Behandelter Abschnitt 1. Mose 18,22-32
Abrahams Fürbitte für Sodom
Und wozu benutzte Abraham seine Erkenntnis und seine hohe Stellung? Womit war er in der Gegenwart Gottes beschäftigt? Er trat fürbittend für andere vor Gott ein, und dies ist das dritte Vorrecht, das dem Patriarchen in diesem Kapitel gewährt wird. Er konnte für die bitten, die sich mit dem verdorbenen Volk Sodoms vermengt hatten und nun in Gefahr standen, in das Gericht dieser Stadt hineingezogen zu werden. Das war in der Tat ein guter und heiliger Gebrauch, den er von seiner Stellung in der Nähe Gottes machte. So wird es aber stets sein. Die Seele, die in voller Gewissheit des Glaubens Gott nahen kann und die, befreit vom bösen Gewissen und mit gereinigtem Herzen, ihr Vertrauen auf Gott setzen kann, wird fähig und willig sein, für andere fürbittend einzutreten. Wer die „ganze Waffenrüstung Gottes“ angelegt hat, kann „für alle Heiligen“ beten (Eph 6,13.18). Welch ein schönes Bild gibt uns dies von der Fürbitte unseres großen Hohenpriesters, der durch die Himmel gegangen ist! (Heb 4,14). Mit welcher Wirksamkeit vertritt Er vor der göttlichen Majestät alle, die sich in dieser Welt des Verderbens abmühen! Wie glücklich und sicher sind doch die Gegenstände dieser allmächtigen Fürbitte!
So gesegnet die Fürbitte Abrahams auch war, so blieb sie dennoch begrenzt, weil der Fürbittende nur ein Mensch war. Sie erreicht nicht die Höhe des Bedürfnisses. Abraham sagt: „Möge doch der Herr nicht zürnen, und ich will nur noch diesmal reden“ (V. 32), und dann hört er auf, als befürchte er, in der Schatzkammer der unendlichen Gnade einen Wechsel über einen zu hohen Betrag vorgezeigt zu haben. Abraham wurde nicht von Seiten Gottes beschränkt. In Gott war ein Überfluss von Gnade und Geduld vorhanden. Er hätte auf seinen geliebten Diener gehört, selbst wenn dieser in seiner Fürbitte auf drei, ja, auf einen einzigen Gerechten zurückgegangen wäre. Die Schuld lag auf Seiten des Dieners. Er fürchtete die Höhe seines Kredits zu überschreiten. Er hörte auf zu bitten, und Gott hörte auf zu geben. So ist es nicht bei unserem hochgelobten Fürsprecher. Von ihm kann gesagt werden: „Daher vermag er diejenigen auch völlig zu erretten . . . , indem er allezeit lebt, um sich für sie zu verwenden“ (Heb 7,25).
Die zukünftigen Ereignisse und die Hoffnung der Versammlung
Bevor wir dieses Kapitel schließen, möchte ich noch eine Bemerkung machen, die mir beachtenswert erscheint. Bei der Erforschung der Heiligen Schrift ist es von großer Wichtigkeit, zwischen der Regierung Gottes über die Welt und der besonderen Hoffnung der Versammlung zu unterscheiden. Alle Prophezeiungen des Alten und ein großer Teil der Prophezeiungen des Neuen Testaments handeln von dieser Regierung Gottes, und ich brauche kaum zu sagen, dass sie deswegen für jeden Christen sehr interessant sind. Es ist sicher der Mühe wert zu wissen, wie Gott mit den Nationen der Erde handelt und handeln wird, und was seine Gedanken sind über Tyrus, Babylon, Ninive und Jerusalem, über Ägypten, Assyrien und das Land Israel. Vergessen wir jedoch nicht, dass in diesen Prophezeiungen die besondere Hoffnung der Versammlung Gottes nicht enthalten ist.
Wie wäre es auch möglich? Wenn nicht einmal die Existenz der Versammlung im Alten Testament offenbart ist, wie könnte dann von ihrer Hoffnung die Rede sein? Das heißt natürlich nicht, dass die Prophezeiungen des Alten Testaments nicht eine Menge göttlicher und sittlicher Grundsätze in sich schließen, aus denen die Versammlung reichen Nutzen ziehen kann, aber das ist etwas ganz anderes, als in ihnen die Offenbarung der Existenz und der besonderen Hoffnung der Versammlung finden zu wollen. Und doch ist ein großer Teil der alttestamentlichen Prophezeiungen auf die Versammlung angewandt worden, und man hat dadurch die ganze Sache so verwirrt, dass einfache Gemüter vom Studium der Prophezeiungen abgehalten worden und dahin gekommen sind, sogar die Betrachtung dessen zu vernachlässigen, was gar nichts mit ihnen zu tun hat, nämlich der Hoffnung der Versammlung Gottes. Diese Hoffnung aber, wir wiederholen es, hat nichts zu tun mit den Wegen Gottes bezüglich der Völker der Erde, sondern besteht darin, dem Herrn entgegengerückt zu werden in die Luft, um für allezeit bei ihm und ihm gleich zu sein (siehe 1Thes 4,13ff).