teil dem Gericht ausgesetzt; sie waren vollständig gerettet. Das Blut des Lammes und das Wort des Herrn bildeten die Grundlage für den Frieden Israels in jener schrecklichen Nacht, in der Gott alle Erstgeborenen Ägyptens schlug. Wäre einem Israeliten auch nur ein Haar gekrümmt worden, so wäre das Wort des Herrn nichtig und das Blut des Lammes wertlos gewesen.
Es ist sehr wichtig, ein klares Verständnis davon zu haben, was den Grund des Friedens eines Sünders in der Gegenwart Gottes ausmacht. Man hat so viele Dinge mit dem vollbrachten Werk Christi vermengt, dass viele Seelen über ihre Annahme bei Gott in Ungewissheit sind. Sie verstehen nicht, dass die Erlösung durch das Blut Christi, wenn sie es einmal auf sich angewendet haben, eine für immer geordnete Sache ist. Sie wissen nicht, dass die vollkommene Vergebung einfach darauf beruht, dass ein vollkommenes Sühnopfer dargebracht worden ist, und dass diese Tatsache in aller Deutlichkeit demonstriert wurde, indem der Stellvertreter des Sünders aus den Toten auferstand. Sie wissen wohl, dass es außer dem Blut des Kreuzes kein Rettungsmittel gibt; aber das wissen auch die Teufel, und dennoch nützt es ihnen nichts. Was ihnen fehlt, ist das Bewusstsein, dass sie gerettet sind. Der Israelit wusste nicht nur, dass in dem Blut Rettung zu finden war, sondern er war seiner Rettung gewiss. Und warum? War es etwa aufgrund von irgendetwas, das er getan, gefühlt oder gedacht hatte? Nein, sondern weil Gott gesagt hatte: „Und sehe ich das Blut, so werde ich an euch vorübergehen.“ Er verließ sich auf das Zeugnis Gottes. Er glaubte, weil Gott es gesagt hatte. „Wer sein Zeugnis angenommen hat, hat besiegelt, dass Gott wahrhaftig ist“ (Joh 3,33).
Beachten wir wohl, dass sich der Israelit nicht auf seine eigenen Gedanken, Gefühle oder Erfahrungen stützte. Da hätte er in der Tat auf einen unsicheren, sandigen Boden gebaut. Seine Gedanken und Gefühle konnten gründlich oder oberflächlich sein, aber in beiden Fällen hatten sie nichts mit der Grundlage des Friedens zu tun. Gott hatte nicht gesagt: „Wenn ihr das Blut seht und es in seinem ganzen Wert erkennt, will ich an euch vorübergehen.“ Das hätte allerdings jeden Israeliten in Verzweiflung stürzen können, weil es dem menschlichen Geist unmöglich ist, das Blut des Lammes jemals genügend zu würdigen. Was Frieden gab, war die Tatsache, dass Gott das Blut sah und seinen Wert kannte. Das allein konnte das Herz beruhigen. Das Blut war draußen und der Israelit drinnen, so dass er es unmöglich sehen konnte, aber Gott sah es, und darauf allein kam es an.
Das Werk Christi für uns
Diese Wahrheit erhellt auch die Frage, wie heute ein Sünder Frieden bekommt. Nachdem der Herr Jesus sein Blut als eine vollkommene Sühnung für die Sünde vergossen hatte, brachte Er es in die Gegenwart Gottes und sprengte es dort; und das Zeugnis Gottes versichert dem glaubenden Sünder, dass alles zu seinen Gunsten in Ordnung gebracht ist, und zwar nicht durch seine Wertschätzung dieses Blutes, sondern durch die Kraft des Blutes selbst, das in den Augen Gottes einen so hohen Wert hat, dass Er um des Blutes willen in Gerechtigkeit alle Sünden vergeben und den Sünder – vollkommen gerecht in Christus – annehmen kann. Könnte je ein Mensch dauerhaften Frieden haben, wenn der Friede von ihm selbst abhängig wäre? Unmöglich!
Der menschliche Geist reicht einfach nicht aus, um das Blut in dem Wert zu erkennen, den es in den Augen Gottes hat. Wenn daher unser Friede davon abhinge, inwieweit wir das Blut wertschätzen, dann wäre er ebenso unerreichbar, als wenn wir ihn durch „Gesetzeswerke“ zu erlangen suchten (Röm 9,32; Gal 2,16; 3,10). Entweder bietet das Blut allein eine Grundlage für unseren Frieden oder wir können niemals Frieden haben. Sobald wir unsere Wertschätzung des Blutes mit dem Blut selbst verwechseln, kehren wir den Inhalt des Christentums ebenso um, als wenn wir einen Sünder unter das Gesetz vom Sinai stellen wollten. Entweder genügt das Sühnopfer Christi oder es genügt nicht. Wenn es aber genügt, warum dann Zweifel und Befürchtungen? Mit unseren Lippen verkünden wir, dass das Werk vollbracht ist; aber die Zweifel und Befürchtungen unseres Herzens erklären, dass es nicht so ist. Wer an der vollkommenen Vergebung seiner Sünden zweifelt, leugnet dadurch, wenigstens in Bezug auf sich selbst, die Vollkommenheit des Opfers Christi.
Allerdings gibt es viele, die nie so weit gehen würden, die Kraft des Blutes Christi bewusst in Zweifel zu ziehen, die aber dennoch keinen sicheren Frieden haben. Solche Personen sind überzeugt, dass das Blut Christi vollkommen den Bedürfnissen des Sünders genügt – wenn sie nur gewiss wären, dass auch sie selbst den rechten Glauben haben und unter dem Schutz des Blutes stehen. Viele Seelen befinden sich in diesem unglücklichen Zustand. Anstatt sich mit dem Blut Christi und dem Wort Gottes zu beschäftigen, bleiben sie bei ihren eigenen Gedanken und ihrem Glauben stehen; anstatt auf Christus zu schauen, blicken sie in sich hinein. Aber das ist kein Glaube, und infolgedessen haben sie auch keinen Frieden. Ein hinter den blutbesprengten Türpfosten geborgener Israelit hätte diesen Seelen eine passende Unterweisung geben können. Er war nicht gerettet infolge seines Interesses an dem Blut noch wegen seiner Gedanken darüber, sondern einfach durch das Blut. Ohne Zweifel war er in seinen Gedanken sehr mit dem Blut beschäftigt; aber Gott hatte nicht gesagt: „Wenn ich euer Interesse an dem Blut sehe, will ich an euch vorübergehen“. Hätte das Volk auch nur ein Stück ungesäuertes Brot als Grundlage seiner Sicherheit dem Blut zur Seite stellen wollen, so hätte es damit seinen Herrn zum Lügner gemacht und die Vollkommenheit seines Heilmittels geleugnet.
Das Werk des Heiligen Geistes in uns
Wir halten leicht etwas in uns oder in Verbindung mit uns für notwendig als Grundlage unseres Friedens. Aus den Zweifeln und Befürchtungen, von denen so viele Christen geplagt werden, geht hervor, dass über diesen wichtigen Punkt sehr wenig Klarheit und Verständnis vorhanden ist. Wir sind viel eher bereit, die Werke des Geistes in uns als das Werk Christi für uns als das Fundament unseres Friedens anzusehen. Wir werden bald Gelegenheit haben, zu sehen, welchen Platz das Werk des Heiligen Geistes im Christentum einnimmt; aber niemals wird dieses Werk in der Schrift als die Grundlage unseres Friedens bezeichnet. Nicht der Heilige Geist hat Frieden gemacht, sondern Christus. Nicht von dem Heiligen Geist wird gesagt, dass Er unser Friede sei, sondern von Christus. Gott hat nicht durch den Heiligen Geist Frieden verkündigt, sondern durch Jesus Christus (vgl. Apg 10,36; Eph 2,14.17; Kol 1,20). Man kann diesen wichtigen Unterschied gar nicht einfältig genug erfassen. Das Blut Christi allein gibt uns Frieden und eine vollkommene, göttliche Gerechtigkeit; es führt uns ins Allerheiligste, rechtfertigt Gott bei der Annahme eines glaubenden Sünders und verleiht uns ein Anrecht auf alle Herrlichkeiten des Himmels (siehe Röm 3,24-26; 5,9; Eph 2,13-18; Kol 1,20-22; Heb 9,14; 10,19; 1Pet 1,19; 2,24; 1Joh 1,7; Off 7,14–17).
Indem ich das Blut Christi an dem von Gott angewiesenen Platz lasse, sollen nicht etwa die Wirkungen des Heiligen Geistes irgendwie abgewertet werden. Der Heilige Geist offenbart Christus, lässt uns ihn erkennen, bewirkt, dass wir uns von ihm nähren; Er nimmt die Dinge Christi und verkündigt sie uns (Joh 16,15). Er ist die Kraft der Gemeinschaft, das Siegel, der Zeuge, das Unterpfand, die Salbung – alle seine Wirkungen sind unbedingt notwendig. Ohne ihn könnten wir Christus weder sehen noch hören, weder erkennen noch fühlen, weder erfahren noch genießen, noch ihn in irgendeiner Weise darstellen. Die Lehre von den Wirkungen des Heiligen Geistes ist in der Schrift klar dargestellt und wird von jedem wahren und richtig belehrten Christen erkannt und angenommen.
Dennoch ist das Werk des Geistes nicht der Grund des Friedens; wenn es so wäre, könnten wir vor der Ankunft Christi keinen dauernden und sicheren Frieden haben, weil das Werk des Heiligen Geistes in der Versammlung erst vollendet ist, wenn der Herr kommt. Er setzt immer noch sein Werk in den Gläubigen fort. Er „verwendet sich für uns in unaussprechlichen Seufzern“ (Röm 8,26). Er wirkt, um uns dem Bild des Sohnes in allem gleichförmig zu machen. Er ist der einzige Urheber jedes guten Wunsches, jeder reinen Zuneigung, jeder göttlichen Erfahrung und jeder gesunden Überzeugung; aber es ist klar, dass sein Werk in uns nicht eher vollständig ist, als bis wir den gegenwärtigen Schauplatz verlassen und unseren Platz mit Christus in der Herrlichkeit eingenommen haben, ebenso wie das Werk Eliesers, des Knechtes Abrahams, nicht eher vollendet war, bis er Rebekka dem Isaak vorstellen konnte.
Anders aber verhält es sich mit dem Werk Christi für uns. Es ist gänzlich und für immer vollendet. Christus konnte sagen: „Das Werk habe ich vollbracht, das du mir gegeben hast, dass ich es tun sollte“ (Joh 17,4). Und Er konnte ausrufen: „Es ist vollbracht!“ (Joh 19,30). Aber der Heilige Geist kann nicht sagen, dass Er sein Werk vollbracht habe. Als der Stellvertreter Christi auf der Erde wirkt Er fortwährend inmitten der zahlreichen feindseligen Einflüsse, die sein Werk behindern wollen. Er wirkt in den Herzen der Kinder Gottes, um sie auch praktisch zu dem Maß des göttlichen bezeichneten Wuchses hinzuführen (Eph 4; 1; 3). Aber niemals belehrt Er einen Gläubigen, seinen Frieden in der Gegenwart Gottes von seinem Werk abhängig zu machen. Er hat den Auftrag, von Jesus zu reden und nicht von sich selbst, „denn“, sagt Christus, „von dem Meinen wird er empfangen und euch verkünden“ (Joh 16,14). Wenn also jemand nur durch den Heiligen Geist den wahren Grund des Friedens erkennen kann und wenn der Heilige Geist niemals von sich selbst redet, so ist es deutlich, dass Er nur das Werk Christi als die Grundlage bezeichnen kann, auf der die Seele für immer ruhen muss; kraft dieses Werkes kann der Heilige Geist überhaupt nur Wohnung in dem Gläubigen machen und in ihm seine wunderbaren Wirkungen fortsetzen.
Der Tod Christi, das einzige Fundament unserer Erlösung
So ist also das Passahlamm, als der Grund des Friedens Israels, ein bemerkenswertes Bild von Christus, der Grundlage des Friedens für den Gläubigen. Dem Blut an den Türpfosten war nichts hinzuzufügen, und ebenso wenig bedarf das Blut Christi irgendeiner Ergänzung. Das ungesäuerte Brot und die bitteren Kräuter waren zwar notwendig, aber sie waren keinesfalls der Grund des Friedens. Sie waren für das Innere des Hauses bestimmt und bildeten die charakteristischen Zeichen der Gemeinschaft in diesem Haus, aber das Blut des Lammes war die Grundlage von allem. Es rettete vom Tod und brachte Leben, Licht und Frieden. Es stellte die Verbindung her zwischen Gott und seinem erlösten Volk. Und nachdem die Israeliten aufgrund dieser Erlösung mit Gott verbunden waren, war es ein Vorrecht, auch gewisse Verpflichtungen zu haben; aber diese Verpflichtungen waren natürlich nicht die Voraussetzung, sondern nur das Ergebnis ihrer Verbindung mit Gott.
Ich möchte auch daran erinnern, dass in der Heiligen Schrift nicht das gehorsame Leben Christi als die Ursache bezeichnet wird, durch die wir Vergebung erlangen. Sein Tod am Kreuz war es, der die Liebe Gottes ausströmen ließ, die sonst für immer verborgen geblieben wäre. Hätte Christus bis heute „wohltuend und alle heilend“ (Apg 10,38) seinen Gang durch die Städte Israels fortgesetzt, so wäre der Vorhang des Tempels nie zerrissen und hätte noch heute dem Anbeter den Zugang zu Gott versperrt. Es war sein Tod, der den Vorhang „von oben bis unten“ zerriss (Mk 15,38). „Durch seine Striemen“ und nicht durch sein gehorsames Leben „ist uns Heilung geworden“ (Jes 53,5; 1Pet 2,24); und diese Striemen empfing Er am Kreuz und nirgendwo anders. Seine eigenen Worte stellen dies außer Zweifel: „Ich habe aber eine Taufe, womit ich getauft werden muss, und wie bin ich beengt, bis sie vollbracht ist!“ (Lk 12,50). Kann sich diese Stelle auf etwas anderes als auf seinen Tod am Kreuz beziehen? Dieser Tod war die Vollziehung seiner Taufe und öffnete seiner Liebe einen Weg, auf dem sie in Gerechtigkeit frei ausströmen konnte zu den schuldigen Nachkommen Adams. Weiter hat Er gesagt: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein.“ Er war dieses „Weizenkorn“; und Er wäre, obwohl Er Fleisch geworden war, für immer allein geblieben, wenn Er nicht durch seinen Tod am Fluchholz alles aus dem Weg geräumt hätte, was die Vereinigung seines Volkes mit ihm in der Auferstehung verhindern konnte. „Wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht“ (Joh 12,24).
Es gibt in Verbindung mit dieser wichtigen und ernsten Frage zwei Gedanken, die wir beachten müssen, nämlich dass eine Vereinigung mit Christus nur in der Auferstehung möglich ist und zweitens, dass Christus nur am Kreuz für Sünden gelitten hat. Wir dürfen nicht denken, dass Christus schon durch seine Menschwerdung uns mit sich vereinigt habe. Das war unmöglich. Wie hätte unser sündiges Fleisch mit ihm vereinigt werden können? Der Leib der Sünde musste durch den Tod zerstört werden. Die Sünde musste den göttlichen Anforderungen gemäß beseitigt und die ganze Macht des Feindes musste vernichtet werden. Wie konnte das alles geschehen? Nur dadurch dass sich das fleckenlose Lamm Gottes dem Tod am Kreuz unterwarf. „Denn es geziemte ihm, um dessentwillen alle Dinge und durch den alle Dinge sind, indem er viele Söhne zur Herrlichkeit brachte, den Urheber ihrer Errettung durch Leiden vollkommen zu machen“ (Heb 2,10). „Siehe, ich treibe Dämonen aus und vollbringe Heilungen heute und morgen, und am dritten Tag werde ich vollendet“ (Lk 13,32).
Die Ausdrücke „vollkommen“ und „vollendet“ in diesen Stellen beziehen sich nicht auf Christus in seiner eigenen Person; denn Er war als Sohn Gottes vollkommen von Ewigkeit her, und auch in seiner Menschheit war Er durchaus vollkommen. Aber als „Urheber ihrer Errettung“, der „viele Söhne zur Herrlichkeit brachte“, als der, der „viel Frucht bringt“ und ein erlöstes Volk mit sich vereinigt – musste Er den „dritten Tag“ erreichen, um „vollendet“ zu werden. Er stieg allein hinab in die „Grube des Verderbens“ und in den „kotigen Schlamm“; aber als Er seinen „Fuß auf den Felsen“ der Auferstehung stellte, vereinigte Er mit sich den „vielen Söhnen“ (Ps 40,2-4). Er focht den Kampf allein aus; aber als der mächtige Überwinder lässt Er uns jetzt an der Siegesbeute teilhaben, damit wir uns für immer daran erfreuen können.
Zum anderen dürfen wir das Kreuz Christi nicht als das Ende eines dem Sündentragen geweihten Lebens betrachten. Das Kreuz war der einzige Ort, an dem der Herr Jesus Sünden trug. „Der selbst unsere Sünden an seinem Leib auf dem Holz getragen hat“ (1Pet 2,24). Er trug sie weder in der Krippe noch in der Wüste noch im Garten Gethsemane, sondern einzig und allein „auf dem Holz“. Er hatte niemals etwas mit der Sünde zu schaffen, außer am Kreuz; dort aber neigte Er sein Haupt und gab unter dem Gewicht der Sünden seines Volkes sein Leben hin. Nirgendwo anders als am Kreuz litt Er von der Hand Gottes; dort aber verbarg Gott sein Angesicht vor ihm, weil Er „zur Sünde gemacht“ war (2Kor 5,21).
Der bisherige Gedankengang und die angeführten Stellen der Heiligen Schrift tragen vielleicht dazu bei, die göttliche Kraft der Worte tiefer zu empfinden: „Sehe ich das Blut, so werde ich an euch vorüber gehen“. Natürlich musste das Lamm fleckenlos sein, denn was hätte sonst der Heiligkeit des Herrn begegnen können? Aber wäre das Blut nicht vergossen worden, so hätte der Herr an seinem Volk nicht vorübergehen können; denn „ohne Blutvergießung gibt es keine Vergebung“ (Heb 9,22). Dieser Gedanke begegnet uns noch anschaulicher in den Bildern des dritten Buches Mose. Er verdient unsere ernsthafte Aufmerksamkeit, wenn wir unseren Herrn Jesus Christus in Aufrichtigkeit lieb haben.
Der Mittelpunkt der Gemeinschaft für Israel
Betrachten wir jetzt das Passah unter dem zweiten Gesichtspunkt, nämlich als den Mittelpunkt, um den sich das Volk in friedlicher und heiliger Gemeinschaft versammelte. Die Rettung durch das Blut und das Passahmahl sind zwei sehr verschiedene Dinge. Das Volk war nur durch das Blut gerettet, aber der Mittelpunkt, um den es sich versammelte, war das am Feuer gebratene Lamm. Das ist ein bedeutsamer Unterschied. Das Blut des Lammes bildet die Grundlage unserer Beziehungen zu Gott und auch unserer Beziehungen zueinander. Getrennt von dem vollkommenen Sühnopfer Christi kann weder von einer Gemeinschaft mit Gott noch von einer Gemeinschaft mit der Versammlung Gottes die Rede sein. Jedoch dürfen wir nicht aus dem Auge verlieren, dass es der lebendige Christus im Himmel ist, mit dem der Heilige Geist die Gläubigen verbindet. Es ist ein lebendiges Haupt, mit dem wir vereinigt, ein „lebendiger Stein“, zu dem wir gekommen sind (1Pet 2,4). Nachdem wir durch sein Blut Frieden gefunden haben, ist Er nun unser Sammelpunkt sowie das Band, das uns vereinigt. „Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich in ihrer Mitte“ (Mt 18,20).
Der Heilige Geist allein ist es, der sammelt; Christus ist der einzige Gegenstand, zu dem hin die Gläubigen gesammelt werden; und unsere Versammlung muss, wenn wir so zusammengekommen sind, durch Heiligkeit charakterisiert sein, damit der Herr, unser Gott, in unserer Mitte wohnen kann. Der Heilige Geist kann das Volk Gottes nur zu Christus und nicht zu einem System, zu einem Namen, zu einer Lehre oder Vorschrift hin sammeln. Er sammelt zu einer Person hin, und diese Person ist der im Himmel verherrlichte Christus. Das verleiht der Versammlung Gottes einen besonderen Charakter. Die Menschen mögen sich aus irgendeinem Grund, um irgendeinen Mittelpunkt oder zu irgendeinem beliebigen Zweck vereinigen; aber wenn der Heilige Geist vereinigt, dann geschieht es nur aufgrund einer vollbrachten Erlösung um die Person Christi, um für Gott eine heilige Wohnstätte zu bereiten (1Kor 3,16.17; 6,19; Eph 2,21.22; 1Pet 2,4.5).