Behandelter Abschnitt 1. Mose 18,1-21
Gottes Besuch bei Abraham
Gemeinschaft mit dem Herrn
Kapitel 18 liefert uns ein gutes Beispiel von den Ereignissen eines Lebens der Absonderung und des Gehorsams. „Wenn jemand mich liebt, so wird er mein Wort halten, und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm machen“ (Joh 14,23). Diese Stelle zeigt uns, in Verbindung mit dem Inhalt des vorliegenden Kapitels, dass eine gehorsame Seele eine Art von Gemeinschaft genießt, die demjenigen völlig unbekannt bleibt, der sich in einer weltlichen Atmosphäre bewegt.
Dies berührt jedoch in keiner Weise die Frage der Vergebung oder der Rechtfertigung. Alle Gläubigen sind mit demselben fleckenlosen Kleid der Gerechtigkeit bekleidet. Alle stehen in derselben Rechtfertigung vor dem Angesicht Gottes. Dasselbe Leben strömt vom Haupt im Himmel durch alle Glieder auf der Erde. Diese bereits wiederholt erwähnte wichtige Lehre wird in der Heiligen Schrift klar festgestellt. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass die Rechtfertigung und ihre Früchte zwei ganz verschiedene Dinge sind. Ein Kind zu sein und ein gehorsames Kind zu sein, ist nicht dasselbe. Ein Vater liebt ein gehorsames Kind und wird es zum Vertrauten seiner Gedanken und Pläne machen. Und sollte es nicht auch bei unserem himmlischen Vater der Fall sein? Die Worte des Herrn (Joh 14,23.24) bestätigen dies zweifellos und beweisen zugleich, dass es Heuchelei ist, wenn jemand behauptet, Christus zu lieben, und nicht „sein Wort“ hält. „Wenn jemand mich liebt, so wird er mein Wort halten“. Sein Wort nicht halten ist also der sichere Beweis, dass wir nicht in der Liebe seines Namens unseren Weg gehen. Unsere Liebe zu Christus zeigt sich darin, dass wir die Dinge tun, die Er befohlen hat, und dass wir nicht nur „Herr, Herr!“ sagen. Welchen Wert hat es, zu sagen: „Ich gehe, Herr“, wenn das Herz nicht daran denkt zu gehen?
Nun, obwohl Abraham in Einzelheiten gefehlt hat, so sehen wir doch in ihm einen Menschen, der sich im Allgemeinen durch ein erhabenes, gottverbundenes Leben auszeichnete, und in dem jetzt vor uns liegenden, interessanten Teil seiner Geschichte findet er Freude an drei besonderen Vorrechten, nämlich: Für den Herrn eine Erfrischung zuzubereiten, mit dem Herrn in völliger Gemeinschaft zu sein, und vor dem Herrn sich für andere zu verwenden. Das sind herrliche Auszeichnungen, und doch begleiten sie stets ein heiliges Leben der Absonderung und des Gehorsams. Gehorsam erfreut den Herrn, denn es ist die Frucht seiner eigenen Gnade in unseren Herzen.
Wir sehen, wie der einzig vollkommene Mensch, der jemals auf dieser Erde war, den Vater ohne Unterlass erfreute und erquickte. Immer wieder gab Gott ihm vom Himmel Zeugnis, dass Er sein geliebter Sohn sei, an dem Er Wohlgefallen gefunden hatte. Das Leben Christi auf der Erde ließ einen duftenden Wohlgeruch zu Gottes Thron emporsteigen. Von der Krippe bis zum Kreuz tat Er stets das, was seinem Vater wohl gefiel. Da gab es keine Unterbrechung, keine Veränderung, keine Ungleichmäßigkeit. Er war der einzige Vollkommene. Doch wenn wir die Berichte der Heiligen Schrift verfolgen, begegnen wir hier und dort einer Seele, die gelegentlich den Himmel erfreute, wie z. B. im vorliegenden Kapitel der Fremde im Hain Mamre, als er in seinem Zelt dem Herrn selbst eine Erquickung bereitete, die in Liebe dargeboten und willig angenommen wurde (V. 8).
Dann finden wir Abraham in der Freude tiefer Gemeinschaft mit dem Herrn, während er sich zunächst wegen seiner eigenen persönlichen Interessen (V. 9-15) und dann über das Schicksal Sodoms (V. 16-21) mit ihm unterhält. Welch eine Stärkung für das Herz Abrahams lag in der Verheißung: „Sara wird einen Sohn haben!“ Bei Sara löste diese Verheißung freilich nur ein Lachen aus, wie im vorhergehenden Kapitel bei Abraham.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich darauf aufmerksam machen, dass die Heilige Schrift von zwei Arten von „Lachen“ redet. Zunächst gibt es ein Lachen, mit dem der Herr den Mund seines Volkes füllt, wenn Er im Augenblick großer Prüfungen in besonderer Weise zu dessen Hilfe erscheint. „Als der Herr die Gefangenen Zions zurückführte, waren wir wie Träumende. Da wurde unser Mund voll Lachen, und unsere Zunge voll Jubel; da sagte man unter den Nationen: Der Herr hat Großes an ihnen getan! Der Herr hat Großes an uns getan: Wir waren fröhlich!“ (Ps 126,1-3). Dann aber gibt es ein Lachen des Unglaubens, wenn die Verheißungen Gottes zu herrlich sind, um in unseren engen Herzen Aufnahme zu finden, oder wenn die sichtbaren Mittel, die Gott zur Ausführung seiner großartigen Pläne benutzen will, unserer Meinung nach zu gering sind.
Des ersten Lachens schämen wir uns niemals, noch fürchten wir uns, es einzugestehen. Die Söhne Zions schämten sich nicht zu sagen: „Da wurde unser Mund voll Lachen.“ Wir dürfen herzhaft lachen, wenn der Herr es ist, der das Lachen hervorruft. Aber „Sara leugnete und sprach: Ich habe nicht gelacht!, denn sie fürchtete sich“. Der Unglaube macht uns furchtsam und unehrlich, der Glaube macht uns kühn und wahrheitsgetreu. Er befähigt uns, mit „Freimütigkeit“ und „mit wahrhaftigem Herzen“ hinzuzutreten (Heb 10).
Die Offenbarung des Willens Gottes
Außerdem lässt Gott Abraham an seinen Gedanken und Absichten bezüglich Sodom teilnehmen. Obwohl er persönlich mit dem Schicksal Sodoms nichts zu tun hatte, stand er dem Herrn doch so nahe, dass er in seine geheimen Absichten mit dieser Stadt eingeweiht wurde. Die Absichten Gottes über die gegenwärtige böse Welt lernen wir nicht kennen durch Verbindung mit der Welt, sondern nur durch absolute Trennung von ihr. Je mehr wir in enger Gemeinschaft mit Gott leben und je mehr wir seinem Wort unterworfen sind, desto besser werden wir seine Gedanken über alle Dinge kennen. Ich muss nicht unbedingt die Zeitungen lesen, um zu erfahren, was sich in dieser Welt ereignen wird. Das Wort Gottes offenbart mir alles, was ich darüber wissen muss. Durch dieses Wort werde ich über den Charakter, den Lauf und das Schicksal dieser Welt eingehend unterrichtet. Wenn ich mich dagegen von den Menschen dieser Welt über diese Dinge informieren lasse, so brauche ich mich nicht zu wundern, wenn der Teufel sie benutzt, um mir Sand in die Augen zu streuen.
Wenn Abraham Sodom besucht hätte, um sich über die Lage der Dinge Informationen zu verschaffen, wenn er sich an die führenden Männer der Stadt gewandt hätte, um ihre Gedanken über den Zustand und die Aussichten Sodoms kennen zu lernen, dann hätten sie ohne Zweifel die Aufmerksamkeit Abrahams auf ihre wirtschaftlichen und architektonischen Unternehmungen, sowie auf die unermesslichen Reserven des Landes gelenkt und ihm ein buntes Gewimmel von Menschen gezeigt, die kauften und verkauften, bauten und pflanzten, aßen und tranken, heirateten und sich verheirateten. Die Führer Sodoms dachten zweifellos an alles andere als an Gericht, und hätte jemand darüber zu ihnen geredet, so hätten sie sicher ungläubig gelacht. Offensichtlich war deshalb Sodom nicht der Platz, wo man etwas über das Ende der Stadt erfahren konnte. Der Platz, wo Abraham vor dem Herrn stand (Kap. 19,27), war der einzige Punkt, der eine Aussicht über die ganze Szene bot. Dort stand er über all den finsteren Wolken, die sich an Sodoms Horizont zusammengeballt hatten. Dort, in der Reinheit und Stille der Gegenwart Gottes, konnte er alles verstehen lernen.