Behandelter Abschnitt 1. Mose 4,5-13
Der Mörder
Doch der fleischliche Sinn beweist gleich seine Feindschaft gegen diese Wahrheit, die das Herz eines Gläubigen so sehr erfreut. So war es bei Kain. „Und Kain ergrimmte sehr, und sein Angesicht senkte sich“ (Kap. 4,5). Das, was Abel mit Frieden erfüllte, erfüllte Kain mit Wut. Kain verachtete in seinem Unglauben den einzigen Weg, auf dem ein Sünder zu Gott kommen konnte. Er weigerte sich, Blut zu opfern, ohne das keine Vergebung sein kann, und als er deswegen in seinen Sünden nicht angenommen wurde, Abel aber in seiner Gabe annehmlich war, „ergrimmte er sehr, und sein Angesicht senkte sich“. Wie hätte es auch anders sein können?
Gott konnte Kain nicht mit seinen Sünden annehmen, und Kain wollte nicht das Blut bringen, das allein Sühnung tun kann. Deshalb wurde er verworfen, und als ein Verworfener bringt er in seinen Wegen die Früchte einer verdorbenen Religion hervor. Er verfolgt und ermordet den wahren Zeugen, den angenommenen, gerechtfertigten Abel, den Mann des Glaubens, und in dieser Tat zeigt er sich als das erste Musterbeispiel aller Anhänger falscher Religion in jedem Zeitalter. Zu allen Zeiten und an allen Orten haben die Menschen sich mehr aus religiösen als aus anderen Gründen zu Verfolgungen hinreißen lassen. Es ist die Weise Kains.
Die vollkommene, bedingungslose Rechtfertigung durch den Glauben allein macht Gott zu allem und den Menschen zu nichts. Das liebt der Mensch nicht. Es verursacht ein „Senken seines Angesichts“ und ruft seinen Zorn wach. Nicht dass er einen Grund für seinen Zorn vorbringen könnte, denn wir haben gesehen, dass es sich überhaupt nicht um den Menschen handelt, sondern nur um den Boden, auf dem er vor Gott erscheint. Hätte die Annahme Abels sich auf etwas in ihm selbst gegründet, so wäre der Zorn Kains noch irgendwie zu rechtfertigen gewesen, aber da Abel ausschließlich auf Grund seines Opfers angenommen wurde und Gott nicht ihm, sondern seiner Gabe Zeugnis gab, so fehlte dem Zorn Kains wirklich jede Grundlage. Dies wird denn auch deutlich in den Worten des Herrn: „Ist es nicht so, dass es sich erhebt, wenn du recht tust?“ (V. 7)
Das Recht tun bezog sich auf das Opfer. Abel tat wohl, indem er sich hinter ein annehmbares Opfer stellte. Kain aber handelte böse, indem er ein Opfer ohne Blut darbrachte, und sein späteres Verhalten war nur das folgerichtige Ergebnis seines falschen Gottesdienstes. „Und Kain sprach zu seinem Bruder Abel; und es geschah, als sie auf dem Feld waren, da erhob sich Kain gegen seinen Bruder Abel und erschlug ihn“ (Kap. 4,8). So ist es immer gewesen: das Geschlecht Kains verfolgte und tötete stets das Geschlecht Abels. Sowohl der Mensch und seine Religion als auch der Glaube und sein Gottesdienst sind im Lauf der Jahrhunderte stets gleich geblieben, und wo irgend sie einander begegneten, hat es Kampf gegeben.