Behandelter Abschnitt 2Mo 8,25
Die Einwände des Pharaos
Es muss nun noch der dritte oben angedeutete Punkt näher betrachtet werden, nämlich die vier Einwände des Pharaos gegen die völlige Befreiung und Trennung des Volkes Gottes von Ägypte
Der erste Einwand des Pharaos
Den ersten Einwand finden wir in Kapitel 8,25: „Und der Pharao rief Mose und Aaron und sprach: Geht hin und opfert eurem Gott im Land.“ Wir brauchen kaum zu erwähnen, dass hinter dem Widerstand der Zauberer und den Einwänden des Pharaos in Wirklichkeit Satan stand; und hinter diesem Vorschlag des Pharaos verbarg sich ganz offensichtlich seine Absicht, das Zeugnis für den Namen des Herrn zu verhindern; ein Zeugnis, das mit der gänzlichen Trennung des Volkes Gottes von Ägypten verbunden war. Es ist klar, dass von einem solchen Zeugnis keine Rede sein konnte, wenn das Volk in Ägypten zurückblieb, selbst wenn dort ein Opfer gebracht worden wäre. Denn dadurch hätte Israel sich mit den Ägyptern auf denselben Boden und ihren Herrn mit den Göttern Ägyptens auf die gleiche Ebene gestellt; und ein Ägypter hätte mit Recht zu einem Israeliten sagen können: Ich sehe keinen Unterschied zwischen uns. Ihr habt euren Gottesdienst, und wir haben unseren; wo ist da der Unterschied?
Die Menschen finden es ganz in Ordnung und selbstverständlich, dass sich jeder zu irgendeiner Religion bekennt. Die Form unserer Religion bietet nur geringen Anstoß. Das sind die Gedanken der Menschen in Bezug auf das, was sie Religion nennen, aber die Verherrlichung des Namens Jesu findet darin keinen Platz. Das Prinzip der Absonderung vom Bösen wird immer auf den Widerstand des Feindes und auf das Unverständnis der Menschen stoßen. Wohl mag der Mensch, weil ihm das Gewissen bezeugt, dass nicht alles in Ordnung ist, ein Verlangen nach Religiosität haben; aber er trachtet ebenso auch nach der Welt. Am liebsten würde er „Gott opfern im Land“; und das Ziel Satans ist erreicht, wenn man eine weltliche Religion annimmt und sich weigert, hinauszugehen und sich abzusondern (2Kor 6,17). Seine Absicht ging von jeher dahin, das Zeugnis für den Namen Gottes auf der Erde zu verhindern. Und gerade diese Absicht verbarg sich hinter dem Vorschlag: „Geht hin und opfert eurem Gott im Land.“ Wie wäre das Zeugnis gelähmt worden, wenn dieser Vorschlag Annahme gefunden hätte! Das Volk Gottes in Ägypten und Gott selbst in Verbindung mit den Abgöttern Ägyptens – welch ein schrecklicher Gedanke!
Wir sollten mit Ernst über diese Dinge nachdenken. Die Anstrengung des Feindes, um Israel zu bewegen, dem Herrn in Ägypten zu opfern, stellt einen weit wichtigeren Grundsatz ans Licht, als wir auf den ersten Blick meinen mögen. Der Feind würde triumphieren, wenn er durch irgendwelche Mittel und zu irgendeiner Zeit auch nur den Schein einer göttlichen Anerkennung der Religion der Welt herbeiführen könnte. Gegen eine Religion dieser Art erhebt er keine Einsprüche. Er erreicht sein Ziel ebenso sicher durch das, was man die „religiöse Welt“ nennt, wie durch jedes andere Mittel; und wenn es ihm daher gelingt, einen wahren Christen dahin zu bringen, dass er die Religion des Tages anerkennt, so hat er in der Tat einen großen Erfolg errungen. Es ist eine bekannte Tatsache, dass in der Welt nichts einen so heftigen Unwillen erregt wie der göttliche Grundsatz der Absonderung von dem gegenwärtigen bösen Zeitlauf. Man mag dieselben Ansichten haben, dieselben Lehren verkünden und dieselben Werke tun; sobald man aber auch nur versucht, nach den göttlichen Geboten „Von diesen wende dich weg“ (2Tim 3,5) und „Geht aus ihrer Mitte hinaus und sondert euch ab“ (2Kor 6,17) zu handeln, so muss man mit heftigem Widerstand rechnen. Wie ist das zu erklären? In erster Linie durch die Tatsache, dass Christen, die sich von der Religion der Welt trennen, ein Zeugnis für Christus sind, und das ist in Verbindung mit der Welt nicht möglich.
Zwischen einer weltlichen Religion und Christus besteht ein sehr großer Unterschied. Auch ein Hindu wird von seiner Religion zu reden wissen; aber von Christus weiß er nichts. Der Apostel sagt nicht: „Wenn es nun irgendeine Ermunterung gibt in der Religion“ (Phil 2,1), obwohl die Anhänger jeder Religion ohne Zweifel das darin finden, was sie für eine Ermunterung halten; Paulus aber fand seinen Trost in Christus, nachdem er die Nichtigkeit der Religion, und zwar in ihrer schönsten und bestechendsten Form, völlig erprobt hatte (vgl. Gal 1,13.14; Phil 3,4-11).
Zwar redet der Geist Gottes von einem „reinen und unbefleckten Gottesdienst“ (Jak 1,27). aber der nicht wiedergeborene Mensch kann sich in keiner Weise daran beteiligen. Denn wie könnte er an etwas teilhaben, was „rein und unbefleckt“ ist? Dieser Gottesdienst ist aus dem Himmel, wo alles, was rein und lieblich ist, seinen Ursprung hat; er ist nur vor „Gott und dem Vater“ möglich und dient zur Ausübung der Tätigkeiten der neuen Natur, die jeder bekommt, der an den Namen des Sohnes Gottes glaubt (Joh 1,12.13; Jak 1,18; 1Pet 1,23; 1Joh 5,1); und dieser Gottesdienst lässt sich zwei grundlegenden Prinzipien zuordnen: der praktischen Nächstenliebe und der persönlichen Heiligkeit, d. i. „Waisen und Witwen in ihrer Drangsal zu besuchen, sich selbst von der Welt unbefleckt zu erhalten“ (Jak 1,27).
Alles, was zu den echten Früchten des christlichen Glaubens zählt, lässt sich unter diese beiden Grundsätze einordnen; und es ist sehr bemerkenswert, dass sowohl in 2. Mose 8 als auch in Jakobus 1 die Absonderung von der Welt als eine unerlässliche Eigenschaft in der Ausübung des wahren Gottesdienstes bezeichnet wird. Gott kann nichts als „rein und unbefleckt“ annehmen oder anerkennen, das mit der „gegenwärtigen bösen Welt“ (Gal 1,4) in Berührung gekommen ist. „Darum geht aus ihrer Mitte hinaus und sondert euch ab, spricht der Herr, und rührt Unreines nicht an, und ich werde euch aufnehmen; und ich werde euch zum Vater sein, und ihr werdet mir zu Söhnen und Töchtern sein, spricht der Herr, der Allmächtige“ (2Kor 6,17.18).
In Ägypten gab es keinen Begegnungsort für den Herrn und sein auserwähltes Volk. Befreiung und Trennung von Ägypten war für Israel dieselbe Sache. Gott hatte gesagt: „Ich bin herabgekommen, um es . . . zu erretten“ (Kap. 3,8); und nichts weniger als das hätte ihn befriedigen oder verherrlichen können. Eine Erlösung, die das Volk in Ägypten zurückgelassen hätte, wäre keine Erlösung Gottes gewesen. Zudem dürfen wir nicht aus dem Auge verlieren, dass es bei der Erlösung Israels und ebenso bei der Vernichtung des Pharaos die Absicht Gottes war, dass man seinen Namen verkündige auf der ganzen Erde (Kap. 9,16). Aber wie hätte der Name oder der Charakter Gottes bekannt gemacht werden können, wenn sein Volk versucht hätte, ihm in Ägypten ein Opfer zu bringen? Entweder gar nicht oder nur in verfälschter Weise.
Für die vollkommene und zuverlässige Offenbarung des Charakters Gottes war es deshalb notwendig, dass sein Volk befreit und völlig von Ägypten getrennt wurde. Und um heute ein klares, eindeutiges Zeugnis für den Sohn Gottes ablegen zu können, ist es ebenso notwendig, dass alle, die ihm wirklich angehören, von der gegenwärtigen bösen Welt getrennt sind. Das ist der Wille Gottes, und zu diesem Zweck hat Christus sich selbst gegeben, wie wir lesen: „Gnade euch und Friede von Gott, dem Vater, und unserem Herrn Jesus Christus, der sich selbst für unsere Sünden gegeben hat, damit er uns herausnehme aus der gegenwärtigen bösen Welt, nach dem Willen unseres Gottes und Vaters, dem die Herrlichkeit sei von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen“ (Gal 1,3-5).
Die Galater waren auf dem Weg, sich einer fleischlichen und weltlichen Religion zuzuwenden, einer Religion mit Satzungen, Tagen, Neumonden, Zeiten und Jahren, und der Apostel beginnt seinen Brief mit der Mitteilung, dass der Herr Jesus sich selbst hingegeben habe, um sein Volk gerade davon zu befreien. Das Volk Gottes muss ein abgesondertes Volk sein, jedoch nicht etwa aufgrund seiner höheren persönlichen Heiligkeit, sondern weil es Gottes Volk ist und damit Gott bei dem Volk eine ihm gemäße Antwort auf seine Gnade finden kann, die darin besteht, dass Er das Volk mit sich selbst und mit seinem Namen verbunden hat. Ein Volk inmitten der Gräuel Ägyptens hätte unmöglich ein Zeugnis für den heiligen Gott sein können; und ebenso wenig kann heute jemand, der mit einer verdorbenen weltlichen Religion verbunden ist, ein entschlossener und treuer Zeuge für den gekreuzigten und auferstandenen Christus sein.